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"Sie machen die Menschen zu Bittstellern"

Rede von Gesine Lötzsch,

Rede in der Abschlussberatung des Bundeshaushalts 2009

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Schlechter hätte die Haushaltswoche für den Finanzminister nicht laufen können. Auf der einen Seite wollte er der Öffentlichkeit zeigen, wie gut er mit Geld umgehen kann. Auf der anderen Seite wollte er uns Linken anhängen, dass wir nur Geld ausgeben könnten. Aber dieser Plan ist gründlich gescheitert, Herr Steinbrück.
(Beifall bei der LINKEN)
Die staunende Öffentlichkeit konnte beobachten, wie unter Ihrer Verantwortung, Herr Steinbrück, Geld einfach so verschwindet. Auf der einen Seite trauen Sie Eltern nicht zu, 10 Euro Kindergeld mehr zu verantworten. Aber bei der IKB, die nachweislich nicht mit Geld umgehen kann, sind Sie bereit, über Nacht Milliarden locker zu machen, die dann für immer im Finanzstrudel verschwinden. Das ist nicht hinnehmbar.
Ein aktuelles Beispiel darüber ist schon viel gesprochen worden haben wir in dieser Woche mit der KfW erlebt. 300 Millionen Euro Steuergelder wurden einfach verbrannt.
(Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Mehr!)
Mindestens. Wenn ein Arbeitsloser einen Fahrschein im Wert von 2,10 Euro ersetzt bekommen möchte, dann beschäftigen sich drei Sachbearbeiter und ein Referatsleiter mit diesem Anliegen.
(Otto Fricke (FDP): In Berlin!)
Doch wenn 300 Millionen Euro oder mehr überwiesen werden, dann geht das augenscheinlich automatisch. Dann gibt es niemanden, der die Überweisungen vorher kontrolliert. Das ist Steinbrück’sche Finanzpolitik.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Aufsicht über die KfW sollten eigentlich Herr Steinbrück und Herr Glos wahrnehmen.
(Otto Fricke (FDP): Welche?)
Beide haben wieder nichts gewusst. Beide kommen aus dem Mustopf. Natürlich schiebt der Finanzminister die Schuld auf die Bank, wie er es schon bei dem Skandal um die IKB getan hat.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Nein, Herr Kollege. Damals war angeblich die Chefin der KfW, Ingrid Matthäus-Maier, die Parteikollegin von Herrn Steinbrück, schuld. Frau Matthäus-Maier musste ihren Hut nehmen, nicht der Finanzminister. Der Finanzminister erklärte damals zum möglichen Nachfolger: Es wird ein Profi sein müssen, bei dem der Sachverstand eine Rolle spielt und nicht die Politik. Herr Steinbrück, dieser Satz ist nicht nur arrogant, sondern sagt auch viel über Ihr Politikverständnis aus. Sachverstand und Politik kommen bei Ihnen, Herr Steinbrück, offensichtlich nicht zusammen.
(Beifall bei der LINKEN Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Wer weiß, an wem er sich ein Beispiel genommen hat!)
Als Nachfolger wollten Sie also einen echten Profi nehmen. Er hat gleich das doppelte Gehalt bekommen. Der erste Schritt war, 300 Millionen Euro an eine bankrotte Bank zu überweisen. Herr Steinbrück, wann übernehmen Sie endlich die Verantwortung für Ihr ständiges Versagen bei der Kontrolle der KfW und für Ihre miserable Personalpolitik?
(Beifall bei der LINKEN Zuruf des Abg. Klaus Uwe Benneter (SPD))
Wir können Herrn Steinbrück und Herrn Glos ruhig in einem Zusammenhang nennen. Damit haben Sie recht, Kollege Benneter.
Herr Steinbrück meinte in seiner Rede, dass das Menschenbild der Linken die Menschen zu Bittstellern, zu Abhängigen und zu Verlierern mache.
