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Sexismus per Gehaltszettel

Rede von Cornelia Möhring,

Lohndiskriminierung beseitigen

Cornelia Möhring (DIE LINKE):

Danke, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es ist bitter nötig, dass wir hier erneut über das Thema Lohngleichheit bei Frauen und Männern reden. Wir reden nämlich über erhebliche Lohnunterschiede. Die können im Laufe des Erwerbslebens einer Frau schon mal den Gegenwert eines ganzen Wohnhauses ausmachen. Frauen bekommen im Schnitt nämlich immer noch ein Fünftel weniger als ihre männlichen Kollegen. Für komplett die gleiche Arbeit sind es immerhin noch 8 Prozent weniger. Das ist und bleibt ungerecht, und das muss ausgeschlossen werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der nächste Equal Pay Day, also der im Jahr 2016, wird übrigens einen Tag früher begangen werden als bisher. Der Equal Pay Day markiert den Zeitraum vom Anfang eines Jahres, in dem Frauen umsonst arbeiten, wenn man als Maßstab den Verdienst ihrer männlichen Kollegen heranzieht. Leider liegt diese Beschleunigung im Schneckentempo aber am Schaltjahr und nicht daran, dass endlich systematisch gegen Lohndiskriminierung vorgegangen wird. Mir wäre solch ein Tempo sowieso viel zu langsam. Ich finde, ehrlich gestanden, Ungeduld ist hier dringend angebracht, weil es für die Frauen in dieser Republik um existenzielle Fragen geht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt verschiedene Ursachen und Erklärungen; auf einige will ich kurz eingehen: Frauen sind seltener in Führungspositionen und deshalb auch seltener unter den Spitzenverdienenden zu finden. Daran wird auch die Quote für Aufsichtsräte leider nichts ändern, weil davon maximal 160 Frauen profitieren. Stattdessen arbeiten Frauen im Niedriglohnsektor, oft gleichzeitig auch noch in Teilzeit oder in Minijobs.

Wir kennen die Folgen: Was als 22 prozentige Lohnlücke beginnt, führt zu deutlich geringeren Renten, häufig zu Armutsrenten. Für Frauen bedeutet das ganz akut ein ständig wachsendes Armutsrisiko und eine ständig wachsende Abhängigkeit von anderen. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss endlich Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Den Stand der Gleichstellung können wir übrigens nicht daran ablesen, ob wir eine Frau als Kanzlerin haben - auch wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, das schwer enttäuschen mag -, aber zum Beispiel daran, ob es Lohnlücken bei der Bezahlung von Frauen und Männern gibt und, wenn ja, wie groß sie sind. Wer es schafft, eins und eins zusammenzuzählen, wird so unschwer erkennen, dass es schlecht um die Gleichstellung in unserem Land bestellt ist.

Es gibt weitere Punkte, die ein schlechtes Bild auf den Stand der Gleichstellung werfen und für die große Lohnlücke sorgen. Ganze Tätigkeitsfelder werden in unserer Gesellschaft abgewertet. Alle Tätigkeiten, die nicht zu ordentlichen Gewinnen und Profit führen - das sind nun einmal alle Tätigkeiten, die sich um das Wohl der Menschen drehen -, werden schlecht bezahlt und sind vermeintlich nichts wert. Diese schlecht oder nicht bezahlte Sorgearbeit wird vorwiegend von Frauen erledigt. Eine Autoreparatur ist uns mehr wert als die Erziehung unserer Kinder, glaubt man den Lohnstreifen für Kfz-Mechaniker und Erzieherinnen. Aber damit nun nicht die Falschen Morgenluft wittern: Wir wollen nicht, dass die Kollegen in der Kfz-Werkstatt weniger Gehalt bekommen. Vielmehr wollen wir, dass alle Beschäftigten im Sorgebereich deutlich besser bezahlt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Paul Lehrieder (CDU/CSU): Alle mehr!)

Ein weiterer Punkt - eigentlich gehört dieser ins vorige Jahrtausend -: Immer noch dominiert das sogenannte Alleinverdiener- bzw. Hinzuverdienerinnen-Modell, also dass der Mann für die Erwerbsarbeit zuständig ist und die Frau für die Erziehungs- und Hausarbeit. Das wollen junge Paare - vorwiegend die Frauen - überhaupt gar nicht mehr als Familienmodell leben. Das wird vom Ministerium richtigerweise auch häufig gesagt, aber, ich finde, Sie als Regierung müssten dann auch endlich anfangen, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu ändern.

