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Ulla Jelpke: Mehr Überwachungskompetenzen sind bürgerrechtsfeindlich

Rede von Ulla Jelpke,

Danke. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen jetzt, nachdem wir eben über das Verfassungsschutzrecht debattiert haben, über weiter gehende Befugnisse für die Bundespolizei. Herr Seehofer hat in der ersten Lesung hier gesagt – ich zitiere –:

"Für die Überwachung der Telekommunikation streiten bestimmte politische Kräfte schon seit Jahrzehnten. Es ist also schön, dass dies jetzt die Chance hat, realisiert zu werden."

Was für eine Definition! „Schön“ ist wirklich was anderes. Wenn heute beschlossen wird, dass die Bürgerinnen und Bürger weiterhin überwacht werden und damit Bürgerrechte eingeschränkt werden, dann wird die Sicherheit eher zur Unsicherheit. Das zeigt das gesamte Gesetz.

(Zuruf von der FDP: Das sagt die Richtige!)

Die Koalition will der Bundespolizei zum Beispiel einen Großteil jener TKÜ-Befugnisse geben, wie sie bereits die Länderpolizeien haben. Das bedeutet unter anderem, Handys und Computer mithilfe von Staatstrojanern auszuspähen. Dazu nutzt der Staat Sicherheitslücken in der Technik dieser Geräte, anstatt die Bürger vor diesen Lücken zu warnen. Um wenige Verdächtige abzuhören, werden Millionen von Bürgern und Bürgerinnen dem Risiko ausgesetzt, dass ihre Geräte gehackt werden. Das ist unverantwortlich, unverhältnismäßig und wird hoffentlich vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden.

(Beifall bei der LINKEN – Beifall bei der FDP: So ein Quatsch!)

Außerdem soll die Bundespolizei Meldeauflagen verhängen können und vollen Zugriff auf die Personendaten haben, die zum Beispiel im Schengener Informationssystem gespeichert sind. Für all das sind bislang die Länder zuständig, und es ist überflüssig wie ein Kropf, diese Kompetenzen jetzt auch noch der Bundespolizei zu geben.

(Lars Herrmann [fraktionslos]: Keinen blassen Schimmer! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Genau richtig!)

Im Unterschied zur FDP finden wir es sehr problematisch, dass die Bundespolizei auch für die Abschiebung geduldeter Personen zuständig sein soll, wenn sie diese Personen zufällig an einem Bahnhof oder in einem Zug kontrolliert. Das soll zwar jetzt in Abstimmung mit der Ausländerbehörde geschehen; aber wenn die nicht erreichbar ist, zum Beispiel am Wochenende, dann können die Betroffenen sofort fest- bzw. in Abschiebehaft genommen werden. Geduldete Menschen werden damit praktisch zum Freiwild.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir leben in einem Rechtsstaat!)

Selbst die Gewerkschaft der Polizei hat in unserer Anhörung diese Pläne als – ich zitiere – „völlig abwegig“ und sogar verfassungswidrig kritisiert.

(Beifall bei der LINKEN – Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Das basiert doch auf der Grundlage von Gesetzen! Was erzählen Sie denn hier?)

Denn sie haben mit dem verfassungsmäßigen Kernauftrag der Bundespolizei, der Grenzsicherung, nichts mehr zu tun. Und was nicht weniger schlimm ist: Sie laufen auf massive Willkür gegenüber den geduldeten Personen hinaus.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Warum denn das? Das ist doch eine Unterstellung!)

Ich will hier daran erinnern: Das sind immerhin Menschen, die legal hier sind und damit das Recht haben, rechtsstaatlich behandelt zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Was man im Gesetzentwurf hingegen vergeblich sucht, –

– ist eine Streichung der Regelung des willkürlichen Racial Profilings. Das wäre in der Tat ein Problem, über das man hier hätte diskutieren müssen.

Ja, ich komme auch gleich zum Ende.

Das Problem rassistischer Polizeikontrollen muss endlich auf die Tagesordnung.

(Beifall bei der LINKEN)