(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist genau richtig! Das ist das Ergebnis Ihrer Vorschläge!)
Das ist wirklich unverschämt und eine Beleidigung der Menschen. Nicht unser Menschenbild macht die Menschen zu Bittstellern, zu Abhängigen und zu Verlierern, sondern die Politik der Großen Koalition.
(Beifall bei der LINKEN - Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Nicht Ihr Menschenbild, aber Ihre Politik!)
Sie haben doch einen kannibalisierenden Arbeitsmarkt geschaffen, der Millionen arbeitende Menschen zwingt, als Bittsteller zum Staat zu gehen, weil der Lohn zum Leben nicht reicht. Damit nehmen Sie den Menschen ihre Würde. Sie machen sie zu Verlierern der Gesellschaft, nicht wir.
(Beifall bei der LINKEN)
In der Debatte fiel oft von den Kollegen der SPD ausgesprochen das Wort gesetzlicher Mindestlohn. Es wurde gesagt, man müsse diskutieren. Der Vorredner von der SPD sagte, man müsse über Ansätze von gesetzlichem Mindestlohn sprechen. Sagen Sie den Menschen doch klar und offen, was Sie wollen,
(Klaus Uwe Benneter (SPD): Wir wollen den Mindestlohn!)
und ergreifen Sie, wenn Sie es mit dem gesetzlichen Mindestlohn wirklich ehrlich meinen, die Chance hier im Parlament. Wir werden Ihnen auf jeden Fall immer wieder Anträge dazu vorlegen. Stimmen Sie endlich der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zu!
(Beifall bei der LINKEN Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fangen wir in Berlin einmal damit an! Ihr solltet in Berlin die Leute im öffentlichen Dienst nicht auswringen, sondern ihnen eine Gehaltserhöhung zahlen!)
Weiterhin wurde behauptet, dass die Linke eine antike nationalökonomische Vorstellung als Antwort auf die Globalisierung habe.
(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, allerdings!)
Auch das ist falsch. Diese Regierung will mit staatlichen Mitteln verhindern so wurde es im August im Kabinett beschlossen , dass ausländische Unternehmen deutsche Unternehmen kaufen. Das ist Protektionismus. Ja, ich sage ganz offen: Wir sind für die Regulierung der Finanzmärkte. Doch das ist kein Protektionismus. Das ist bitter nötig, wie wir in den letzten Tagen erfahren haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Finanzkrise ist auch ein Versagen der Finanzminister, die sich ständig irgendwo in der Welt treffen, aber in der Frage nach strengeren Kontrollen und Regeln nichts, aber auch gar nichts auf die Reihe bringen.
Ich sage auch ganz offen: Ja, wir waren dagegen, dass Heuschrecken in Deutschland zugelassen werden; denn wir wussten, dass sie Unternehmen zerstören und ausschlachten sowie die Arbeiter und Angestellten auf die Straße setzen. Meine Damen und Herren von der FDP, ich habe in Ihren Reden gehört, dass jetzt auch Sie vor Heuschrecken warnen. Zu diesem Erkenntnisfortschritt kann ich Ihnen nur gratulieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch Herr Müntefering, der sich häufig über Heuschrecken beklagt, hat zuvor den Heuschrecken die Lizenz zum Ausweiden deutscher Unternehmen gegeben. Ja, wir als Linke wollen Unternehmen sowie Arbeiter und Angestellte vor solchen Übergriffen schützen. Wenn Sie das nicht wollen, meine Damen und Herren von der Koalition, dann sagen Sie das auch so deutlich.
Die Wirtschaftswoche hat die Pleiten der Heuschrecken zusammengefasst. Hier nur einige Überschriften: Hertie horrende Mieten, ATU Expansion verpatzt, Hugo Boss Dividende auf Pump, neckermann.de Löhne gedrückt, Tank & Rast total verschuldet, Märklin Millionen für Berater, Rodenstock Chefs in Serie. Stellen Sie sich doch nur einen Moment lang vor, wir Linken wären an der Regierung
(Widerspruch bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und trügen die Schuld an diesen Schlagzeilen, die Schuld am Niedergang dieser traditionsreichen Unternehmen.
