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Sicherungsverwahrung - Expertenkommission einsetzen!

Rede von Halina Wawzyniak,

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der Kollege Heveling hat schon darauf hingewiesen: Wir haben keine konkreten Wünsche in Bezug auf den Referentenentwurf. Wir fordern die Einsetzung einer Expertenkommission.

Diese Expertenkommission ist auch angebracht; denn die Bundesregierung hat für das im Dezember 2010 verabschiedete Gesetz zur Sicherungsverwahrung vom Bundesverfassungsgericht eine fette Klatsche bekommen. Sämtliche Vorschriften des Strafgesetzbuches und des Jugendstrafrechts über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung wurden für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Deshalb ist es aus unserer Sicht sinnvoll, im Rahmen einer Expertenkommission auch über den Referentenentwurf – seit gestern gibt es wohl auch schon einen Gesetzentwurf – zu reden.

Ich frage Sie: Was spricht eigentlich gegen eine Expertenkommission? Was spricht dagegen, mit Justizpraktikerinnen und Justizpraktikern, Gesellschaftswissenschaftlerinnen und Gesellschaftswissenschaftlern, Straf-, Polizei- und Verfassungsrechtlerinnen und -rechtlern, psychiatrischen und psychologischen Sachverständigen, Kriminologen und Vertretern von Opferverbänden das Thema Sicherungsverwahrung zu erörtern?

(Beifall bei der LINKEN)

Was spricht dagegen, den Handlungsbedarf zum Thema Sicherungsverwahrung auszuloten? Das muss doch auch im Interesse der Bundesregierung sein; denn ansonsten – das garantiere ich Ihnen – droht die nächste Klatsche.

Die Linke hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie das Institut der Sicherungsverwahrung für höchst bedenklich hält. In einer menschlichen Gesellschaft gibt es keine vollkommene Sicherheit; darauf hat Herr Heveling hingewiesen. Das weiß jeder und wird in jeder Debatte von jedem Redner wiederholt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hintergründe und die Zusammenhänge der Entstehung von Kriminalität sind so vielfältig, dass es einfach nicht möglich ist, eine sichere – ich betone das Wort „sichere“ – Prognose darüber zu treffen, ob jemand gefährlich ist oder nicht. Damit bleibt Sicherungsverwahrung Strafe, auch wenn man es anders nennt. Die Strafe wird nach der Strafe, nachdem die Schuld verbüßt ist, angeordnet. Damit handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine vorbeugende Entziehung der Freiheit, um eine präventive Sicherungshaft, und das aufgrund einer unsicheren Prognose. Wir alle wissen, wie es mit den Prognosen ist – es gibt diverse Studien –: Von als gefährlich eingestuften Rückfalltätern sind maximal 20 Prozent gefährlich. Wir sagen: Die restlichen 80 Prozent sperren wir sicherheitshalber ein.

Nun liegt der Referentenentwurf vor. Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass das Justizministerium grundsätzlich über das Institut der Sicherungsverwahrung nachdenkt. Da hat ein wenig der Mut gefehlt. Ansonsten nehmen wir zur Kenntnis, dass Anstrengungen unternommen worden sind, den Prinzipien des Urteils gerecht zu werden. Das betrifft den Anspruch, dass die Unterbringung einer individuellen und intensiven Betreuung bedarf, den Sachverhalt, dass ein Rechtsanspruch auf Therapie zumindest angedeutet wird und dass eine Entlassung durch die Gerichte ansteht, wenn keine angemessene Betreuung stattfindet. Das finden wir gut.

Was wir schlecht finden, ist die Beibehaltung der nachträglichen Sicherungsverwahrung im Anschluss an die für erledigt erklärte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, der vorhandene breite Kreis der Anlassstraftaten und die Ausweitung der Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht.

Lassen Sie mich am Ende noch kurz etwas zum Antrag der SPD sagen. Liebe Genossinnen und Genossen,

(Ingo Egloff [SPD]: Sind wir nicht! Wir nicht!)

da kommen wir nicht zusammen. Sie wollen die Anlassstraftaten auf schwerste Gewalt- und Sexualdelikte beschränken. Das ist richtig. Dann erklären Sie mir aber einmal, warum Sie im Dezember 2010 noch gesagt haben, dass Sie das in dem Gesetzentwurf wunderbar geregelt finden. Wenn Sie eine nachträgliche Therapieunterbringung machen wollen – da hat Herr Heveling recht –, dann machen Sie sich zum Vorreiter für die Wiedereinführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung. Das ist absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie ignorieren offensichtlich die kompetenzrechtlichen Bedenken, was das Therapieunterbringungsgesetz angeht – hier geht es um Gefahrenabwehr, und damit ist es Ländersache –, und die Unbestimmtheit des Begriffs „psychische Störung“.

Ich komme zum Schluss. Der Einsetzung einer Expertenkommission zuzustimmen, tut nicht weh. Ich finde, das ist der angemessene Umgang mit dem Thema. Deswegen geben Sie sich einen Ruck, und stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der LINKEN)