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Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie fördert Sozial- und Umweltdumping

Rede von Ulla Lötzer,

Kontrolle und Aufsicht von Unternehmen wird erschwert.

Sehr geehrte Damen und Herrn,

die Linke im Bundestag beglückwünscht die Große Koalition, dass sie sich in letzter Minute darauf verständigen konnte, dem Berliner Wirtschaftssenat zumindest in einem wichtigen Punkt zu folgen. Das Land Berlin hatte im Bundesrat darauf gedrungen, dass der Kreis derjenigen Unternehmen, die die Dienstleistungsfreiheit in Anspruch hätte nehmen können, nicht unnötig ausgeweitet wird. Das hatte die Bundesregierung beabsichtigt. Damit hätte in den betroffenen Wirtschaftszweigen fast jedes europäische Unternehmen, dass von einer Niederlassung außerhalb der Bundesrepublik aus agiert, auf dem deutschen Markt geltende Regeln umgehen können. Hierbei ging es unter anderem um Erlaubnisse für Makler, Bauträger und das Reisegewerbe - also nicht gerade unwichtige Wirtschaftszweige. Der Bundesrat ist in seiner Stellungnahme dem Land Berlin und damit der Position der Linken gefolgt. Die Koalition hat dies am Ende akzeptiert. Damit konnten wir erneut mit Unterstützung des DGB erreichen, dass der ursprüngliche Geist der Bolkesteinrichtlinie, nämlich das sogenannte Herkunftslandprinzip, nicht wieder durch eine Hintertür eingeführt wurde.

Aber verstehen sie mich nicht falsch. Wir werden dem Gesetz trotzdem nicht zustimmen. Die Linke und die Gewerkschaften konnten - wie auch damals auf europäischer Ebene - nur genug Druck ausüben, um das Schlimmste verhindern. Im Ergebnis können sich nun nur vorübergehend in der Bundesrepublik tätige Unternehmen auf die niedrigeren Standards berufen. Der Unterschied zwischen Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit ist jetzt aber objektiv überprüfbar. Das ist schön und gut und wird für die Behörden zwar überprüfbar sein. Ob sie diese Überprüfung und damit den Mißbrauchstatbestand wirksam verfolgen können, bleibt völlig offen.

Denn sie halten weiter daran fest, dass die Gewerbeanzeige nach § 14 für grenzüberschreitende Dienstleister entfallen soll. Die Streichung der Gewerbeanzeige nimmt den Behörden die Möglichkeit, von der Existenz des Gewerbetreibenden Kenntnis zu nehmen. Kontrolle und Aufsicht können aber ernsthaft nur wahrgenommen werden, wenn der Mitgliedstaat ein Mindestmaß an Informationen über die Existenz von Gewerbetreibenden in seinem Zuständigkeitsbereich besitzt. Darauf hatte der Bundesrat gedrungen. Die Bundesregierung ist dem nicht gefolgt. Unseren entsprechenden Änderungsantrag haben sie abgelehnt.

Damit bleibt für DIE LINKE im Bundestag klar: Die schönen Worte aus der gemeinsamen Erklärung von SPD und DGB für ein soziales Europa von SPD und DGB bleiben in der Realität wirkungslos. Sie schreiben dort: „Soziale Grundrechte und Standards dürfen nicht durch Wettbewerb und Liberalisierung im europäischen Binnenmarkt eingeschränkt werden.“ In der Realität schränken sie mit der CDU/CSU Standards, die sich langjährig bewährt haben ein, sie diskriminieren inländische Gewerbetreibende, überfordern Behörden und sie nehmen Missbrauch in Kauf.

DIE LINKE und der DGB treten dagegen dafür ein, dass die sozialen und politischen Grundrechte gestärkt werden. Wir setzen Harmonisierung von Standards gegen die schädliche Konkurrenz um niedrige Umwelt-, Sozial oder andere sinnvolle Sicherheitsstandards. Die Anmeldung eines Gewerbes ist dabei doch oft nur die Voraussetzung für alle weiteren Prüfungen.

Wir wollen das Gleichgewicht zwischen Binnenmarktfreiheiten und sozialen Grundrechten wieder herzustellen. Wirtschaftliche Freiheiten wie die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dürfen keinen Vorrang vor sozialen Rechten und sinnvollen Regeln erhalten. Wir treten deshalb dafür ein, dass die Europäischen Verträge durch eine soziale Fortschrittsklausel ergänzt werden. Damit soll der Vorrang der sozialen Grundrechte vor den Binnenmarktfreiheiten gewährt werden.