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Stasi-Aufarbeitung

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Das Grundsätzliche vorweg. Die Fraktion Die Linke war stets und ist für eine Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen.

(Lachen des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir sind für eine schnellere, für eine bessere, vor allem übrigens aber weniger zufällige, also wissenschaftliche Aufklärung. Deswegen fordern wir seit langem, dass der Aktenbestand aus der undurchschaubaren Behörde ins Bundesarchiv in die Hände professioneller Archivare und Wissenschaftler überführt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Aufklärung nach wissenschaftlichen, nicht nach denunziatorischen Kriterien wollen wir erreichen. Das war unsere Position 2006 bei der Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes, und das ist sie auch heute. Deswegen lehnen wir den FDP-Antrag ab. Denn was wird da gefordert? Nachdem es ja wohl eine Unsicherheit gibt, was darin eigentlich steht, erlaube ich mir, ganz kurz Ihren Originaltext zu zitieren. Sie wollen

eine flexiblere Regelung zur Überprüfung der Stasi-Mitarbeit von Beamten und Angestellten der Bundesministerien und nachgeordneten Bundesbehörden im Sinne einer Verdachtsüberprüfung nach § 44 c des Abgeordnetengesetzes …

Also Nachforschungen im Sinne einer Verdachtsüberprüfung. Da frage ich Sie: Was heißt das denn anderes als das Setzen auf Denunziation, auf Gerüchte, auf Andeutungen, auf Informationen von Dritten und über Dritte, um dann bei einem so erbrachten Nachweis ich zitiere wieder aus Ihrem Antrag

alle dienstrechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und [für] Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder … Versetzung … zu sorgen …

Ich frage Sie also das fordern Sie : Wo sind wir da wieder angelangt? Der Kollege Thierse hat Ihnen schon gesagt, dass das nach unserem heutigen, geltenden Recht gar nicht möglich ist. Also: Wohin wollen Sie denn zurück?
Zyniker könnten sagen: Zurück in den Stasi-Staat. Da werden Sie jetzt wieder höhnen, aber ich sage Ihnen trotzdem: Gerade die Linke macht so etwas nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Generalverdacht per Gesetz: Nein. Wissenschaftliche Aufarbeitung: Ja, und zwar hoffentlich bald dort, wo sie 20 Jahre nach der Vereinigung besser geleistet werden kann als bisher in der Behörde mit ihren Arbeitsmethoden nach dem Zufallsprinzip und der politischen Opportunität und in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit. Die einen sagen, die Behörde ist eine Bürgerauskunftsbehörde, die anderen sagen, sie ist ein Forschungsapparat, die Dritten sagen, ein großer Teil der 160 Kilometer Papier wurde bis heute kein einziges Mal angeschaut. Ja, was ist denn das nun eigentlich für eine Behörde und für ein Aufarbeitungsapparat?

Was nun die Forderung im Antrag betrifft, alle Bundestagsabgeordneten von 1949 bis 1990 umfassend zu überprüfen, in welchem Umfang sie willentlich und wissentlich für die Staatssicherheit der ehemaligen DDR tätig waren, das soll nun ausgerechnet auch wieder von der Birthler-Behörde untersucht werden. Ich finde, da hat Marianne Birthler vorgestern schon ziemlich Richtungweisendes erklärt - Zitat -: Bei einer seriösen Erforschung Achtung, „seriösen Erforschung“! müsse man da sehr, sehr große Kreise ziehen und auch die zweite und dritte Reihe des Parlamentsbetriebes untersuchen.

Das wird sozusagen ein Auftrag für die Ewigkeit. 2 073 Bundestagsabgeordnete gab es in der Zeit von 1949 bis 1990, 1 416 davon sind verstorben. Die zweite und dritte Reihe aber machte mindestens das Zehnfache aus, also weit über 20 000 Fälle. Nehmen wir die Lebendigen und die Toten. Das wird ein großer Auftrag.

Ehrlich gesagt: Die Stasiverstrickung von Konrad Adenauer würde mich schon interessieren, obwohl wesentliche Erkenntnisse wahrscheinlich kaum zu erwarten sind.
Danke.

(Beifall bei der LINKEN)