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Susanne Ferschl: Gute Arbeit ist die Grundlage für einen guten Sozialstaat

Rede von Susanne Ferschl,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Arbeit in diesem Land ist vielfach unterbezahlt, prekär und sozial unzureichend abgesichert. Ich habe als Betriebsrätin und Gewerkschafterin viele Jahre im Betrieb für gute Arbeit gekämpft. Ich habe dann für den Bundestag kandidiert, weil hier die Rahmenbedingungen für gute Arbeit gesetzt werden können. Gute Arbeit ist im Übrigen auch die Grundlage für unseren Sozialstaat, für gut ausgestattete Sozialversicherungssysteme und entsprechende Steuereinnahmen.

(Beifall bei der LINKEN)

So vieles wäre in diesen vier Jahren möglich gewesen, aber die Große Koalition war dazu nicht bereit. Das ist mehr als enttäuschend.

(Beifall bei der LINKEN)

Das erste Beispiel dafür ist die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. Die Linksfraktion hat dies schon immer gefordert. Am Ende der letzten Legislaturperiode hat keine einzige Fraktion in diesem Haus unserem Antrag zugestimmt. Heute haben Sie wieder die Chance, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Die Chance, nicht zuzustimmen!)

Die SPD hat es dann zum Wahlkampfthema gemacht, und gerade mal eine wachsweiche Formulierung hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Aber nicht mal dieser Minikompromiss wurde umgesetzt – ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist wohl wahr!)

Nach wie vor sind vier von zehn Neueinstellungen befristet, und damit nehmen Sie den Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, ihre Zukunft sicher zu planen und zu gestalten. Das werden wir als Linke nie akzeptieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiteres Beispiel sind die Minijobs. 500 000 Minijobbende haben durch Corona ihre Arbeit verloren und stehen jetzt ohne soziale Absicherung da. Die Große Koalition hat nichts getan, um wieder mehr Arbeit sozialversicherungspflichtig zu machen. Im Gegenteil: Sie hat auch noch die Möglichkeit der kurzfristigen sozialversicherungsfreien Beschäftigung ausgeweitet, mit dem Ergebnis, dass Beschäftigte ohne Krankenversicherung auf deutschen Feldern arbeiten, und das mitten in einer Pandemie. Das ist wirklich absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Minijobs, Befristungen und Leiharbeit – die ganzen prekären Beschäftigungsformen sind neben der fehlenden Tarifbindung die Ursache für den riesigen Niedriglohnsektor in Deutschland. 80 Prozent der Minijobbenden arbeiten im Niedriglohnsektor. Ein Leiharbeiter verdient im Durchschnitt 1 418 Euro weniger als seine festangestellten Kolleginnen und Kollegen. Insgesamt arbeitet jeder und jede Fünfte im Niedriglohnbereich. Das alles ist völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Wo sind die gesetzlichen Regelungen geblieben, um das zu verhindern? Stärkung von Tarifverträgen: Fehlanzeige! Ein armutsfester Mindestlohn: bis auf vollmundige Versprechungen von Minister Heil und Minister Scholz Fehlanzeige! Die Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs, damit jede Minute Arbeitszeit erfasst wird und auch der Mindestlohn besser kontrolliert werden kann: Fehlanzeige! Die Nahezu-Abschaffung von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie haben Sie mit Hängen und Würgen gerade so hinbekommen; aber ansonsten hat die Bundesregierung nichts unternommen, um prekäre Beschäftigungen einzudämmen und damit die Situation der abhängig Beschäftigten zu verbessern.

Uns wird ja immer vorgeworfen, wir hätten unrealistische Forderungen. Aber stellen wir uns einmal vor, unsere Anträge – viele davon stehen heute auf der Tagesordnung – würden Gesetz werden: Wie würde die Arbeitswelt dann aussehen?

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Viel besser!)

Beschäftigte wären bei dem Unternehmen angestellt, bei dem sie auch tatsächlich arbeiten.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)

Für dieselbe Tätigkeit würde derselbe Lohn gezahlt. Sachgrundlose Befristung würde es nicht mehr geben. Die Kolleginnen und Kollegen könnten ihr Berufsleben planen, ohne immer Angst um den nächsten Job zu haben. Wer jeden Tag zur Arbeit geht, würde von dieser Arbeit auch leben können, egal ob im Erwerbsleben oder im Alter, und alle wären sozial abgesichert.

(Beifall bei der LINKEN)

Arbeitszeiten wären geregelt, und jede Minute würde auch erfasst. Es gäbe starke Gewerkschaften, die flächendeckend faire Tarifverträge verhandeln würden, und in der Mehrheit der Betriebe gäbe es Betriebsräte, die auch für mehr Demokratie im Betrieb sorgen würden.

Diese ganzen Forderungen sind weder utopisch; sie sind nicht mal sozialistisch. Sie sind nichts anderes als das Versprechen, das Sie den Menschen auch mal gegeben haben, nämlich dass jemand, der sich jeden Tag abrackert, auch ein gutes Aus- und ein gutes Einkommen hat: gute Arbeit für alle, gut bezahlt, sicher und sozial abgesichert.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird höchste Zeit, dass dieses Versprechen wieder gilt. Es liegt allein am politischen Willen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eines hat die fast abgelaufene Legislaturperiode bewiesen: Mit der Union ist das alles nicht umsetzbar. Notwendig sind andere Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag. Aber auch SPD und Grüne brauchen den Druck von links; denn nur Die Linke steht ohne Wenn und Aber an der Seite der Beschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur dann werden auch die Interessen der Mehrheit in diesem Land vertreten. Kurt Tucholsky hatte ja recht: Denn Deutschland besteht – Millionäre sind selten; auch wenn es mehr werden – aus Arbeitern und Angestellten! – Die Linke jedenfalls wird nicht ruhen, ehe es nicht flächendeckend gute Arbeit in diesem Land gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)