Zum Hauptinhalt springen

Solidarität mit Whistleblower Snowden

Rede von Ulla Jelpke,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden hier über zwei Skandale. Der eine besteht darin, dass Großbritannien und die USA seit Jahren großangelegte Überwachungsangriffe und damit Angriffe auf die Persönlichkeitsrechte unbescholtener Bürgerinnen und Bürger in aller Welt durchführen.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Steht doch noch gar nicht fest!)

Der andere Skandal besteht darin, dass die Bundesregierung ihre Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger vor diesen Angriffen zu schützen, sträflich vernachlässigt hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Klaus Hagemann (SPD))

Herr Innenminister, Sie haben hier heute voll an der Sache vorbei argumentiert. Offensichtlich haben Sie auch nicht die richtigen Informationen. Wir wissen aus dem Innenausschuss, dass von den USA noch gar nichts beantwortet wurde.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wird auch so bleiben!)

Statt tatsächlich Aufklärung herbeizuführen, haben Sie beispielsweise in der letzten Woche in einem Interview gesagt, dass Sie sich die harsche Kritik an unseren Partnern verbitten.

(Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war an Herrn Ferber gerichtet!)

Dazu kann ich nur so viel sagen: Wieso Partner? Die Geheimdienste der USA und Großbritanniens können nicht unsere Partner sein, nicht Partner der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und schon gar der auf der ganzen Welt - ganz im Gegenteil.

Der Präsident Venezuelas Maduro hat zum Beispiel Folgendes dazu gesagt: „Was würde passieren, wenn die Welt erführe, dass Venezuela spioniert? Sicherlich würde der UN-Sicherheitsrat einberufen werden“. Ich füge hinzu: Sicherlich würden die USA nicht mit Drohungen geizen. Empörend ist nicht nur die Heuchelei der USA, empörend ist auch, dass die Bundesregierung die Grundwerte unserer Verfassung faktisch kampflos preisgibt. Letzte Woche war US-Präsident Obama da. Die Bundeskanzlerin hatte nur lauter warme Worte für ihn ‑ Küsschen hier, Küsschen da.

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Ist das noch Ihr Text aus Venezuela? - Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Woher wissen Sie das?)

Stattdessen hätte sie ihm lieber einmal klipp und klar und in aller Öffentlichkeit sagen sollen, was wir davon halten, dass Bürger und Bürgerinnen hier überwacht werden, und dass er gefälligst Schluss damit zu machen hat, uns auszuspionieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung behauptet, sie habe von den Überwachungsprogrammen nichts gewusst. Wer soll das glauben? Wenn Sie tatsächlich nichts gewusst haben, wozu haben Sie eigentlich Ihre Geheimdienste, die deutschen?

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Die können wir abschaffen! - Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierung der Ahnungslosen! - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Ja, was denn jetzt?)

Ist nicht Spionageabwehr eine Aufgabe des Verfassungsschutzes und des BND?

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Erst zu viel Ausforschung, dann zu wenig Ausforschung ‑ was stimmt denn nun?)

Das wäre ein weiterer Beweis dafür, dass diese Geheimdienste nichts, aber auch gar nichts zu unserer Sicherheit beitragen. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass Sie sehr wohl gewusst haben, was da läuft.

Der frühere BND-Chef beispielsweise, Herr Wieck, sagte gestern im Deutschlandfunk, ein solches Vorgehen sei ‑ ich zitiere ‑ „das natürliche, tägliche Brot von Geheimdiensten“, auch des BND; er setzt nämlich darauf, von den erschnüffelten Erkenntnissen etwas abzukriegen. So wie der BND sich nicht scheut, Aussagen zu verwerten, die erpresst wurden ‑ zum Beispiel, wie wir wissen, in Folterknästen wie Guantánamo ‑, will er auch illegal abgefangene E-Mails verwerten. Wenn der BND nicht genauso schnüffelt, dann nicht, weil er Skrupel davor hätte, sondern weil ihm schlicht und einfach die Ressourcen dazu fehlen ‑ zum Glück, kann man da nur sagen.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Was Sie alles wissen! Das ist ja unglaublich!)

Aber wir wissen auch, dass der BND mit einem Millionenprogramm aufrüsten will, um es seinem großen Bruder gleichzutun. Die Linke erwartet, dass die zuständigen Ausschüsse hier keine Zusagen machen und keinen Cent dafür freigeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir erleben in diesen Tagen, dass die westliche Welt, die sich selbst so arrogant die „freie“ Welt nennt, sich als Raum der Überwachung, der Verletzung der Intimsphäre und des Unrechts entpuppt. Ich weiß nicht, ob Verhandlungen über Datenschutzabkommen weiterhelfen. Was nottut, sind auf jeden Fall Schutzprogramme, um die Überwachung zu verhindern oder wenigstens ihren Preis massiv hochzutreiben.

Die Linke erwartet von der Bundesregierung klare Ansagen: Was wollen Sie tun, um die Überwachungsangriffe aus den USA und Großbritannien auf unsere Grundwerte abzuwehren?

Noch etwas: Je mehr sich herausstellt, dass die westlichen Geheimdienste sich einen Dreck um die Demokratie scheren, desto mehr verdienen jene Anerkennung, die tatsächlich für Freiheitsrechte kämpfen. Ich rede von Leuten wie den Aktiven von WikiLeaks, von Bradley Manning, der seit Jahren in einem US-Militärknast schmort, und von Edward Snowden. Snowden hat die Schnüffelpraxis der USA und der Geheimdienste aufgedeckt. Für dieses Verdienst droht ihm nun schwerste Verfolgung durch die US-Behörden. Es wäre ein gutes Zeichen, wenn wir alle ihm sagen würden: Du bist hier willkommen. ‑ Edward Snowden verdient unsere Solidarität und unser Asyl.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))