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Thomas Lutze: Kein großer Wurf beim Bürokratieabbau

Rede von Thomas Lutze,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie wollen, wie gerade dargestellt, die Bürokratie vereinfachen. Aber der große Wurf ist Ihnen dabei nicht gelungen. Sie bleiben deutlich hinter Ihren eigenen Zielen zurück. Ich verweise da nur einmal ganz vorsichtig auf ein Papier der Bundesregierung aus dem Jahr 2014. Das nennt sich „Eckpunkte zur weiteren Entlastung der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie“. Okay, kurz vor der Bundestagswahl war von dieser Bundesregierung allerdings auch nicht zu erwarten, dass wir hier eine große Gesetzesinitiative bekommen. Und das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, schlecht für unser Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Einige der Entlastungen, zum Beispiel die Erhöhung des Schwellenwertes für Kleinbetragsrechnungen von 150 auf 200 Euro, stellen höchstens einen Inflationsausgleich dar. Sie werden in kürzester Zeit, also nach wenigen Jahren, wieder aufgefressen sein. Das Gleiche gilt für die Erhöhung der Grenze für die quartalsweise Abgabe der Lohnsteueranmeldung von 4 000 auf 5 000 Euro. Bei der Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge verringern Sie nicht die Belastungen für die Betriebe. Ganz im Gegenteil: Sie muten ihnen nun ein neues Berechnungsverfahren zu. Der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks jedenfalls sieht hierin keine Entlastung für die Unternehmen, sondern im Gegenteil eine Belastung.

Bei vielen Ihrer weiteren Vorschläge kann man sich nur die Augen reiben. So ist es verwunderlich, dass Sie erst jetzt darauf kommen, dass alle Informationen zu Leistungen der Verwaltungen des Bundes künftig in standardisierter Form erfasst und bereitgestellt werden sollen. Das hätte eine Selbstverständlichkeit seit der Einführung des E-Government-Gesetzes sein müssen. Und wenn Sie schon das E-Government-Gesetz anfassen, dann hätten wir uns auch gleich eine Festlegung auf passende Open-Source-Lösungen gewünscht. Auch das ist nicht erfolgt. Das Gleiche gilt für die Neuaufnahme von Informationen wie E-Mail-Adresse oder Internetadresse in die Handwerksrollen. Das war überfällig und hat wenig bis überhaupt nichts damit zu tun, dass es heute um Bürokratieabbau geht.

Ich könnte jetzt noch weitere Punkte ansprechen, möchte aber auch eine etwas grundsätzlichere Kritik am Gesetzentwurf an Sie richten. Sicherlich erreichen Sie mit dem vorliegenden Entwurf kleinere Verbesserungen. Allerdings sieht die Linksfraktion noch viel größere Einsparpotenziale an ganz anderen Stellen, zum Beispiel beim Arbeitslosengeld II. Mit den Nachweis-, Dokumentations- und Sanktionspflichten betreiben Sie auf der einen Seite ein wahres Bürokratiemonster und gängeln auf der anderen Seite die Leistungsempfänger. Wenn Sie Bürokratie abbauen wollen, dann hier.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aus diesem Einsparpotenzial könnten Sie die Erhöhung des Regelsatzes auf ein menschenwürdiges Niveau zumindest mitfinanzieren. Oder beim Elterngeld, beim Kindergeld, beim BAföG: Überall würden sich die Menschen über weniger Papierkrieg freuen.

(Beifall bei der LINKEN)

Oder gehen Sie einmal eine große Steuerreform an, die mehr Steuergerechtigkeit herstellt, aber auch die jährliche Papierschlacht bei der Einkommensteuererklärung für die einfachen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spürbar eindämmt.

(Margaret Horb [CDU/CSU]: Haben wir schon gemacht!)

Wo liegt bei diesen Beispielen der Unterschied zu den Entlastungen, die Sie vorschlagen? Die Einsparungen, die Sie im vorliegenden Entwurf mit dreistelligen Millionenbeträgen beziffern, gehen nicht zwingend in neue Investitionen. Nein, sie führen im Zweifelsfall erst einmal zu höheren Gewinnen bei den Unternehmen. Aber jeden Euro, den ein Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen oder ein Empfänger von Sozialleistungen mehr zur Verfügung hat, wird er unmittelbar in den Konsum investieren, und das hat einen positiven Effekt auf die Binnennachfrage. Das gilt es zu unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Letztes Stichwort: Existenzgründer. Ich möchte bezweifeln, dass das größte Hindernis für junge Existenzgründer die Angst vor der ausufernden Bürokratie ist. Es ist vielmehr die Angst vor dem Existenzverlust bei einem möglichen Scheitern der Existenzgründung. Hier leistet ein starker Sozialstaat aus Sicht der Linken einen ebenso wichtigen Beitrag für ein gutes Klima für Existenzgründer wie eine effektive und straffe Bürokratie.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns auf die Beratungen in den Ausschüssen. Aber wir freuen uns viel mehr darauf, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit in der nächsten Wahlperiode über ein Bürokratieentlastungsgesetz III diskutieren, in dem dann auch die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Empfänger von Sozialhilfeleistungen stärker berücksichtigt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)