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Ulla Jelpke: »Syrien bleibt weiterhin ein Pulverfass«

Rede von Ulla Jelpke,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es hier in der Tat mit einem Schaufensterantrag der AfD zu tun. In Syrien wird nach wie vor gekämpft, Syrien liegt in Trümmern. Deswegen ist es peinlich, wenn Sie die Regierung auffordern, ein Rückreiseabkommen abzuschließen. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie vom derzeitigen Machthaber eine Garantie bekommen, dass Menschen dort, egal wo, unbeschadet leben können.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marlene Mortler [CDU/CSU])

Entschuldigen Sie bitte, aber Die Linke nimmt Ihnen Ihre Sorge um freiwillig zurückgeführte Flüchtlinge nicht ab. Eines ist ganz klar: Ihr eigentliches Ziel ist es, Flüchtlinge in Deutschland zu verunsichern, und vor allen Dingen, sie schnellstmöglich loszuwerden. Die Linke wird bei solchen Vorführanträgen nicht mitmachen. Sie können uns nicht täuschen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben aus dem Bericht der Internationalen Organisation für Migration, IOM, einfach die Zahl 600 000 herausgegriffen und behaupten, 600 000 Flüchtlinge seien zurückgekehrt. Damit wird suggeriert, die Flüchtlinge seien aus dem Ausland zurückgekehrt, aber tatsächlich sind es Binnenflüchtlinge gewesen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Beides!)

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass in Syrien weitere 6 Millionen Menschen innerhalb des Landes geflüchtet sind. 41 Prozent der Flüchtlinge, die zurückgekehrt sind, haben weder Trinkwasser noch Wohnraum noch Energie. Die Lage im Land ist katastrophal. Auch der UNHCR sagt ganz klar: Die Voraussetzungen für eine Rückkehr sind überhaupt noch nicht gegeben.

Die AfD hätte die IOM-Studie weiterlesen sollen; denn aus ihr geht hervor, dass allein im ersten Halbjahr 2017 800 000 Menschen innerhalb des Landes durch den Krieg vertrieben worden sind. Dort herrscht leider immer noch kein Frieden. Im Gegenteil: Nach dem weitgehenden Sieg über den sogenannten „Islamischen Staat“ zeichnen sich mit Blick auf die zukünftige Machtverteilung zwischen den Bürgerkriegsparteien bereits neue Konflikte ab. Dazu gehören natürlich auch die ausländischen Unterstützer. Die Türkei steht kurz vor dem Einmarsch in den kurdischen Kanton Afrin. Zudem droht im Nachbarland Krieg, im Libanon; wir haben das in der Debatte vorhin gehört. Im Libanon sind 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge. Wo sollen die hin?

Programme zur Rückkehr in dieses Pulverfass sind aus Sicht der Linken völlig indiskutabel. So etwas lehnen wir vollständig ab.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jeder, der sich zumindest noch einen Funken Humanität und Verstand bewahrt hat, muss doch sagen, dass es in dieser Situation um ganz andere Fragen geht, dass es nicht um Fragen der Rückführung geht, sondern vor allen Dingen um Fragen der Integration in diesem Land, in Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört für uns auch der Familiennachzug. Denn wie sollen sich Geflüchtete hier integrieren, wenn sie ständig daran denken müssen, dass ihre Angehörigen im Krieg sind?

(Dr. Eberhardt Alexander Gauland [AfD]: Ja, natürlich!)

Der christlichen Union, die die Familienzusammenführung immer wieder verhindert und sich damit bei der rechten Seite dieses Hauses anbiedert,

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

sage ich: Kommen Sie dieser grundlegenden Forderung des Grundgesetzes nach.

Statt bloßer Lippenbekenntnisse brauchen wir endlich die Bekämpfung von Fluchtursachen. Mit Blick auf den Mittleren/Nahen Osten muss man einfach sehen, dass die Regierung nach wie vor den Despoten Erdogan unterstützt, aber auch – darüber wurde heute auch schon diskutiert – Saudi-Arabien weiterhin mit Waffen beliefert und somit verantwortlich ist für die Fluchtursachen in dieser Region. In Syrien gibt es viele Gebiete, unter anderem in Nordsyrien, Rojava, wo Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Ich denke, jetzt geht es darum, vor Ort Hilfe zu leisten.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Ja, eben!)

Wir brauchen nicht so abscheuliche, zynische Programme wie das, welches die AfD hier einbringt und zur Diskussion stellt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)