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Umsteuern - dann geht was

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht, dass ich zu Beginn der 18. Legislaturperiode überschäumende Erwartungen gehabt hätte; aber wenigstens gab es im Einzelplan 16 die leise Hoffnung, dass „Schlimmer geht nimmer“ nicht wieder eintreten wird. Und tatsächlich: Im Koalitionsvertrag fanden sich einige Passagen zum Wohnungsbau und zur Stadtentwicklung, zu denen man sagen konnte: Wenn nur die Hälfte davon umgesetzt wird, wäre das schon ein beachtenswerter Fortschritt, vor allem im Vergleich zu dem Nichts von vorher. Aber jetzt, mit Vorliegen des letzten Haushalts dieser Regierung, bleibt das ernüchternde Fazit: Nichts von dem, was die Bundesregierung an Verbesserungen im Wohnungswesen und im Städtebau angekündigt hat, ist wirklich umgesetzt worden. Das wenige, das sie auf den Weg gebracht hat, funktioniert nicht, zum Beispiel die Mietpreisbremse oder die Wohngeldanpassung aus dem Jahr 2015.

Der Haushalt 2017 sieht leider auch nicht nach einem furiosen Endspurt dieser Legislatur aus, wie man es eigentlich hätte erwarten können, vor allem, wenn man Wahlgeschenke verteilen will. Ich erinnere: Der Koalitionsvertrag trägt den ambitionierten Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“. Zum Einzelplan 16 für das Haushaltsjahr 2017 muss man aber sagen, dass es nicht einmal dafür reicht, die Gegenwart zu verwalten.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Haushaltsansätze für sozialökologisch relevante Ziele bleiben wieder einmal weit hinter den realen Herausforderungen der Gegenwart zurück, besonders im Wohnungsbau.

Erstes Beispiel: altersgerechtes Umbauen. Hier hat die Koalition versprochen – ich zitiere –:

"Zur Förderung des generationengerechten Umbaus werden wir ein neues Programm „Altersgerecht Umbauen“ auflegen, mit Investitionszuschüssen ausstatten und damit das bestehende KfW-Darlehensprogramm ergänzen."

In den ergänzenden Erläuterungen, im sogenannten Grünbuch, steht dazu: Bis 2030 werden nach einer Studie der Prognos AG 2,9 Millionen altersgerechte Wohnungen benötigt; aber nur 1 oder maximal 2 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes von rund 41 Millionen Wohnungen in Deutschland sind aktuell altersgerecht umgebaut. – Insgesamt sollen im Haushalt 2017  36 Millionen Euro dafür ausgegeben werden. Das heißt – wenn man die 2,9 Millionen Wohnungen auf die Jahre umrechnet –, dass man jährlich 220 000 Wohnungen altersgerecht umbauen müsste, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn man die 36 Millionen Euro darauf verteilt, gäbe es für jede Wohnung einen Zuschuss von 163 Euro. Ich finde, das ist ein schlechter Witz.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweites Beispiel: sozialer Wohnungsbau. Ich höre schon meine Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition sagen: Hierfür haben wir doch die Mittel verdreifacht. – Ja, das stimmt. Aber Sie verdreifachen damit nicht den Bau von Sozialwohnungen. Selbst wenn dem so wäre, hieße das: Statt der bisher 10 000 Sozialwohnungen pro Jahr würden dann 30 000 Sozialwohnungen gebaut. Immer noch viel zu wenig, weil wir wissen, dass wir jedes Jahr mindestens 80 000 Wohnungen brauchten, um die Zahl der jährlich aus der Sozialbindung herausfallenden Sozialwohnungen zu kompensieren. Stattdessen haben Sie sich, Frau Ministerin, von den Ländern den ursprünglich vorgesehenen Titel „Wohnungsbauprogramm zur Vermeidung von sozialen Brennpunkten in Städten mit besonderem Wohnungsbedarf“ einfach einkassieren lassen. Unter dieser Titelbezeichnung wären die Mittel nämlich klar für den sozialen Wohnungsbau zweckgebunden gewesen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)

Dann sind diese 500 Millionen Euro aber auf wundersame Weise den allgemeinen Kompensationsmitteln zugeschlagen worden, und damit war auch deren Zweckbindung weg. Die Erklärung, dass die Länder allein über die Verwendung der Mittel bestimmen, lasse ich nicht gelten;

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

denn wer das Geld gibt, der sagt auch, was damit passieren soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind nur zwei Beispiele, die belegen, dass die Bundesregierung nicht nur zu wenig in eine soziale und ökologische Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik investiert, sondern es auch noch blind tut, ohne eigenen Gestaltungsanspruch. Das, finde ich, ist kein Zufall.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit der willkürlichen Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit 1990 und der Föderalismusreform 2006 hat sich der Staat weitestgehend aus der Verantwortung für das Wohnungswesen herausgewunden – das war Absicht, in der abwegigen Hoffnung, der Markt werde fortan alles regeln und auch die soziale Daseinsvorsorge für den Staat übernehmen. Das war ein Irrglaube. Aber es wäre heilbar, wenn man denn wollte.

Im öffentlichen Fachgespräch zur Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit jetzt im November haben wir viel Zustimmung zu diesem von uns, den Linken und den Grünen, formulierten Ziel erfahren, aber auch einen bemerkenswerten Disput zwischen der Wohnungswirtschaft und der Regierung erlebt. Beide warfen sich gegenseitig Versagen vor: die Wohnungswirtschaft dem Staat das Staatsversagen, und die Regierung konterte in Richtung Wohnungswirtschaft mit dem Vorwurf des Marktversagens. Hier ist heute für mich nicht die Zeit, lange über Staats- oder Marktversagen zu philosophieren. Wichtig ist aber das Offensichtliche: dass im Verhältnis von Staat und Markt Grundlegendes verändert werden muss.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Staat muss sofort viel stärker als bisher selbstständig eine am Gemeinwohl orientierte Gestaltungsfunktion übernehmen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)

Öffentliches Geld muss so eingesetzt werden, dass damit der größte gemeinschaftliche Nutzen, und zwar dauerhaft, erreicht wird. Das ist die einfache Grundidee einer neuen Gemeinnützigkeit in der Wohnungswirtschaft. Diese fordern wir in unserem Antrag „Bundesweiten Aktionsplan für eine gemeinnützige Wohnungswirtschaft auflegen“.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein letztes Wort, bevor meine Redezeit vorüber ist. Wir haben vor, jedes Jahr 5 Milliarden Euro für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus einzusetzen. Wenn wir die Mittel nehmen, die dem Bund entgehen, weil er an anderer Stelle auf Steuern vonseiten der Wohnungswirtschaft verzichtet, die Mittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro draufrechnen, die der Bund bis 2019 in das System pumpt, und berücksichtigen, dass der Bund durch entsprechende Maßnahmen die Ausgaben beim Wohngeld senken könnte, kommen wir auf einen Betrag von 9,5 Milliarden Euro, der allein für die soziale Wohnraumversorgung zur Verfügung stünde. Das wäre haushalterisch vernünftig; das ist, was die Linke will.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)