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Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2008

Rede von Kersten Steinke,

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Verehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes! Meine Damen und Herren!

Als Erstes möchte ich korrigieren, dass ich als Ausschussvorsitzende und nicht als Vertreterin der Linken spreche. Ich möchte direkt anschließend meine Verärgerung über das mangelnde Interesse für diesen Tagesordnungspunkt zum Ausdruck bringen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin doch da!) - Schön, dass Sie da sind, Herr Wieland. Ich freue mich, dass Sie da sind. Bei aller Wichtigkeit des Bundeswahlgesetzes bin ich davon überzeugt, dass die Arbeit des Petitionsausschusses Respekt und mehr Beachtung verdient hat und nicht weniger bedeutend ist. - Dies nur einleitend.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Vorstellung des Jahresberichts möchte ich mit zwei Fragen beginnen: Was versteht man bei der Arbeit des Petitionsausschusses unter einem guten Jahr? War 2008 ein gutes Jahr? - Im eigentlichen Sinne war es das nicht. Denn die Anzahl der Zuschriften, die uns erreichten, ist im Vergleich zum Vorjahr wieder angestiegen. Dies ist ein Indiz dafür, dass es immer noch zu viele Probleme gibt, für die der Petitionsausschuss oft der letzte Rettungsanker ist. Somit gehört der Petitionsausschuss zu den wenigen, die sich nicht über steigende, sondern über eher sinkende Zahlen freuen würden. Damit bin ich auch schon bei den Zahlen aus dem Jahr 2008. Insgesamt gingen 2008 18 096 Eingaben beim Petitionsausschuss ein; das waren etwa 72 Zuschriften pro Arbeitstag.

Trotz der hohen Anzahl von Petitionen gibt es einen Grund zur Freude: Im vergangenen Jahr wurde das Provisorium der öffentlichen Petition in den Regelbetrieb übernommen. Ziel der öffentlichen Petition ist es, ausgewählte Themen, die von den Petenten vorgegeben werden und die von allgemeinem Interesse sind, im Internet auf der Seite des Petitionsausschusses vorzustellen und zur Diskussion anzubieten. Diese öffentlichen Petitionen erfuhren bereits in der Probephase einen stetig wachsenden Zuspruch seitens der Internetnutzer. So wurden in dem dreijährigen Modellversuch von 2006 bis 2008 667 Petitionen im Netz mitgezeichnet und diskutiert. Nach einer zwischenzeitlichen intensiven Vorarbeit sowohl des Ausschussdienstes als auch der Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus, die für das Internet und den IT-Bereich zuständig sind, konnte im Oktober 2008 der Startschuss für den regulären Betrieb der Onlinepetition gegeben werden. Aufgrund der publikumswirksamen Vorbereitungen und positiver medialer Begleitung stieg die Zahl der Diskussionsbeiträge von etwa 900 pro Monat auf 2 500 am Ende des Jahres 2008. Im November 2008 wurde die Arbeit des Petitionsausschusses mit dem „Politik-Award“ gewürdigt. Das war eine große Auszeichnung für uns, auf die wir auch stolz sind.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Doch nicht nur die Anzahl der öffentlichen Petitionen, sondern auch die Anzahl der Zugriffe auf die Internetseiten des Petitionsausschusses mit derzeit fast 800 000 pro Jahr ist ein beeindruckender Beweis des steigenden Interesses der Bürgerinnen und Bürger. Hier ein Beispiel von vielen: So verzeichnete eine Petition, bei der die Reduzierung der Besteuerung von Diesel und Benzin gefordert wurde, über 128 000 Mitzeichnungen bei insgesamt 1 130 Diskussionsbeiträgen.