(Otto Fricke (FDP): Sie hätten die doch längst enteignet! Die Unternehmen gäbe es doch gar nicht mehr!)
Herr Schäuble würde doch sofort die Bundeswehr gegen uns einsetzen wollen.
(Steffen Kampeter (CDU/CSU): In der Hauptstadt der Armut sind Sie an der Regierung!)
Uns wird immer unterstellt, wir würden alles verstaatlichen wollen. Das ist eine absolut lächerliche Behauptung. Herr Steinbrück verstaatlicht gerade ein privates Unternehmen, nicht wir als Linke. Aber ich will an die Geschichte dahinter erinnern. Der ehemalige Finanzminister Eichel - er sitzt noch hier - hat die Bundesdruckerei in Berlin gegen den Protest der Linken an eine Heuschrecke, den Finanzinvestor Apax, verkauft. Apax bürdete dem Unternehmen dann hohe Schulden auf und führte es damit an den Rand der Pleite. 2002 stieg die Heuschrecke wieder aus, und der Betrieb wurde von einem Treuhänder verwaltet. Jetzt wird die Bundesdruckerei von CDU, CSU und SPD wieder verstaatlicht.
(Beifall des Abg. Klaus Uwe Benneter (SPD))
Damit Sie mich nicht missverstehen: Das ist eine richtige Entscheidung. Darum muss sich auch der Verfassungsschutz mit dieser Verstaatlichung nicht befassen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Der Populismusvorwurf wird gerne von den anderen Parteien gegen uns erhoben. Aber gerade in dieser Woche konnten wir gut mitverfolgen, wie unsinnig dieser Vorwurf gegen uns ist, weil die Bürgerinnen und Bürger den täglichen Populismus der Regierung erleben.
(Beifall bei der LINKEN)
Mein Kollege Dr. Gregor Gysi hat in seiner Rede am Beispiel der Pendlerpauschale und des Wahlkampfs von Herrn Huber sehr schön dargestellt, was Populismus ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, zumindest Sie haben in der nächsten Woche die Chance, Herrn Huber und die Kollegen in Bayern zu unterstützen. Wir werden Ihnen nämlich einen Antrag zur Pendlerpauschale mit namentlicher Abstimmung vorlegen. Ich bin einmal gespannt, wie das Abstimmungsergebnis sein wird.
(Beifall bei der LINKEN - Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Wir haben richtig Angst!)
In der außenpolitischen Debatte wurden wir als Linke heftig angegriffen, weil wir angeblich nicht solidarisch und nicht verantwortungsvoll sind. Das will ich in aller Deutlichkeit zurückweisen. Diejenigen, die uns mangelnde Solidarität mit der NATO vorwerfen, sind genau diejenigen, die die Solidarität im eigenen Land untergraben.
(Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Sie wollen doch die NATO auflösen!)
Warum sollten wir mit einer NATO solidarisch sein, die gegen das Völkerrecht verstößt und die Russlands Sicherheitsinteressen verantwortungslos negiert und das Land mit Raketen umstellt?
(Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Das arme Russland!)
Diese friedensbedrohende Politik ist unverantwortlich und wird von uns nicht unterstützt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir als Linke sind der Auffassung, dass die globalen Probleme nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden können.
(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das haben Sie aber spät erkannt!)
Sieben Jahre Krieg in Afghanistan sind ein trauriger Beleg dafür.
(Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Wollen Sie die Taliban wiederhaben?)
