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Foto: Rico Prauss

Susanna Karawanskij: Schwarz-Rot blockiert Stärkung unabhängiger Versicherungsberatung

Rede von Susanna Karawanskij,

Sehr geehrter Herr Präsident, ich korrigiere Sie nur ungern, aber auf das „a“ in Susanna bestehe ich wirklich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD ist auf viel Resonanz gestoßen. Diese Resonanz aus der Branche hat sich vor allen Dingen in Stellungnahmen niedergeschlagen. Ich selber habe über 200 Zuschriften bekommen. Das zeigt, wie wichtig diese Richtlinie ist, und vor allen Dingen, wie viel Aufmerksamkeit ihr gebührt.

Deshalb komme ich nicht darum herum, festzustellen, dass die schwarz-rote Bundesregierung zum Abschluss dieser Wahlperiode etwas wiederholt hat, was sie schon am Anfang dieser Wahlperiode gemacht hat: Sie ist wieder einmal vor der Versicherungslobby eingeknickt. In letzter Sekunde gab es durchaus weitreichende Änderungen an dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Versicherungsrichtlinie IDD, die eines zeigen: Der Koalitionsvertrag ist nun de facto bzw. endgültig Makulatur.

(Zuruf von der CDU/CSU: Seit gestern schon!)

In Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass die Honorarberatung bzw. die unabhängige Beratung gestärkt werden soll. Diesem Anspruch sind Sie mit diesem Gesetzentwurf nicht nachgekommen.

Meine Damen und Herren, es gibt eine Diskrepanz, die nicht ohne Weiteres aufzulösen ist, nämlich einen Interessenskonflikt zwischen dem Interesse des Kunden, der vor allen Dingen eine bedarfsgerechte Versicherung haben möchte, und dem Vergütungsinteresse des Vermittlers, der für den Abschluss einer bestimmten Versicherung eine Provision bekommt. Will man diesen Interessenskonflikt tatsächlich entschärfen, muss man die unabhängige Beratung deutlich stärken.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gleiche Augenhöhe zwischen Honorarberatern und Provisionsvermittlern wäre ein erster Schritt zu einer tatsächlich verbraucherfreundlicheren Beratung gewesen. Diesen Schritt machen Sie aber nicht. Er wurde von der Großen Koalition im Gesetzgebungsverfahren immer wieder bewusst unterlaufen. Ein Beispiel dafür ist die von Ihnen aufgeführte Scheinargumentation, dass Honorarversicherungsberater – wir haben es gerade wieder gehört – nicht gestärkt werden können, weil es nur wenige von ihnen gibt. Also setzen Sie nicht auf die unabhängige Beratung, sondern bleiben stattdessen dem Provisionssystem treu. Über kurz oder lang brauchen wir allerdings – mit entsprechenden Übergangsfristen – eine Trennung von Provision und Honorarvergütung.

Ein anderes Beispiel ist, dass Sie das geplante Honorarannahmeverbot für Versicherungsmakler aufgehoben haben. Damit ermöglichen Sie weiterhin Mischmodelle, die für die Verbraucherinnen und Verbraucher weniger Transparenz und vor allen Dingen Unklarheit bedeuten. Da die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erkennen können, nach welchem Vergütungsmodell sie gerade beraten werden, können sie das Vorgehen des Versicherungsmaklers schlicht und ergreifend nicht nachvollziehen. Das ist unerhört. Das wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Folgen von Falsch- und Fehlberatung im Finanz- und Versicherungsbereich in Deutschland bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern Schätzungen zufolge Schäden in Höhe von 30 bis 98 Milliarden Euro verursachen.

In der Kürze der Zeit möchte ich noch auf weitere Kritikpunkte eingehen. Zunächst komme ich zum Stichwort „Provisionsdurchleitungsgebot“. Da bleibt das Prämienkonto für die Versicherten eine Blackbox. Es ist willkürlich und überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Verbraucher nur 80 Prozent der kalkulierten Zuwendungen an Dritte erhalten sollen. Dieser 20-prozentige pauschale Abzug wäre nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zu einem Nettopreissystem.

Weiter nenne ich das Versäumnis, dass das Provisionsabgabeverbot nicht abgeschafft wurde. Auch das wäre ein wichtiger Schritt zur Herstellung von Augenhöhe für die Honorarberatung gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Hinblick auf das Problem der Restschuldversicherung fordern wir Linke, dass diese zeitlich getrennt von der Kreditvergabe – also von dem Abschluss von Kreditverträgen – mit einer umfangreichen Verbraucherinformation bzw. -beratung einhergehen muss,

(Beifall bei der LINKEN)

damit Kopplungsgeschäfte ausgeschlossen werden können.

Gleichzeitig fordern wir, dass sämtliche Vermittler von Restschuldversicherungen, die das im Nebengeschäft tun, einer Zulassungsverpflichtung unterliegen oder zumindest produktbezogene Kenntnisse vorweisen müssen.

An dieser Stelle muss ich zum Schluss noch sagen: Es wurde leider auch versäumt, im Rahmen dieses Schrittes – die CDU/CSU-Fraktion und auch die SPD-Fraktion haben das verpasst – die verbraucherpolitischen Leerstellen im Versicherungsbetrieb zu schließen. Deshalb werden wir das ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)