Kommen wir zu einem anderen Thema, den Sammel- und Massenpetitionen. Bei den Sammel- und Massenpetitionen gab es auch im Berichtszeitraum wieder Themen, die einige Tausend Unterstützer fanden. So gingen bei den Massenpetitionen bezüglich der Forderung nach Änderung des Luftsicherheitsgesetzes allein 22 339 Zuschriften ein. Bei den Sammelpetitionen führte eine Petition zur vorgesehenen Änderung des Steuerberatergesetzes mit über 37 000 Unterschriften die Liste an. Größtes übergreifendes Thema bei den Massen- und Sammelpetitionen war jedoch 2008 die Rentenproblematik. Allein 7 930 Massenpetitionen und zusätzlich an die 30 000 Unterschriften zur Rentenerhöhung bzw. -anpassung Ost/West, zur Altersarmut und zum Renteneintrittsalter wurden eingereicht.

Ausgewählte Themen, denen nicht nur bezüglich der Anzahl der Mitzeichner ein großes Interesse zuteil wird, sondern die auch in den Medien einen hohen Stellenwert finden, werden vom Ausschuss in öffentlichen Beratungen behandelt. Dazu werden die Petenten nicht nur eingeladen, sondern sie erhalten auch Rederecht, um ihre jeweiligen Positionen darzustellen. Außerdem können sie sich an der Diskussion beteiligen. So wurden zum Beispiel Themen aus dem Verkehrswesen, aus der Gesundheitspolitik, der Umweltpolitik, dem Wirtschafts- und Steuerrecht sowie über die Situation der Heimkinder in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1975 behandelt. Bei diesem letzten Thema war das Interesse der Öffentlichkeit besonders groß, sodass als Ergebnis ein runder Tisch ins Leben gerufen wurde, der unter Leitung der früheren Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Dr. Antje Vollmer, diese Zeit aufarbeiten wird.

Die eigentliche Erfolgszahl für den Ausschuss ist jedoch die Zahl der Petitionen, bei denen den Bürgerinnen und Bürgern wirklich geholfen werden konnte. Circa 38 Prozent aller Eingaben konnten mit einem positiven Ergebnis für die Petenten abgeschlossen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Welche Bereiche waren es im Jahr 2008, zu denen die meisten Zuschriften eingingen? Hier steht nach wie vor beharrlich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit insgesamt 4 096 Eingaben auf Platz eins. Das sind 22,6 Prozent aller Eingaben. Ganz vorn standen die Petitionen zur Sozialversicherung sowie zur Höhe der Leistungen. Auch die Frage der Angleichung der Renten in den neuen und alten Bundesländern spiegelte sich in vielen Zuschriften wider. Das Thema Rente ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Allein 1 940 Petitionen bezogen sich darauf. Das war sogar eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr.

Den größten Zuwachs mit 2 462 Eingaben verzeichnete jedoch das Finanzministerium, welches damit auf die zweite Stelle vorgerückt ist. Ein Schwerpunktthema war die Einkommensteuer mit sehr vielen Eingaben zur Entfernungspauschale. Kritik gab es an der Erhöhung der Mehrwertsteuer, und es wurde die Reduzierung der Mineralölsteuer gefordert.

Das Justizministerium nahm mit 12 Prozent der Eingaben die dritte Stelle ein, wobei es - wie in den vergangenen Jahren - in einem hohen Maße um Beschwerden über Gerichte und Staatsanwaltschaften ging. Hier sind dem Petitionsausschuss jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen die Hände gebunden, da Art. 97 des Grundgesetzes die richterliche Unabhängigkeit gewährt. Sehr stark stiegen auch die Eingaben im Bereich des Innenministeriums von 1 278 im Vorjahr auf 1 811 in 2008. Schwerpunkte waren das öffentliche Dienstrecht sowie die im Berichtszeitraum erfolgte Verabschiedung der Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechtes. Einige Petenten wandten sich auch gegen die Erfassung biometrischer Daten für Reisepässe und Personalausweise. Weitere Themen waren das Waffenrecht sowie das Ausländer- und Asylrecht.

