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Sensibilisierung gegen Hasskriminalität nötig

Rede von Halina Wawzyniak,

Rede zur Änderung des Strafgesetzbuches im Bereich der sogenannten Hassdelikte

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir debattieren hier eine Änderung des Strafgesetzbuches, bei der es darum gehen soll, dass menschenverachtende Tatmotive als besondere Umstände in der Strafzumessung Anwendung finden sollen. Es geht um sog. Hassdelikte denen, da sind wir uns wohl alle einig, ein erhöhter Unrechtsgehalt inne wohnt.

Im Kern geht es darum rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele der Täter strafschärfend im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.

Wir verstehen die Motive, die hinter den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stehen, wir halten sie aber für den falschen Weg. Bereits jetzt – die Gesetzesentwürfe des Bundesrates und der SPD weisen explizit darauf hin und unter den Sachverständigen herrschte diesbezüglich Einigkeit- können hassgeleitete Motive der Täter strafverschärfend berücksichtigt werden. Es fehlt also nicht an einer Rechtsgrundlage. Es fehlt an einem dem erhöhten Unrechtsgehalt von Hasskriminalität angemessenen Umgang.

Wir sind nicht davon überzeugt, dass es hilfreich ist das StGB zu ändern um die Gerichte zu sensibilisieren und der Rechtsprechung einen Anhaltspunkt zu geben, wie es im Gesetzesentwurf des Bundesrates heißt. Wir glauben, dass das Problem viel früher anfängt. Bei den Behörden, bei den Straftaten aufnehmenden Polizeidienststellen und bei der Handhabung der öffentlichen Statistiken. Sie wissen genauso gut wie wir, dass die Opferberatungsstellen für Opfer rassistischer Gewalt stets höhere Zahlen aufweisen, als zum Beispiel die der polizeilichen Kriminalstatistik. Hieran kann der Gesetzesvorschlag nichts ändern sondern hier muss eine gesellschaftliche Sensibilisierung her.

Sensibilisierung mittels eine Änderung des StGB ist eine Scheinlösung. Natürlich weist diese Regelung Richterinnen und Richter noch einmal gesondert auf die Möglichkeit hin, die Motive der Tat bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Aber der Hinweis im Gesetz ändert noch lange nicht die Handhabung des Gesetzes.

Sensibilisierung setzt Aufklärung voraus und Prävention. Wir leben in einer Zeit, wo sich ein Untersuchungsausschuss mit einer ganzen Mordserie beschäftigen muss, weil offensichtlich niemand sich vorstellen konnte, dass Nazis ihre Art von Hasskriminalität derart ausleben. Wir leben in einer Zeit wo wir immer wieder mit Nachrichten überrascht werden, dass V-Leute des Verfassungsschutzes in Nazi-Aktivitäten verwickelt waren und sind, diese teilweise sogar gefördert haben.

Wir leben in einer Zeit wo der Innenminister ganz ungeniert fordern kann, Asylbwerber/innen die Leistungen zu kürzen – obwohl eine anderslautendes Urteil des BVerfG vorliegt. Auf dem Oranienplatz in Kreuzberg campen gerade Flüchtlinge und Asylbewerber/innen um unter anderem gegen die Residenzpflicht zu protestieren. Wenn wir anfangen, Flüchtlinge und Asylbewerber/innen nicht weiter zu diskriminieren dann schaffen wir Sensibilität.

Sensibilisierung schaffen wir, wenn wir Projekte die sich um Aufklärung und Prävention kümmern endlich einer Regelfinanzierung zuführen, statt ihnen alle drei oder vier Jahre aufzubürden neue Projektanträge zu schreiben. Sensibilisierung schaffen wir, wenn wir hier und überall sagen: Gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen.

Wenn wir das erreicht haben, dann werden Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aber auch Behörden und Polizistinnen und Polizisten von sich aus die Motive von Hasskriminalität bei der Strafzumessung und bei der Aufnahme von Straftaten berücksichtigen. Eine Gesetzesänderung brauchen wir dafür nicht.

Wir haben im Rechtsausschuss eine Anhörung zum Thema Hasskriminalität durchgeführt. Die Sachverständigen waren hinsichtlich einer Änderung des StGB unterschiedlicher Meinung. Ich will dennoch auch auf einen methodisches Problem der Gesetzentwürfe eingehen. Sie schaffen mit dem Begriff „menschenverachtende Bewegründe“ in Abgrenzung zu fremdenfeindlich und rassistisch eine Formulierung, die Spielraum für Ungenauigkeiten lässt. Wir sind uns sicherlich einig, auch Homophobie und Antisemitismus sind menschenverachtend, auch Straftaten gegen Obdachlose oder sozial benachteiligte Personen. Korrekt wäre es dann aber, genau das auch in den Gesetzesentwürfen aufzuschreiben.

Obwohl wir das hinter den Gesetzesentwürfen stehende Ansinnen teilen, können wir ihnen aus den genannten Gründen nicht zustimmen. Wir sollten aber alle gemeinsam dafür Sorge tragen, dass Hasskriminalität in diesem Land keine Chance hat.