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Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz (SED-Opferrente)

Rede von Halina Wawzyniak,

Halina Wawzyniak (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte mit dem anfangen, was Frau Steffen angesprochen hat. Ich hätte mir gewünscht, ich habe das auch im Ausschuss gesagt, dass wir mehr Zeit gehabt hätten, die Vorschläge der Sachverständigen nach den zwei Berichterstattergesprächen noch einmal gemeinsam im Detail zu prüfen und sie in den Gesetzentwurf einzuarbeiten. Sie haben einige Sachen aufgenommen, andere Sachen fehlen.

Ich möchte Ihnen heute ein Buch empfehlen, und zwar das Buch Knastmauke von Sibylle Plogstedt. In diesem Buch wird die heutige Lage von ehemaligen Häftlingen in der DDR untersucht, und es werden die Fragen aufgeworfen, warum diejenigen, die die deutsche Einheit erkämpft haben, zu Menschen wurden, denen es heute besonders schlecht geht,

(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Die Frage ist richtig und durchaus berechtigt!)

und inwieweit die schlechtere soziale Situation auf den traumatischen Störungen als Folge der Haft beruht.
Ich glaube, es ist eine grundsätzliche Frage, ob wir die Anerkennung der Zivilcourage und die Anerkennung des Eintretens für Bürgerrechte und Demokratie daran knüpfen, dass eine Freiheitsentziehung stattgefunden haben muss, wie Sie es beim Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz tun.

(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Gegen Ihre Rechtsvorgänger aufstehen! IM Kuschel ist im Landtag in Thüringen!)

Ich glaube, es ist dringend notwendig, dass wir auch für andere Formen der Benachteiligung Regelungen finden, die in Richtung Opferrente gehen. Ich denke beispielsweise an Schülerinnen und Schüler, die kein Abitur machen konnten, weil ihre Eltern in der Kirche waren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, der 20. Jahrestag könnte Anlass sein, diesen Menschen gegenüber ein Symbol zu setzen.

(Marco Buschmann (FDP): Selbstanklage!)

Trotz der Fehler, die dieser Gesetzentwurf aufweist, wird meine Fraktion dem Gesetzentwurf und den Änderungsanträgen zustimmen aus Verantwortung, die wir für die DDR-Geschichte tragen, aber auch, weil 3 000 Anspruchsberechtigte mehr in den Genuss der Opferrente kommen.

(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Sortieren Sie erst einmal Ihre Stasileute aus!)

Es ist ausgesprochen erfreulich, dass in den Änderungsantrag der Koalition die Jugendwerkhöfe aufgenommen wurden. Ich sage es sehr deutlich: Wer sich einmal mit dem geschlossenen Jugendwerkhof in Torgau beschäftigt, für den ist klar: Durch diesen Jugendwerkhof wird jede Relativierung des DDR-Unrechts delegitimiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist erfreulich, dass die Fristenregelung ausgeweitet wird. Dennoch hätten wir uns gewünscht, dass es eine unbefristete Möglichkeit der Antragstellung gibt, weil gerade jüngere Menschen in einem Alter von Mitte 40 bis Anfang 50 sind, wenn die Frist ausläuft, und die Erfahrung zeigt, dass häufig erst bei Rentenantragstellung darauf hingewiesen wird oder die Menschen dann erst in der Lage und bereit sind, einen Antrag nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zu stellen.

Mit unserem eigenen Entschließungsantrag gehen wir ein bisschen über den Gesetzentwurf hinaus. Wir wollen, dass nicht an den 180 Tagen Haft festgehalten wird. Wir haben in der Anhörung der Sachverständigen gehört, dass sehr häufig Menschen nur kurzfristig in Haft genommen und dann durch Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit weiteren Repressalien unterworfen wurden. Wir wollen, dass auch solche Opfer in den Genuss der Opferrente kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir finden das Grundprinzip falsch, dass die Opferrente als soziale Ausgleichsleistung gestaltet ist. Wir finden, für die Zivilcourage und das Engagement für Bürgerrechte und Demokratie muss unabhängig vom Einkommen ein Anspruch auf Opferrente gewährt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir fordern eine höhere Leistung, und wir fordern vor allem, dass die Vermutung, dass die Schäden aus der Haft herrühren, der Regelfall wird und dass nicht die Opfer beweisen müssen, dass die Schäden Folge der Haft sind.

Herr Buschmann, Sie haben gesagt, wir legen etwas vor, was Ihnen nicht gefällt. Hätten wir nichts vorgelegt, dann hätte Ihnen das auch nicht gefallen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mir ist es egal, was Ihnen gefällt, mir ist nur unsere Verantwortung gegenüber den Opfern wichtig.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Marco Buschmann (FDP): Das beruht auf Gegenseitigkeit!)

Ich komme zum Schluss. Wir werden diesen Gesetzentwurf jetzt hier im Bundestag einstimmig verabschieden, wenn die Grünen zustimmen, wovon ich ausgehe. Die anderen haben das ja schon erklärt. Mir ist wichtig, dass wir das Thema damit nicht zu den Akten legen, sondern dass wir weiter über die weitergehenden Forderungen auch der Opferverbände nachdenken und das bei Gelegenheit sehr gerne auch gemeinsam wieder aufgreifen.

(Beifall bei der LINKEN Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Stasi-Unterlagen-Gesetz: Noch dieses Jahr reden wir darüber! Gerne!)