(Elke Ferner (SPD): Das machen wir doch schon! Elterngeld Plus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht darum, was bestimmte Arbeiten tatsächlich wert sind. Es geht heute leider darum, wer sie macht. Ich will das an weiteren Beispielen verdeutlichen.

Erstens. In den USA ist es seit langem üblich, dass Bewerberinnen und Bewerber für Orchester hinter einem Vorhang vorspielen. Ihr Geschlecht wird im wahrsten Sinne des Wortes verschleiert. Seither sind die Chancen von Frauen in den Vorrunden um 50 Prozent gestiegen und in den Ausscheidungsrunden um satte 300 Prozent. Das ist im Übrigen auch bei uns nicht anders.

Zweites Beispiel. Der Fahrer eines Wäschedienstes - in der Regel ein Mann -, der Altenheime anfährt, bekommt eine Schmutzzulage. Die Altenpflegerin - in der Regel eine Frau -, die die Wäsche dort wechselt, bekommt keine.

Drittens. Es ist immer noch so, dass beispielsweise in Verkaufsabteilungen großer Unternehmen Prämien und Zulagen für Geschäftsabschlüsse gezahlt werden, die das Gehalt im Ergebnis deutlich verbessern. Dumm nur, wenn diesen Abschlüssen der gemeinsame Barbesuch oder das Herüberschieben der Puffkarte vorausgeht. Denn da sind, einmal abgesehen von den unfreundlichen Arbeitszeiten, Frauen nicht vorgesehen und kommen somit auch nicht in den Genuss dieser Prämien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie sind diese Beispiele zu erklären?

Ich sage es Ihnen: Es geht um ganz klare harte Machtverhältnisse. Es geht darum, dass in diesen gesellschaftlichen Strukturen Sexismus in dieser Form als normal gilt. Sexismus drückt nicht allein körperliche Distanzlosigkeit und Übergriffe aus, Sexismus ist eine auf das Geschlecht bezogene Diskriminierung. So müssen wir leider feststellen, dass die Lohnungleichheit zutiefst sexistisch ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist in jedem Fall ein Verstoß gegen Artikel 3 unseres Grundgesetzes. Ich finde, das dürfen wir den Arbeitgebern nicht durchgehen lassen, das dürfen wir den Gewerkschaften als Tarifpartner nicht durchgehen lassen, und das dürfen wir erst recht nicht der Regierung durchgehen lassen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Tempo bei der Schaffung eines Lohngleichheitsgesetzes ist unangemessen langsam. Das anfänglich lautstarke: „Nun soll die Lohnlücke geschlossen werden, ein Entgeltgesetz kommt“, ist lange Zeit zum Schweigen im Walde geworden. Seit fast zwei Jahren wird jetzt im Ministerium das Ei ausgebrütet. Erst sollte der Entwurf nach der Sommerpause kommen, dann im Oktober. Jetzt, im November, wird angekündigt, den Entwurf in den nächsten Wochen vorzulegen.

Das Getrödel ist doch nicht auf das Motto „Gut Ding will Weile haben“ zurückzuführen, sondern eher darauf, dass die Union schon länger das Gespenst des Bürokratiemonsters an die Wand malt und den Aufstand probt oder sowieso meint, mit der Miniquote schon alles getan zu haben. Was auch immer der Grund sein mag - ich richte meinen Appell einmal an beide Ministerien -: Kommen Sie bitte endlich in die Puschen, und legen Sie den Gesetzentwurf endlich vor!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen neben der gleichen Entlohnung für gleiche und vergleichbare, also gleichwertige Arbeit unbedingt auch eine Aufwertung bestimmter Tätigkeiten. Die finanzielle Aufwertung ist ein harter Kampf. Das haben uns die Streiks in den Krankenhäusern und den Kitas gezeigt. Es ist aber ein dringend notwendiger Kampf. Genau in diesen Arbeitsbereichen wird über die Menschlichkeit einer Gesellschaft entschieden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ursachen sind klar. Es gibt gute Lösungsvorschläge, so wie in dem hier vorliegenden Antrag der Grünen, aber auch in den beiden Anträgen meiner Fraktion der Linken. Jetzt braucht es mutige und entschlossene Schritte. Ich fordere die Koalition auf: Legen Sie endlich los! Sorgen Sie dafür, dass hierzulande das Prinzip gilt: Gleicher Lohn bei gleicher und gleichwertiger Arbeit! Stoppen Sie konsequent jeden Sexismus in der Arbeitswelt!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)