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Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) wird erweitert

Rede von Halina Wawzyniak,

Rede zu Protokoll

Beraten werden erstens der Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art und zweitens der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und zur Umsetzung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art (Transformationsgesetz).

Bei ersterem handelt sich um ein Vertragsgesetz nach Art. 59 Absatz 2 GG, mit dem die Ratifikation des im Titel benannten Zusatzprotokolls erfolgen soll. Das Zusatzprotokoll wurde bereits am 28.01.2003 von Deutschland gezeichnet. Die Ratifikation des Übereinkommens selbst ist bereits am 09.03.2009 erfolgt, daher kann nun das Zusatzprotokoll ratifiziert werden. Das Protokoll wurde ausweislich der Angaben beim Europarat von mehr als 5 Staaten ratifiziert, so dass es grundsätzlich, Art. 10 des Zusatzprotokolls, in Kraft getreten ist; für Deutschland, das bisher noch nicht ratifiziert hat, tritt es natürlich erst mit Ratifikation in Kraft.

Im Zusatzprotokoll selbst geht es um besondere Regelungen im Kampf gegen fremdenfeindliche und rassistische Handlungen und Propaganda, die durch das Fortschreiten und die Möglichkeiten der Computertechnik begünstigt werden. Das Zusatzprotokoll hebt die besonderen Bedeutung der Meinungsfreiheit und die positiven Effekte der Nutzung von Computersystemen dafür hervor. Als Kehrseite wird jedoch die Vereinfachung der rassistischen und fremdenfeindlichen Propaganda dadurch erkannt. Diese sei eine Verletzung der Menschenrechte vor dem Hintergrund, dass alle Menschen frei und an Würde und Rechten gleich geboren sind, und eine Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat. Ausgehend davon, dass derartige Handlungen in den Vertragsstaaten überwiegend kriminalisiert sind, strebt das Protokoll eine Harmonisierung an, die im Gleichgewicht zwischen Meinungsäußerung und wirksamer Bekämpfung derartiger Handlungen stehen muss, ohne die Grundsätze des innerstaatlichen Rechts auf Meinungsäußerung beeinträchtigen zu wollen. Dazu sieht das Protokoll in den konkreten Bestimmungen einige Öffnungsklauseln vor, die erheblichen Spielraum für die Umsetzung im nationalen Recht lassen.
Grundsätzlich gefordert wird jedoch von den Mitgliedsstaaten, entsprechende Handlungen unter Strafe zu stellen, wenn andere geeignete Mittel nicht zur Verfügung stehen.

Die Öffnungsklauseln sind teilweise so weit gefasst, dass von der angestrebten Harmonisierung wenig übrig bleiben wird; allerdings ist dies aus nationaler Sicht vorteilhaft, da dem deutschen Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum verbleibt, um die angestrebten Ziele zu erreichen.

Auch wenn das Protokoll eine Einschränkung des geschützten Personenkreises nach „Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch die Rasse, die Hautfarbe, die Abstammung, die nationale oder ethnische Herkunft oder die Religion" - letzteres Merkmal nur, soweit es vorgeschoben ist, um Motive der ersten Kriterien zu verdecken - vornimmt und Diskriminierungen nach Geschlecht, sexueller Identität und sozialer Herkunft nicht erfasst, stehen einer Zustimmung zur Ratifikation keine Bedenken entgegen; diese Gruppen können im Transformationsgesetz - vgl. BT-Drs. 17/3124 - über den Wortlaut des Protokolls hinaus freiwillig erfasst werden.

Beim zweiten Gesetzentwurf handelt es sich um das oben bereits Transformationsgesetz. Die Vorgaben des Protokolls werden im Rahmen des § 130 Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen.

Der Strafrahmen selbst wird nicht geändert. Abs. 1 (Störung des öffentlichen Friedens) wird konkretisiert im Hinblick auf die Merkmale des Protokolls (nationale, rassische, religiöse, ethnische Herkunft, erfasst nun auch derartige Handlungen gegen Einzelne, aber nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen. Abs. 2 Nr. 1 (Verbreitung von Schriften mit diesem Inhalt) wird nur leicht konkretisiert, da dieser Absatz bereits entsprechende Merkmale vorgesehen hat.

Die Umsetzung des Zusatzprotokolls hat begrüßenswerterweise nicht zu gesetzgeberischem Aktionismus geführt; vielmehr wird nur geändert, was zwingenden Vorgaben des Protokolls entspricht. Im Übrigen wird deutlich ausgeführt, in welchen Bereichen im deutschen Recht bereits der Schutz gewährleistet ist. Im Kern einzige Änderung des materiellen Strafrechts ist die Aufnahme des Schutzes von Einzelpersonen in § 130 StGB, der vom Zusatzprotokoll zwingend vorgeben ist; jedoch nur im Hinblick auf dessen/deren Zugehörigkeit zu einer Gruppe, was letztlich bereits Rechtsprechung ist.
Bedauerlicherweise übernimmt der Gesetzentwurf nicht die Einschränkungen des Protokolls im Hinblick auf die Religion; lt. Protokoll soll dies nur dann erforderlich sein, wenn die Religion lediglich vorgeschobenes Kriterium ist, um gegen Personen oder Gruppen aufgrund ihrer Herkunft zu hetzen. Die Neuformulierung erfasst Religion als eigenständiges Merkmal.

Darüber hinaus wäre es begrüßenswert gewesen, die Diskriminierungskriterien, die letztlich im deutschen Recht "nur" klarstellende Funktion haben, um Merkmale wie Geschlecht, sexuelle Identität und soziale Herkunft zu ergänzen. Nach weiter geltender Rechtslage ("Teile der Bevölkerung") werden diese zwar erfasst, wenn man sich jedoch um Klarstellung bemüht, sollte diese umfassend sein. Es könnte sonst der Eindruck entstehen, dass die Hetze gegen Gruppen der Bevölkerung, die z.B. durch die sexuelle Identität gekennzeichnet sind, weniger gravierend ist in den Augen des Gesetzgebers.