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Sigrid Hupach: Künstler*innen und Kreative müssen von ihrer Arbeit leben können

Rede von Sigrid Hupach,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Dank geht an die Grünen, dass wir heute aufgrund ihres Antrages die Gelegenheit haben, grundsätzlich über die Kulturförderung des Bundes zu debattieren.

(Ute Bertram [CDU/CSU]: Das machen wir ständig!)

Der Hauptstadtkulturvertrag ist letzte Woche unterzeichnet worden. Er bringt für die Kultur einen Aufwuchs. Das ist grundsätzlich erst einmal zu begrüßen.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Wir kritisieren aber die fehlende Transparenz und die Nichteinbeziehung der Parlamente. Es geht hier um viel Geld und eine Vertragsdauer von zehn Jahren. Es kann doch nicht sein, dass die Parlamente nicht beteiligt werden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie in der Hauptstadt Berlin ist bei der Kulturförderung des Bundes immer von der „nationalen Bedeutung“ die Rede. Was genau das ist, ist nicht festgelegt. Es wird auch nicht verhandelt, sondern irgendwie nach Gefühl bestimmt. Schaut man sich die Überraschungen in den Bereinigungssitzungen des Haushaltsausschusses an, kann man den Eindruck gewinnen, es ginge eher um die nationale Bedeutsamkeit einzelner Abgeordneter und ihrer Wahlkreise.

Das Anliegen des Antrages, die Kulturförderung des Bundes transparenter zu gestalten und vor allem die in den Blick zu nehmen, die Kultur machen und Kunst schaffen, ist auch für uns Linke wichtig.

Die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ zur Kulturförderung waren klar und deutlich: „Objektive und transparente Förderkriterien staatlicher Kulturfinanzierung“ schaffen, heißt es dort. Die Umsetzung steht jedoch zehn Jahre später immer noch aus.

Auch eine Kulturentwicklungskonzeption wurde damals eingefordert. Diese soll natürlich nicht die künstlerische Entwicklung vorgeben. Es geht stattdessen darum, gemeinsam eine Idee zu entwickeln, wie wir zusammenleben wollen, die dafür nötigen Rahmenbedingungen zu definieren und daraus ganz konkrete Maßnahmen für die Kulturpolitik auf Bundesebene abzuleiten. Auch eine solche Konzeption würde zu mehr Transparenz führen.

Das gälte erst recht, wenn man, wie die Linke schon seit langem fordert, ein Bundeskulturministerium einrichtete und das Kooperationsverbot endlich abschaffte.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Beides bedeutete keineswegs ein Ende der Kulturhoheit der Länder. Vielmehr würden lediglich die Zuständigkeiten gebündelt, die jetzt ohnehin schon auf Bundesebene liegen, jedoch über diverse Ressorts verteilt sind. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels könnte es sogar ein Schlüsselministerium werden. Auch Förderprogramme auf Bundes- und Länderebene ließen sich so besser aufeinander abstimmen, und das vorhandene Geld könnte sinnvoller eingesetzt werden. Man könnte endlich das Zuwendungsrecht überarbeiten und die Antrags- und Abrechnungsmodalitäten bei Bundesförderprogrammen vereinfachen. Diese Aspekte aber fehlen uns Linken in dem vorliegenden Antrag.

Einige Forderungen der Grünen halten wir für nicht sinnvoll. Das betrifft zum Beispiel die gerechte Verteilung der Fördermittel über die Sparten. Uns wäre eine bedarfsgerechte Förderung wichtiger. Theater haben nun einmal höhere Bedarfe als andere. Auch fehlt uns eine deutlichere Unterscheidung zwischen Künstlerinnen und Künstlern auf der einen Seite und der Kreativwirtschaft auf der anderen Seite.

Bei einigen Punkten haben wir weiter gehende Vorschläge, Stichwort: solidarische Mindestrente. Die Künstlersozialkasse wollen wir nicht nur erhalten; hier muss auch der Bundeszuschuss erhöht werden,

(Beifall bei der LINKEN)

und es müssen Lösungen für die sogenannten hybriden Erwerbsformen gefunden werden, zum Beispiel durch eine Anpassung der Aufnahmekriterien oder der Grenzen für Zuverdienste aus abhängiger Arbeit.

Die digitalen Plattformen müssen direkt an der Finanzierung der Sozialversicherungssysteme beteiligt werden. Absolut richtig ist, dass diese Systeme endlich für die vielen Solo-Selbstständigen geöffnet werden müssen.

(Beifall der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])

Auch der Bundesrat hat sich die Initiative der linken Sozialministerinnen von Thüringen und Brandenburg und der Berliner Senatorin für Gesundheit zu eigen gemacht und die Senkung der Beitragsbemessungsgrenzen gefordert.

Auch beim freien Eintritt sollten wir vielleicht noch viel radikaler denken. Wir haben dazu selber ein Modellprojekt für eine einzelne Sparte, nämlich die Museen, angeregt. So könnte man Erfahrungen sammeln, wie es gelingt, durch freien Eintritt für alle und durch verstärkte Angebote der Vermittlung Zugangsbarrieren abzubauen.

Vor kurzem sprachen wir hier über unseren Antrag zur Ausstellungsvergütung. Da mussten wir uns anhören, dass jeder frei in seiner Entscheidung ist, den schlecht bezahlten Beruf der Künstlerin oder des Künstlers zu wählen oder nicht. Ist das wirklich das Kulturverständnis der Union? Also, mein Kulturverständnis ist das nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Für uns Linke muss staatliche Kulturförderung natürlich dafür Sorge tragen, dass Künstlerinnen und Künstler, dass Kreative von ihrer Arbeit leben können. Die Vergabe öffentlicher Gelder muss an die Einhaltung sozialer Mindeststandards gekoppelt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Geschlechtergerechtigkeit und Diversität gehören dazu, vor allem aber eine angemessene Vergütung. Dem entsprach ja auch das einhellige Votum der Sachverständigen im Ausschuss.

(Zuruf von der LINKEN: Genau!)

Den Handlungsbedarf belegen auch die vielen Initiativen von Künstlerinnen und Künstlern wie „art but fair“ oder des „ensemble-netzwerks“ im Theaterbereich. Der Bund hat hier eine Vorbildfunktion, und dieser muss er auch endlich gerecht werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])