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Überleitung des Fahrens mit 17 in dauerhaftes Recht

Rede von Thomas Lutze,

Thomas Lutze (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch als Verkehrspolitiker fällt es mir vor dem Hintergrund dessen, was heute in Stuttgart passiert ist, sehr schwer, zur Tagesordnung überzugehen. Ich denke, da sind Sachen passiert, da sollte auch dieses Hohe Haus sich den Luxus gönnen, an der Aufklärung und an der Aufarbeitung mitzuarbeiten, und für die morgige Tagesordnung die entsprechenden Konsequenzen ziehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Als es heute Morgen am Beginn der Tagesordnung um die deutsche Einheit ging, ist ein wichtiger Ruf zitiert worden: Keine Gewalt! Ich glaube, was heute in Stuttgart passiert ist, wird dem nicht gerecht.


Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum eigentlichen Tagesordnungspunkt. Es dürfte über Fraktionsgrenzen hinweg Einigkeit darüber bestehen, dass der Modellversuch „Begleitetes Fahren ab 17“ erfolgreich gewesen ist und noch erfolgreich ist. Die Evaluierung belegt diesen Erfolg eindrucksvoll. Die Verringerung der Zahl der Unfälle um 22 Prozent und die Verringerung der Zahl der Verkehrsverstöße um 20 Prozent sollten an dieser Stelle als Beispiele ausreichen.


Dieser empirisch belegte Gewinn an Verkehrssicherheit macht die Überleitung des Modellversuchs in dauerhaftes Recht zu einem Gebot der Vernunft. Auch die Akzeptanz in der Zielgruppe der Führerscheininteressentinnen und -interessenten unter 19 Jahren spricht dafür. Mit knapp 300 000 Menschen in 2009 hat mehr als die Hälfte der genannten Gruppe die Möglichkeit des begleiteten Fahrens ab 17 genutzt.


Für einen Modellversuch sind das sehr gute Zahlen. In der dauerhaften Praxis sollten wir allerdings eine noch höhere Teilnahmequote erreichen. Viele Fahranfängerinnen und Fahranfänger haben nämlich Schwierigkeiten, eine Begleitperson zu finden. Ich freue mich auf kreative Ideen der Bundesregierung und des Verkehrsministers, um das begleitete Fahren ab 17 für erwachsene Begleitpersonen attraktiver zu machen.
Das begleitete Fahren ab 17 kann bei aller Zustimmung zum Gesetzentwurf aber nur ein Baustein einer umfassenden Mobilitätserziehung sein.

Auch gerade den Führerscheinneulingen sollten Alternativen zum Auto ans Herz gelegt werden. Jede Fahrt, die mit Bus oder Bahn erledigt wird, ist im statistischen Mittel bis zu vierzigmal sicherer als eine Autofahrt. Ein Discobus etwa, der eine Heimreise auch nachts unabhängig vom kostenintensiven Taxi oder vom eigenen PKW ermöglicht, reduziert von vornherein die Wahrscheinlichkeit einer Risikofahrt, die eventuell übermüdet oder sogar unter Alkoholeinfluss angetreten wird. Allerdings braucht es hier erst einmal entsprechende Angebote. Wenig Verständnis habe ich da zum Beispiel für Aussagen der Ministerin Aigner. Sie wird in der Presse mit der Aussage zitiert, das begleitete Fahren bringe Jugendlichen auf dem Land mehr Unabhängigkeit. So unstrittig der Lerneffekt beim begleiteten Fahren sein dürfte, so klar muss doch ebenso sein, dass sich das Mehr an unabhängiger Mobilität sehr in Grenzen halten wird. Welcher Elternteil wird mit seinem Sohn oder seiner Tochter zur Disco fahren und dort fünf Stunden warten? Das Gleiche gilt für Fahrten zur Schule, zum Ausbildungsplatz oder ins Schwimmbad. Das begleitete Fahren soll einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten; das ist richtig. Es darf aber nicht als Argument für das Streichen oder den Nichtausbau von Nahverkehrsleistungen herhalten.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))


Genau auf diese Leistungen der Gesellschaft sind gerade junge Menschen angewiesen.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie attraktiv es für eine finanziell gebeutelte Kommune ist, mit jedem Jahrgang, der seinen Führerschein ein Jahr früher macht, beispielsweise bei den Schulbussen zu sparen. Auch vor diesem Hintergrund sind die Pläne der Regierung zur Reduzierung des Einstiegsalters beim Mopedführerschein kritisch zu sehen.


Der vorliegende Gesetzentwurf findet dennoch unsere Zustimmung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)