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Sevim Dagdelen: Für eine radikale Wende in der deutschen Außenpolitik

Rede von Sevim Dagdelen,

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Linke kann ich sagen, dass wir selbstverständlich die furchtbaren Anschläge in Istanbul gleichermaßen verurteilen. Für diese schrecklichen Gewalt­akte gibt es wirklich keinerlei Rechtfertigungen. Dieses sinnlose Töten von Menschen in der Türkei muss sofort aufhören. Unsere Gedanken sind jedenfalls bei den Freunden und bei den Familienangehörigen der Opfer.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist aber bezeichnend, dass nach diesen jüngsten Anschlägen in Istanbul der Staatspräsident und auch die Regierung frei nach dem Motto verfahren: Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen. – Mindestens 291 friedliche Mitglieder der prokurdischen HDP wurden seit diesen Anschlägen in den letzten zwei Tagen festgenommen. Darunter sind auch zwei Abgeordnete. Eine von ihnen ist die Fraktionsvorsitzende der prokurdischen HDP in der türkischen Nationalversammlung.

Dass auch die HDP diese Anschläge wirklich scharf verurteilte, spielte keinerlei Rolle. Das zeigt für uns, dass die Regierungspartei und der Staatspräsident Erdogan auf eine weitere Eskalation setzen. Wir stehen hier klar an der Seite der inhaftierten und auch der verfolgten HDP-Politikerinnen und -Politiker. Ich bin wirklich froh, dass es uns gestern mit über 60 Mitgliedern des Deutschen Bundestages – von der CDU, der SPD, der Linken und auch den Grünen – gelungen ist, ein starkes Zeichen der Solidarität mit den verfolgten Abgeordneten in der Türkei im Rahmen des Patenschaftsprogramms des Bundestages „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ auszusenden. Dieses Signal ist bei den Menschen in der Türkei angekommen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Schlussfolgerung der Bundesregierung aus diesen Anschlägen von Istanbul ist meiner Meinung nach allerdings verheerend; denn obwohl der türkische Präsident öffentlich auf Vergeltung, auf Rache sinnt und in Reaktion auf die Anschläge nicht etwa die Täter, sondern friedliche Politiker einsperren lässt, hat die Bundesregierung dem Staatspräsidenten Erdogan bei seinem Antiterrorkampf Hilfe zugesagt. Damit aber gießt die Bundesregierung nur noch mehr Öl ins Feuer.

Ich bitte Sie, wirklich einmal darüber nachzudenken. Von dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan sagt die Bundesregierung, dass sich in seiner Regierungszeit die Türkei zu einem sicheren Hafen für den islamistischen Terrorismus entwickelt hat und diese zu einer zentralen Aktionsplattform für den ganzen Nahen und Mittleren Osten geworden ist. Da müssen Sie doch einsehen: Mit Erdogan bekämpft man nicht den Terror; denn Erdogan befördert den Terror in der Region sowie in der Türkei.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich muss sagen: Die Bundesregierung sollte, statt sich als Terrorismusbekämpfungsunterstützer von Erdogan anzubieten, ernsthafte Initiativen ergreifen, um die Friedensverhandlungen in der Türkei in Sachen Kurdenkonflikt wieder anzuschieben. Sie darf sich nicht der Logik der Gewalt unterordnen, die in der Türkei herrscht.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt keine militärische Lösung im Kurdenkonflikt. Es kann nur eine politische Lösung geben. Kein internationaler Konflikt ist bis jetzt mit Gewalt gelöst worden. Deshalb fordern wir von der Bundesregierung, ihrer Verantwortung nachzukommen und sich für Friedensverhandlungen starkzumachen und sich dafür einzusetzen, dass die Konfliktparteien in der Türkei in der Kurdenfrage endlich wieder an den Tisch zurückkehren.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wenn wir über die Schlussfolgerung aus den Anschlägen sprechen, muss es auch allgemein um die Frage gehen, was wir tun können, um solche Anschläge nicht weiter zu befördern. In der Tat, wenn wir uns anschauen, dass die Umsturzpolitik der NATO-Staaten, an der Seite von Golf-Diktaturen, eine ganze Region in Flammen hat aufgehen lassen, müssen wir uns fragen: Ist es nicht Zeit, diese Regime-Change-Politik zu beenden, die wirklich ein so fruchtbarer Nährboden für den Terrorismus vor Ort ist?

(Beifall bei der LINKEN)

Müssen wir uns nicht auch fragen, ob es richtig ist, immer mehr deutsche Waffen in den Nahen und Mittleren Osten zu liefern? Jeder, der Waffen in diese Region liefert, begeht schreckliche Verbrechen, und das gilt auch für Deutschland – bedauerlicherweise.

Ich muss in diesem Zusammenhang sagen: Wir möchten, dass in der Außenpolitik eine radikale Wende eingeleitet wird, bei der drei Dinge im Vordergrund stehen sollten: Stellen wir die Unterstützung von Despoten, Autokraten und Diktatoren ein! Beenden wir die verheerende Umsturzpolitik, die sogenannte Regime-Change-Politik! Hören wir endlich auf, die Konflikte dieser Welt mit deutschen Waffen zu befördern! – Deutsche Außenpolitik muss Friedenspolitik werden. Geschähe das, dann würde sich auch die Sicherheit der eigenen Bevölkerung und woanders erhöhen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)