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Foto: Rico Prauss

Susanna Karawanskij: Soziale Schere Ost-West durch gerechte Umverteilung schließen

Rede von Susanna Karawanskij,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste! Demografie ist so eine Sache. Sie ist nichts Abstraktes, man kann sich ihr nicht entziehen. Sie geht uns alle an; denn sie umfasst im Prinzip unser Zusammenleben. Im Prinzip ist es eine Bevölkerungsentwicklung, die uns alle trifft. Wie gesagt, man kann sich ihr nicht entziehen.

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, Sie schreiben allerhand zusammen in Ihrem Bericht. Sie loben sich vor allen Dingen selbst, und auf Seite 20 beginnt ein leider sehr kleines und kurzes Kapitel, aber es ist nicht unerheblich. Es heißt: „Gleichwertige regionale Lebensverhältnisse“. Da bringen Sie es erstaunlicherweise kritisch auf den Punkt. Dort heißt es sinngemäß: Innerhalb Deutschlands bestehen erhebliche Ungleichheiten auf drei Gebieten: bei den Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten, bei der Sicherung der Mobilität und beim Zugang zu den Angeboten der Daseinsvorsorge. Strukturschwächere Regionen verlieren jüngere und vor allen Dingen auch gebildete junge Menschen.

Aber Sie verlieren kein einziges Wort darüber, auf welche Regionen das in unserer Bundesrepublik vor allen Dingen zutrifft, nämlich auf den Osten.

Es ist völlig unumstritten, dass es auch im Westen Regionen gibt, die schwächer, die strukturschwach und abgehängt sind. Wenn man sich aber die Deutschlandkarte mit Blick auf die Strukturdaten anschaut, egal ob es um Arbeit, um Arbeitslosigkeit oder zum Beispiel die Höhe des Privatvermögens oder der Armut geht, dann sehe ich immer noch die alte Karte der DDR. Ehrlich gesagt, wir haben immer noch eine gespaltene Bundesrepublik, die vor allen Dingen sozial gespalten ist. Deswegen setzen wir uns als Linke nach wie vor dafür ein, dass es eine bundesweite Offensive gibt zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West.

(Beifall bei der LINKEN)

Fakt ist, dass es in über einem Vierteljahrhundert nach der deutschen Einheit immer noch nicht gelungen ist, diese gleichwertigen Lebensverhältnisse zu etablieren. Die Arbeitslosenquote ist immer noch wesentlich höher. Die Ostlöhne liegen bei 79 Prozent des Westniveaus, und der Anteil der prekär Beschäftigten ist im Osten immer noch höher – trotz Arbeit.

Wenn ich mir das Rentenrecht anschaue, dann wird das Problem Altersarmut eigentlich in meine Generation weitertransportiert. Wir brauchen weiterhin eine Umrechnung der Ostlöhne, bis die Entgelte und Löhne der Generation derjenigen, die jetzt arbeiten, also meine Generation, die damit wirklich gar nichts mehr am Hut hat, gleich bzw. annähernd gleich auf Westniveau sind.

Ich erwarte von einer Demografiebilanz ehrlich gesagt mehr als nur eine Analyse der Bundesregierung. Dies sage ich auch vor dem Hintergrund, dass ich aus einem Wahlkreis in Nordsachsen komme. Dieser ist vor allem ländlich geprägt. Hier gibt es große strukturelle Unterschiede zu der Stadt. Leipzig liegt in der Nähe. Nordsachsen hat vor allem ländliche Strukturen. Ich erwarte vor allem, dass Sie es uns erklären und Vorschläge unterbreiten, wie wir das denn lösen sollen. Ich möchte wissen und erklärt bekommen, was getan wird. Es geht nicht nur um die Analyse, sondern darum, was Sie zu tun gedenken. Es geht auch um die Frage, ob sich die Menschen darauf einrichten sollen, dass nichts getan wird, oder ob jetzt tatsächlich Hoffnung geschöpft werden kann und eine neue Situation eintritt.

Sie verlieren leider auch kein Wort darüber, wie Sie zum Beispiel in der Frage der Pflege weiter vorzugehen gedenken bzw. ob Sie Vorschläge unterbreiten werden. Es ist doch krass, dass ein Viertel der Pflegebedürftigen im Osten lebt. Das hat auch Auswirkungen darauf, dass eine Pflegefachkraft im Osten weniger verdient als im Westen. Das wird doch weitertransportiert. Ich muss als Bundesregierung nicht die große Mathematik bemühen, sondern nur eins und eins zusammenzählen, um zu erkennen, dass wir nicht nur jetzt, sondern stärker noch in 10 oder 20 Jahren vor Problemen stehen, deren Lösung wir schon jetzt anpacken könnten. Ihr Ausblick füllt nur eine halbe Seite. Das ist definitiv zu wenig.

(Beifall bei der LINKEN)

Fakt ist, dass eine weit auseinanderdriftende Schere zwischen Arm und Reich oder eine regional stark ungleiche Verteilung unserer Gesellschaft schaden. Wir werden die Schere nur mit einer sozial gerechten Umverteilung schließen. Gleichwertige Lebensverhältnisse und soziale Gerechtigkeit sind keine Floskeln, und das ist auch kein Selbstzweck, sondern das ist der Kitt unserer Gesellschaft. Wir als Linke werden weiterhin dafür kämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)