Es ist deshalb auch nicht nachvollziehbar, warum der zweitgrößte Haushalt mit über 31 Milliarden Euro der Haushalt der Bundeswehr ist. Die Bundeswehr wird auch nicht volksverbundener und eine besonders überzeugende Parlamentsarmee, wenn vor dem Reichstag ein Gelöbnis abgelegt wird,
(Ulrich Kelber (SPD): Das ist das Reichstagsgebäude, nicht der Reichstag!)
das dann auch noch 1 Million Euro kostet.
(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wahrscheinlich sind das Sicherheitskosten gewesen, um linke radikale Demonstranten fernzuhalten, die mit Ihnen sympathisieren!)
Man kann die Rekruten nur davor warnen, den Worten von Altkanzler Schmidt, dass sie nie wieder missbraucht würden, zu glauben. Dieses Versprechen war leichtfertig, und ich glaube nicht, dass die Mütter und die Ehefrauen der in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten das so sehen wie Herr Schmidt.
(Beifall bei der LINKEN)
Über die sinnlosen, Milliarden verschlingenden Rüstungsprojekte habe ich bereits gesprochen. Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass kein einziges Rüstungsprojekt nach Beendigung des Kalten Krieges beendet wurde, obwohl sich die Sicherheitslage so sehr verändert hat. Es geht also nicht in erster Linie um die Bekämpfung des Terrorismus und um die Sicherheit der Bürger, sondern um hohe Dividenden für die Rüstungsaktionäre.
Wir als Linke werden Ihnen bei den Haushaltsberatungen in den nächsten Wochen eine Reihe von Anträgen für mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Solidarität und weniger Rüstung im Haushalt 2009 vorlegen. Wenn Sie unseren Vorschlägen folgen, haben Sie die Chance, dazu beizutragen, dass es in unserem Land gerechter zugeht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat noch nicht einmal der Fraktionsvorsitzende zugehört! Warum eigentlich?)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Koppelin.
Jürgen Koppelin (FDP):
.....
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin Lötzsch, bitte.
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, es ist in aller Öffentlichkeit klar geworden, dass wir
(Volker Kauder (CDU/CSU): Unzuverlässig sind!)
uns als Linke gegen die Verscherbelung der IKB gewandt haben.
(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Warum haben Sie nicht dagegen gestimmt? Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Wo waren Sie denn bei der Sitzung?)
Es wurde zugelassen auch dagegen haben wir uns gewandt , dass 10 Milliarden Euro so ist das Tableau des Finanzministeriums verbrannt wurden.
Ich habe eigentlich eine Anmerkung wie die Ihre eher aus der Regierungskoalition erwartet. Bei jeder Gelegenheit, bei der die KfW erwähnt wird, fällt der Name Oskar Lafontaine.
(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Hat er schon seinen Rentenantrag eingereicht? Er ist doch schon 65!)
Sie scheinen der Überzeugung zu sein, dass in diesem Land allein Oskar Lafontaine regiert.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo war er denn jetzt?)
Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Treten Sie doch einfach alle zurück, wenn Sie diese Überzeugung immer zum Ausdruck bringen und übergeben diese Tätigkeit an Oskar Lafontaine.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist doch wurscht! Er ist eh überflüssig!)
Lieber Herr Kollege Koppelin, hinsichtlich Ihrer Frage zur Aufklärung dieser Vorgänge möchte ich Sie herzlich bitten, uns nicht weiter daran zu hindern, endlich einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen bei der IKB auf den Weg zu bringen.
(Otto Fricke (FDP): Wo ist denn euer Antrag? Macht doch einen Antrag!)
Es wäre eine vernünftige Sache, hier gemeinsam vorzugehen. Dabei könnten wir bei der Aufklärung sehr gut an einem Strang ziehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Nehmen Sie doch mal die Verantwortung dafür wahr, wofür Sie gewählt sind! Wenn er im Gremium ist, dann hat er auch da zu sein! Volker Kauder (CDU/CSU): Das kann die Frau Lötzsch! Die Abteilung Aufklärung beherrscht sie ja!)