Einen Zuwachs verzeichnete auch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit 1 570 Eingaben im Vergleich zu 1 070 im Vorjahr. Dabei spannte sich der Bogen von der Forderung nach ausreichenden Parkplätzen für Lkws an Autobahnen über die Einführung einer Pkw-Maut für Autobahnen und Bundesstraßen, einer Helmpflicht für Fahrradfahrer bis hin zu einem barrierefreien Zugang zu Bahnsteigen. Ein immer wiederkehrendes Thema ist der Lärmschutz, was sowohl die Straßen und die Schienen als auch den Luftverkehr betrifft. In diesem Zusammenhang führte der Ausschuss im Berichtszeitraum zwei Ortsbesichtigungen durch.

Interessant ist auch die Frage nach dem Anteil der Zuschriften aus den einzelnen Bundesländern. Relativiert man auf 1 Million Einwohner, um einen realistischen Vergleich zu gestatten, dann liegen alle fünf neuen Bundesländer an der Spitze, gefolgt von Hessen und Niedersachsen. Baden-Württemberg bildet hier das Schlusslicht. Berlin ist mit 450 Eingaben je 1 Million Einwohner am eingabefreudigsten.

Bei vielen Eingaben wird immer wieder deutlich, welche Verzweiflung oft hinter den Hilferufen an den Petitionsausschuss steht, welche persönlichen, familiären und finanziellen Situationen die Betroffenen dazu veranlassen, ihr ganzes Vertrauen in diesen - unseren - Ausschuss zu investieren. Um für den Petenten die bestmögliche Lösung zu finden - das darf ich hier mit Bestimmtheit von allen sagen -, knien sich die Mitgliederdes Ausschusses bei vielen Fällen regelrecht hinein. Dafür meinen herzlichen Dank.

Es gab aber auch immer wieder Fälle, bei denen bereits bestehende Gesetze aufgrund von Petitionen überarbeitet werden mussten, da mögliche Härtefälle im Vorfeld nicht bedacht wurden. Leider kann ich auch nicht verschweigen, dass es uns traurig stimmt, wenn wir feststellen müssen, dass uns öfters die Hände gebunden sind. Manchmal gelingt der große Durchbruch, und manchmal muss man einsehen, dass die ersehnte Hilfe nicht versprochen werden kann oder nur kleine Erfolge möglich sind.

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch etwas zum Selbstbewusstsein des Petitionsausschusses sagen. Die Art. 17 und 45 c des Grundgesetzes sind nicht irgendwelche Artikel, sondern bilden die Rechtsgrundlage unserer Arbeit. Das ist der Auftrag. Um diesen erfüllen zu können, benötigen wir die uneingeschränkte Kooperation der von uns angerufenen Stellen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir sehr hartnäckig sind, wenn es um die Petentinnen und Petenten geht, die sich voller Vertrauen an uns wenden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Nicht vergessen möchte ich, einen besonderen Dank an die Mitarbeiter und Sachbearbeiter des Petitionsausschussdienstes zu richten. Nur durch ihren unermüdlichen Einsatz und eine stets kollegiale Zusammenarbeit mit den Ausschussmitgliedern konnte die große Zahl der Anfragen, Bitten und Beschwerden bearbeitet werden, und dies bei gleichbleibender bzw. zeitweilig verminderter Arbeitskapazität. Herzlichen Dank!

(Beifall im ganzen Hause)

Als Vorsitzende möchte ich mich aber auch bei meinen Ausschusskolleginnen und -kollegen aus allen Fraktionen bedanken. Die vergangenen dreieinhalb Jahre waren für mich lehrreich, spannend und in jeder Hinsicht reich an Erfahrungen. Ich wünsche dem neuen Petitionsausschuss weiterhin eine bürgernahe, konstruktive und sachliche Zusammenarbeit im Sinne der Petentinnen und Petenten. Dem neuen Ausschuss möchte ich folgenden Spruch von Indira Gandhi mit auf den Weg geben - ich zitiere -: Mein Großvater sagte mir einst, dass es zwei Sorten von Menschen gäbe. Die, die arbeiten, und die, die sich die Lorbeeren für diese Arbeit einheimsen. Er sagte mir, ich solle versuchen, in der ersten Gruppe zu sein; es gäbe dort viel weniger Konkurrenz. Herzlichen Dank und alles Gute!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])