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Steuerpläne der Koalitionsfraktionen sind bisher nur heiße Luft

Rede von Barbara Höll,

Rede von Dr. Barbara Höll in der von der Linksfraktion beantragten Stunde am 26.10.11 zu den Steuerplänen der Koalitionsfraktionen.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „50 Minuten Geschlossenheit“, „Regierung blamiert sich bei Steuerreform“, „Steuerharmonie für eine Stunde“, „Seehofer stört den Steuerfrieden“ das sind einige der Schlagzeilen, die Sie mit Ihrer chaotischen Steuersenkungsdebatte produziert haben.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie lesen die falschen Zeitungen!)

Seit 2009 da haben Sie den Koalitionsvertrag geschlossen kündigen Sie alle paar Monate Steuersenkungen an. Dann warten wir mal wieder auf die nächste Steuerschätzung. Das geht immer so als Spiel.

Den traurigen Höhepunkt bildete in der letzten Woche die Bundespressekonferenz mit Finanzminister Schäuble und Wirtschaftsminister Rösler. Es wurden dort Steuererleichterungen ab 2013 versprochen. Aber selbst auf Nachfragen sagte Herr Schäuble nichts dazu, wie er sich die Entlastung genau vorstellt. Nicht einmal eine Stunde später ertönte der Paukenschlag aus Bayern, und seitdem streiten Sie sich wie im Kindergarten. Sie sollten sich mit Steuererleichterungen vielleicht wirklich etwas beeilen. Wer weiß, wie lange Sie noch regieren!

(Dr. Volker Wissing (FDP): Ha, ha, ha!)

Damit dieses Hin und Her bei Ihnen ein Ende findet, haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. Ich denke, Sie sind der Öffentlichkeit gegenüber verpflichtet, endlich konkrete Angaben zu Ihren Steuerplänen zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele Menschen in unserem Land glauben eh nicht mehr an Steuergerechtigkeit und Steuererleichterungen. Die Menschen haben Angst.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Angst vor den Linken haben die!)

Sie fragen sich, wie teuer sie die Rettung der Banken kommen wird, wenn die Milliarden erst einmal fällig werden. Wie viele Schulen bleiben dann weiter unsaniert? In wie vielen Universitäten bleiben die Hörsäle weiter überfüllt? Wie viele Straßen bleiben Ruckelpisten?

Für die Menschen ist doch die Lohnpolitik entscheidend und nicht die kalte Progression. Die will ich Ihnen aber doch einmal erklären. Ein Arbeitnehmer bekommt eine Lohnerhöhung, die gerade mal die Inflation ausgleicht. Durch den höheren Bruttolohn rutscht er in einen höheren Tarif, sodass er am Ende weniger bekommt, weniger Reallohn zur Verfügung hat. Das ist die kalte Progression.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Das finden Sie gut, ja?)

Aber das ist nicht das Entscheidende.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Doch, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon! Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU))

Herr Michelbach, wir haben Sie doch schon 2007 in einem Antrag aufgefordert, endlich tätig zu werden. Ich finde es gut, dass Sie jetzt endlich aufwachen und etwas machen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Trotzdem ist die kalte Progression nicht das Hauptproblem. Wir haben die Menschen haben das in den vergangenen zehn Jahren gespürt Reallohnverluste von 4 Prozent. Demgegenüber haben sich die Unternehmensgewinne und die Einkommen aus Vermögen verdreifacht.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Jetzt kommt wieder diese Platte!)

Das ist die Ungerechtigkeit in diesem Land, und hier spielt die Musik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich betone noch einmal: Alle in diesem Land zahlen Steuern, zum Beispiel Mehrwertsteuer auf Butter und Milch. Sehr vielen Menschen es sind inzwischen 1,4 Millionen , die arbeiten gehen, oftmals in Vollzeit, reicht ihr Lohn nicht zum Leben; sie müssen noch zum Amt, um aufzustocken. Das müsste Ihnen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Da geht es wirklich um Entlastung. Da geht es darum, dass wir endlich einen Mindestlohn einführen. Ein solcher Mindestlohn vernichtet auch keine Arbeitsplätze. Das wissen Sie genauso gut wie ich; das ist empirisch bewiesen.

(Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Von wem?)

Ein Mindestlohn würde Steuermehreinnahmen bringen, die Sozialkassen füllen und den Menschen den entwürdigenden Gang zum Amt ersparen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schäuble hat auf der Pressekonferenz nebulös eine Tarifveränderung angesprochen. Gut, dann fangen wir mal konkret an! Im Gegensatz zu Ihnen haben wir schon einen konkreten Vorschlag vorgelegt. Stellen Sie sich also einmal Folgendes vor: Wir hätten einen durchgängig linear-progressiven Einkommensteuertarif. Wir würden den Grundfreibetrag auf 9 300 Euro erhöhen bei 14 Prozent Eingangssteuersatz und 53 Prozent Spitzensteuersatz ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 65 000 Euro. Dann wäre automatisch die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet. Ich rechne Ihnen das gern vor: Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von etwa 26 000 Euro, also abzüglich Freibeträge, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und Werbungskosten, würde man gegenüber heute 1 086 Euro weniger zahlen. Wenn man ein Jahreseinkommen von 40 000 Euro zu versteuern hätte, wären es 1 410 Euro weniger. Erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 70 000 Euro gäbe es eine Mehrbelastung von 86 Euro. Ich finde, das ist bei diesem Jahreseinkommen aufs Jahr verteilt wirklich zu verkraften.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach dem, was Sie vorgelegt haben im Ausschuss konnten Sie noch nicht einmal sagen, ob das nur für die niedrigen und mittleren Einkommen gilt oder auch für die großen Einkommen , betrüge die Entlastung bei einem Jahreseinkommen von 26 000 Euro wahrscheinlich maximal 200 Euro. Nun vergleichen Sie das einmal mit dem durchgehend linear-progressiven Tarif: Nach meinen Vorgaben wäre die Entlastung um über 800 Euro höher. Das wäre ein richtiger Schritt.

Im Übrigen finde ich es völlig unverschämt, dass Sie hier vollmundig verkünden, ab 2013 für Steuererleichterungen in Höhe von 6 bis 7 Milliarden Euro sorgen zu wollen, wobei Sie, wie gesagt, noch nicht einmal wissen, für wen, und auch nicht genau, wie. Dass Sie darüber natürlich erst einmal mit den Ländern und Kommunen reden müssen, weil es um die Einkommensteuer geht, oder ob Sie sich dazu verpflichtet haben, dass alles der Bund zahlt, lassen Sie völlig außen vor. Insofern sind das alles nur Luftblasen. Sie denken, Sie könnten damit irgendetwas gewinnen; aber Ihnen wird nicht geglaubt. Kehren Sie endlich zu einer seriösen Politik zurück, zu einer Politik, die tatsächlich Steuergerechtigkeit herstellt!

(Beifall bei der LINKEN)