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Ulla Jelpke: Sicherheit der Roma muss Staatsräson sein

Rede von Ulla Jelpke,

Frau Präsidentin! Lieber Zentralrat! Lieber Herr Rose! Ich bin stolz darauf, dass ich heute meine letzte Rede nach 30 Jahren Arbeit im Bundestag zu diesem Thema halten kann. Wir haben eben gesehen, wie wichtig es ist, dass wir über Antiziganismus diskutieren, dass wir wirklich aufklären. Denn diese rechte Fraktion hier repräsentiert im Grunde genommen Antiziganismus pur. Das ist heute hier bewiesen worden, und das müssen wir entschieden zurückweisen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich weiß, wir haben vor 2019 lange um diese Kommission gerungen. Jahrelang haben wir diskutiert, dass wir den Antiziganismus genauso als Rassismus bekämpfen müssen wie den Antisemitismus. Deswegen danke ich der Kommission für den umfangreichen Bericht, den sie vorgelegt hat, in dem wirklich viele Anregungen und Handlungsempfehlungen für die Politik stehen. Ich bin sehr gespannt, wie Sie das in nächster Zukunft umsetzen werden.

Die Kommission schreibt zum Beispiel – das wird sicherlich ein umstrittenes Thema sein; ich zitiere –:

"Die Asylpolitik hat seit den 1990er-Jahren mit Gesetzgebungsverfahren auf vorherige antiziganistische Debatten in der Öffentlichkeit reagiert und dabei deren Argumentationsstruktur übernommen."

Das trifft genau den Kern.

Ebenso kritisiert die Kommission die Einstufung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten. Dort werden nämlich Roma rassistisch diskriminiert. Alle Roma, die heute in Europa leben, sind Überlebende des NS-Völkermordes und deren Nachkommen. Ihre Sicherheit zu gewährleisten, muss meiner Meinung nach deutsche Staatsräson werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine Forderung der Kommission liegt mir besonders am Herzen. Sie geht darauf ein, dass im Ausland lebende NS-Opfer bis heute von Entschädigungen ausgegrenzt worden sind. Ich kann nur hoffen, dass der Bundestag das sofort ändert und umsetzt; denn ich denke, es darf keine NS-Opfer wie die Roma geben, die als Opfer zweiter Klasse diskriminiert werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben eine historische Verantwortung; das möchte ich in diesem Zusammenhang immer wieder betonen. Wir haben angesichts der NS-Opfer und vor allen Dingen des Völkermords an Roma und Sinti eine historische Verantwortung. Ich kann mir für die Zukunft nur wünschen, dass das in aller Breite anerkannt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Frau Präsidentin, ich habe schon gesehen, dass meine Redezeit abgelaufen ist. Aber vielleicht darf ich noch ein kurzes Wort zum Abschied sagen. Ich möchte mich nämlich auch noch einmal bei der Verwaltung und natürlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ausschüssen bedanken. Ich selber war fast 30 Jahre Mitglied im Innenausschuss, war Obfrau und Sprecherin. Dort habe ich einigen schon meinen Dank ausgesprochen.

Aber ich möchte hier auch den Kollegen danken, die solidarisch waren und vor allen Dingen unsere Rechte als Opposition geachtet haben. An Grüne und FDP: Wir haben zusammen sehr viel erstritten, haben Anhörungen machen können und haben bei vielen anderen Dingen zusammengearbeitet. Ich möchte mich auch bei den anderen Kollegen, die sich fair verhalten haben, bedanken.

Ein ganz wichtiger Bereich, der hier immer vergessen wird: Unsere Arbeit hat auch davon gelebt, dass uns Wohlfahrtsverbände, NGOs und Menschen, die außerparlamentarisch arbeiten, mit Sachverstand hier begleitet haben. Auch denen möchte ich danken.

Als gebürtige Hamburgerin sage ich: „Tschüs!“, und als adoptierte NRWlerin: Glück auf! – Auf Wiedersehen.

(Anhaltender Beifall bei der LINKEN – Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Die Fraktion der LINKEN sowie Abgeordnete der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich)