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Schwarzer Tag für Asylrecht

Rede von Sevim Dagdelen,

Plenarrede von Sevim Dağdelen am 15.10.2015 im Deutschen Bundestag anlässlich der zweiten und dritten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin, weil Sie von „Fehlanreizen“ gesprochen haben, möchte ich hier eines doch einmal betonen: Die Menschenwürde ist kein Fehlanreiz. Auch Menschen, die nach Deutschland kommen und deren Asylantrag abgelehnt wird, haben ein Recht darauf, hier in Menschenwürde zu leben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das garantiert unser Grundgesetz. Der Schutz der Menschenwürde und des Grundgesetzes sollte eigentlich auch Ihnen wie uns allen hier oberste Verpflichtung sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Heute steht eine historische Abstimmung an. Nach dem Asylkompromiss im Jahr 1992 ist dies der gravierendste Angriff auf das Grundgesetz und auf das Recht auf Asyl. Es ist ein schwarzer Tag für das Asylrecht. Diesmal sind es leider nicht nur Union und SPD, die die Axt an die Restbestände dieses Grundrechtes legen, sondern es sind leider ‑ ich bedauere das aus tiefstem Herzen ‑ die grün mitregierten Länder Baden-Württemberg und Hessen. Ich finde, auch eine Enthaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist angesichts dieser massiven Eingriffe in die rechtsstaatlichen Garantien, in dieses Recht auf Asyl, ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sollten Sie sich noch einmal überlegen.

Dieser Gesetzentwurf atmet lediglich den Geist der Abwehr und der Abschreckung. Deshalb wird er nur dazu führen, dass Flüchtlinge schlechter gestellt werden. Er atmet auch den Geist der Abschottung. Wir Linke weisen ihn deshalb scharf zurück, weil wir der Auffassung sind, das Grundrecht auf Asyl und das Grundgesetz dürfen nicht zum Steinbruch der Abschottungspolitik werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie reden immer von Integration. Dabei bringen Sie hier ein Regelwerk auf den Weg, das Integration verhindert. Welchen integrationspolitischen Nutzen soll es denn haben, dass Menschen hier sechs Monate lang nicht arbeiten dürfen? Welchen integrationspolitischen Nutzen soll es denn haben, dass Menschen sechs Monate lang zwangskaserniert werden sollen? Und welchen integrationspolitischen Nutzen soll es haben, dass Menschen nur noch Sachleistungen bekommen? Sie wissen, dass es nicht zur Integration der Menschen führen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist auch Ihr Kalkül, meine Damen und Herren. Sie wollen diese Abschreckung, und Sie wollen diese Ausgrenzung und Schlechterstellung der Flüchtlinge. Das ist einfach schändlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen Integration statt Abschreckung und Ausgrenzung der Schutzsuchenden. Deshalb hat mein Kollege Korte richtig gesagt: Wir brauchen ein soziales Integrationsprogramm, mehr Lehrer, mehr öffentlichen Wohnungsbau, mehr Ärzte, mehr Krankenhäuser statt Entrechtung und Ausgrenzung von Flüchtlingen.

(Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Sehr lange drei Minuten!)

- Eines will ich noch erwähnen, weil meine Kollegin auch überzogen hat.

(Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Oder ist es nur so langer Atem?)

Vizepräsident Peter Hintze:

Die Zeit.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Angesichts der Bombardierung kurdischer Gebiete durch Erdogan und die AKP und angesichts dieses furchtbaren Bombenanschlags und der Verfolgungswelle in der Türkei, angesichts des Krieges gegen den eigenen Teil der Bevölkerung von Erdogan: Möchten Sie diesen Terrorunterstützer, der den IS und andere islamistische Terrormilizen bewaffnet ‑ das wissen Sie auch ‑, zum sicheren Herkunftsstaat erklären? Das ist doch wirklich schäbig, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Peter Hintze:

Die Zeit, Frau Kollegin.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Es ist schäbig und schändlich. Hören Sie damit auf! Bekämpfen Sie die Fluchtursachen und nicht die personifizierte Fluchtursache wie Erdogan!

(Beifall bei der LINKEN)