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Statt EPAs von oben - gerechte Beziehungen von unten!

Rede von Heike Hänsel,

In der Bundestagsdebatte über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) zwischen EU und AKP begrüßt Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, das deutliche Zeichen, das einige afrikanische Staaten auf dem EU-Afrika-Gipfel gegen die von der EU angestrebten Freihandelsabkommen gesetzt haben, und fordert Konsequenzen:

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich beglückwünsche die afrikanischen Regierungen zu ihrem neuen Selbstbewusstsein! Noch vor kurzem versuchte Frau Wieczorek-Zeul uns weiszumachen, es herrsche völliges Einvernehmen zwischen der EU und den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) bezüglich der Verhandlungen über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die EPAs.

Am letzten Wochenende haben wir dann auf dem EU-Afrika-Gipfel den senegalesischen Präsidenten Abdoulaye Wade gehört, der über die EPA-Verhandlungen sagte: „Für uns ist es aus.“ Etliche Staaten kündigten an, keine EPAs unterzeichnen zu wollen. Der AU-Präsident Alpha Oumar Konaré äußerste die Befürchtung, die EPAs brächten „dramatische Kosten für die afrikanische Bevölkerung“. Und er schrieb der EU ins Stammbuch: „Die afrikanischen Staaten sind nicht mehr nur Exporteure von Rohstoffen oder einfache Exportmärkte.“

Nicht nur die Regierungen, auch viele soziale Bewegungen in den AKP-Staaten sehen in den EPAs, die auf die weitgehende Abschaffung von Schutzzöllen und auf die Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte abzielen, eine Gefahr für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Länder. Sie lehnen diese Freihandelsabkommen deshalb ab.

Mit dem Gipfel von Lissabon wurde offensichtlich, was sich schon lange abgezeichnet hat: Die EU-Kommission ist komplett gescheitert mit ihrer neoliberalen Handelspolitik. Und mit der EU ist auch die Bundesregierung gescheitert, die die Verhandlungsführung der Kommission voll unterstützt hat. Da gibt es nichts zu beschönigen, auch wenn Frau Merkel gestern noch mal versucht hat abzuwiegeln. Sie haben die AKP-Staaten gegängelt, unter Druck gesetzt, nicht für voll genommen. Jetzt erhalten Sie die Quittung: Die Zeiten, in denen die Europäischen Regierungen den Menschen im Süden sagen konnten, wo es langgeht, sind vorbei.

Das heißt: Die EU und die Bundesregierung müssen jetzt neu nachdenken, welche Art von Partnerschaft sie den AKP-Staaten anbieten wollen. Wir fordern bereits seit langem, dass die EU einen solidarischen Ansatz einer gleichberechtigten Partnerschaft entwickeln muss, und zwar gemeinsam mit den AKP-Staaten, das heißt auch: gemeinsam mit den sozialen Organisationen, den Gewerkschaften, den Parlamenten hier und dort. Ob sie dazu bereit ist, muss allerdings bezweifelt werden.

Nach dem Gipfel reagierten Bundesregierung und Kommission zunächst mit der üblichen Ignoranz. Die Kanzlerin hat ja gestern in ihrer Rede zum Reformvertrag noch mal betont, dass sie weiter an der Verhandlung von EPAs festhalten will. Aus der Kommission wurde gar die alte Drohung wiederholt, ohne neue Freihandelsabkommen müssten einige AKP-Staaten mit höheren Zöllen für ihre Produkte rechnen.

Die angemessene Reaktion auf das, was sich in Lissabon abgespielt hat, und eigentlich schon längst überfällig wäre stattdessen ein Moratorium für die Verhandlungen, damit alle Beteiligten die Gelegenheit bekommen, neu über die Ausgestaltung künftiger Abkommen nachzudenken. Stattdessen wird unter Hochdruck weiterverhandelt und in totaler Verkehrung des Anspruchs, regionale Integration fördern zu wollen, werden Einzelabkommen von völlig unterschiedlichem Zuschnitt mit Staaten oder Teilregionen abgeschlossen - das haben etliche entwicklungspolitische Organisationen zurecht als Politik des „Teile und herrsche“ kritisiert.

Gleichzeitig aber beginnt die EU was sie bis vor kurzem noch für unmöglich erklärt hatte: Sie führt Verhandlungen mit der WTO über die Verlängerung der Sonderregelung, auf der das bisherige Handelssystem zwischen EU und AKP basiert. Damit böte sich den AKP-Staaten zumindest ein kleiner Aufschub. Plötzlich geht es also doch, was AKP-Regierungen, soziale Bewegungen und auch DIE LINKE hier im Bundestag immer wieder gefordert haben! Das zeigt: Die EPAs sind nicht alternativlos. Es gibt immer Alternativen, wenn der politische Wille vorhanden ist.

Vollkommen unverständlich ist mir deshalb, weswegen die Koalitionsfraktionen nun einen Antrag vorlegen, der gerade so tut, als wäre nichts gewesen. Der Protest aus den AKP-Staaten wird schlichtweg ignoriert. Warum knüpfen Sie nicht an den neuen Möglichkeiten an, die jetzt diskutiert werden? Stattdessen halten Sie unbeirrt an den EPAs fest. Die Forderungen im Antrag der Grünen hingegen stimmen mit unseren Forderungen weitgehend überein. Ich sehe da auch eine positive Entwicklung vom ersten Antrag zum Aktuellen, der viel kritischer ist. Also, die Grünen sind lernfähig zumindest in manchen Bereichen!

Die oberste Maßgabe muss sein: Kein Land darf ab 2008 in seinen Handelsbeziehungen zur EU schlechter gestellt sein als bisher! Alle Drohungen in diese Richtung sind strikt zurückzuweisen. Zweitens: Es muss ohne Zeitdruck und ergebnisoffen verhandelt werden. Zwang zur Liberalisierung darf nicht ausgeübt werden. Schon gar nicht darf die Liberalisierung der öffentlichen Beschaffungsmärkte vorangetrieben werden. An die Stelle der gescheiterten neoliberalen Konzepte von Freihandel und Liberalisierung muss eine solidarische und partnerschaftliche Politik treten, die die Entwicklungsrechte der Menschen im Süden in den Vordergrund stellt und nicht die Profitinteressen der europäischen Exportwirtschaft. Dafür brauchen wir die Einbeziehung breiter gesellschaftlicher Kräfte wie Gewerkschaften, soziale Organisationen und Bewegungen. Statt EPAs von oben - gerechte Beziehungen von unten!