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Störerhaftung abschaffen! - Rede zu Protokoll

Rede von Halina Wawzyniak,

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

ich gebe zu, ich habe kurz überlegt, ob ich hier dieselbe Rede noch einmal halte, die ich vor einem Jahr schon einmal gehalten habe. Damals hatte ich den Gesetzentwurf zur Abschaffung der Störerhaftung bei offenen WLANs begründet, den meine Fraktion zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen einbrachte. Offensichtlich hat bei der damaligen Debatte die Bundesregierung nicht zugehört. Anders kann ich mir zumindest den Gesetzentwurf, den sie hier vorgelegt hat, nicht erklären.

Aber der Reihe nach: Seit einigen Jahren diskutieren wir nun bereits die Auswirkungen eines BGH-Urteils, wonach Betreiber von offenen WLANs für Rechtsverletzungen, die Nutzer dieses WLANs begehen, haftbar gemacht werden können. Mit der Netzkompetenz des BGH ist es nicht allzu weit her, wie wir an einem aktuellen Urteil sehen, wonach sinnlose Netzsperren erlaubt sind. Und so hatte dieses Urteil verheerende Auswirkungen auf die Verbreitung von offenen WLANs in Deutschland. Während es in anderen Ländern kein Problem ist, in Bussen, Bahnen, Cafés, Bibliotheken etc. etc. ein offenes WLAN zu finden, muss man hierzulande schon sehr viel Glück haben. Kürzlich war der Ausschuss Digitale Agenda in Estland, ein Land, in dem die Digitalisierung schon viel weiter fortgeschritten ist als hier in Deutschland. Als wir versuchten, das Problem der Störerhaftung zu erklären, schauten wir nur in ratlose Gesichter.

Umso unverständlicher ist es, dass Sie diesen ganzen Unfug nicht einfach komplett abschaffen. Nein, Sie manifestieren die Störerhaftung sogar und  stellen Betreibern offener WLANs Hürden auf. All das wegen einer diffusen Angst davor, dass über offene WLANs plötzlich Rechtsverletzungen im ganz großen Stil begangen werden und die Verursacher nicht ermittelt werden können. Aber fragen Sie doch mal in anderen Ländern nach, ob diese Befürchtungen dort eingetroffen sind. Sie werden ein klares „Nein!“ als Antwort bekommen. Wieso Sie also trotzdem Maßnahmen gegen Phantome ergreifen, versteht keiner. Nicht einmal die EU-Kommission, die in einer vernichtenden Stellungnahme bemerkte, dass die von Ihnen geforderten Sicherheitsmaßnahmen weder erforderlich noch geeignet sind, um das Ziel einer Vermeidung von Rechtsverletzungen zu erreichen.  Das Ergebnis ist, dass Ihr Gesetzentwurf genau das Gegenteil von dem bewirkt, was er schaffen will. Anstatt Sicherheit, schafft er Unsicherheit. Anstatt einer Verbreitung von offenen WLANs, schafft er eine Verhinderung von offenen WLANs.

Es gibt natürlich jemanden, der sich über Ihr Gesetz sehr freuen wird. Das sind große Anbieter wie die Telekom, die nun ihre teuren Lösungen schön verkaufen können, weil insbesondere Privatpersonen die von dem Gesetzentwurf geschaffenen Hürden verunsichern werden. Wer wird schon sein WLAN öffnen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass man für Rechtsverletzungen haftbar gemacht wird?

Am meisten ärgert mich an Ihrem Entwurf aber, dass Sie bestehende Initiativen wie die Freifunker gefährden. Die kümmern sich beispielsweise gerade darum, dass Flüchtlingsheime  mit dringend benötigten offenen Internetzugängen per WLAN versorgt werden, und dem legen Sie jetzt noch mehr Steine in den Weg. Das wurde in einem Gespräch mit Flüchtlingsinitiativen im Ausschuss Digitale Agenda von Christian Heise vom Förderverein Freie Netzwerke eindrücklich dargelegt.

Wie man es dreht und wendet, ihr Gesetzentwurf ist nicht dazu geeignet, das Problem der Störerhaftung bei offenen WLANs aus dem Weg zu räumen. Es verschärft das Problem vielmehr, weil er noch mehr Unsicherheiten bringt. Es liegt mit dem Gesetzentwurf der Grünen und Linken aber zum Glück eine sehr geeignete Alternative vor. Vielleicht nutzen Sie die Zeit bis zur abschließenden Beratung Ihres Gesetzentwurfes und lesen sich unseren noch einmal durch. Das Ergebnis kann dann nur sein, Ihren Gesetzentwurf zurückzuziehen und unserem zuzustimmen.