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Steuergesetze müssen für alle gelten

Rede von Richard Pitterle,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe nach den heutigen Meldungen ernsthafte Zweifel, ob jemand an der Spitze der EU-Kommission sitzen kann, der als Regierungschef Steuervermeidungsstrategien der Konzerne in Europa zulasten der europäischen Staaten organisiert hat.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Das haben wir in Thüringen auch!)

Aber ich will nicht zu diesem Thema sprechen.

Wir diskutieren heute auch den Koalitionsvorschlag für die Reform der strafbefreienden Selbstanzeige. Ich will gleich zu Beginn darauf hinweisen, dass meine Fraktion hier einen weiter gehenden Antrag eingebracht hat, der die gänzliche Abschaffung der Selbstanzeige vorsieht. Viel zu lange konnten Wohlhabende ihre riesigen Vermögen vor dem Fiskus verstecken. Sie mussten keine ernsthaften Konsequenzen fürchten. Sie wogen das Entdeckungsrisiko ab und stellten eine Selbstanzeige, wenn sie der Meinung waren, dass dieses zum Beispiel aufgrund des Ankaufs einer Steuer-CD zu groß war. Das ging zulasten der Allgemeinheit und der vielen ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Ich finde es daher gut, dass die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit ein weiteres Mal verschärft werden; denn offensichtlich war die Geldgier noch immer größer als die Angst vor der Strafe.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist schlimm genug, dass der Reichtum in unserem Land so ungleich verteilt ist. Genauso schlimm ist es, dass viele derjenigen, die viel haben, dem Staat nicht das geben wollen, was ihm zusteht. Es wird endlich Zeit, dass die Steuergesetze für alle Menschen, auch die Reichen und Superreichen, gelten.

(Beifall bei der LINKEN)

Folgende Ansätze des Entwurfs will ich hervorheben: zuerst einmal die deutliche Anhebung und Staffelung des zu zahlenden Geldbetrages beim Absehen von der Strafverfolgung nach § 398 a der Abgabenordnung. In jenen Fällen konnten sich Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterzieher bisher für eine im Vergleich lächerliche Zusatzzahlung von 5 Prozent der hinterzogenen Steuer quasi freikaufen. Das war mit dem Gerechtigkeitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger nun wirklich nicht mehr in Einklang zu bringen. Denn am Ende kam folgende Botschaft bei den Menschen in diesem Land an: Wer mehrmals schwarzfährt, wird gleich bestraft; wenn aber Superreiche Steuern in Millionenhöhe hinterziehen und damit allen schaden, dann wird ein Auge zugedrückt. Das hat zu Recht zu Empörung geführt. Daher ist es richtig und wichtig, dass die Zusatzzahlungen, die Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterzieher leisten müssen, zukünftig auch wehtun.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wichtig ist auch, dass die Problematik von Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung berücksichtigt wurde, wie es die Linke kürzlich in ihrem Antrag gefordert hat. Ich bin seit vielen Jahren als Rechtsanwalt im Bereich Wirtschaftsrecht tätig. Aus meiner Erfahrung kann ich Ihnen daher versichern, dass man sich zum Beispiel als Kleinunternehmerin oder Kleinunternehmer gerne mal im tiefen Meer des Steuerrechts verlieren kann. Wenn die Bäckermeisterin, wenn der Bäckermeister morgens früh aufsteht, um Brot und Brötchen zu backen, und dann abends nach einem langen Arbeitstag noch den sogenannten Schreibkram erledigen muss, kann sich schon mal der eine oder andere Fehler einschleichen. Es ist daher gut, dass zukünftig nachträglich korrigierte oder verspätete Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen wieder als wirksame Teilselbstanzeige gelten. Mit einer Kriminalisierung solcher menschlichen Fehler ist nämlich niemandem gedient.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Muss man abschaffen!)

Wer aus Unachtsamkeit oder Überforderung eine falsche oder verspätete Angabe macht und diese dann korrigiert oder nachholt, darf nicht denen gleichgestellt werden, die ihr Geld absichtlich verstecken und ihren Beitrag der Allgemeinheit bewusst vorenthalten.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margaret Horb (CDU/CSU))

Zuletzt einen Gedanken, den ich als Rechtspolitiker, der ich auch bin, einbringe: Ich halte es für vernünftig, dass bei der Strafverfolgung die Verjährungsfristen entgegen den ursprünglichen Plänen nun doch nicht ausgedehnt worden sind; denn bei aller Notwendigkeit eines schärferen Vorgehens gegen Steuerhinterziehung darf man auch hier das Verhältnis zu vergleichbaren Delikten nicht außer Acht lassen. Wenn für den einfachen Betrug eine Verjährungsfrist von fünf Jahren gilt, so sollte das auch bei der einfachen Steuerhinterziehung beibehalten werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)