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Schautanz um das Staatsziel Kultur

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Heute waren als TOP 38 unser Antrag "Kultur gut stärken - Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankern" ( BT 17/10785(neu) ) und der Gesetzentwurf der SPD "Entwurf eines Gesetzes zur Aufnahme von Kultur und Sport in das Grundgesetz" ( BT 17/10644 ) auf der Tagesordnung vorgesehen - und wurden wieder abgesetzt.

Wegen der nicht mehr hinnehmbaren Verzögerungstaktik der Koalition hat die SPD, unterstützt von der Linken, den nun vorliegenden Bericht des federführenden Innenausschusses zum Beratungsverlauf angefordert. Dieser listet den Gang des Gesetzentwurfes der SPD und unseres Antrages durch die Ausschüsse Innen, Recht, Sport und Kultur und Medien auf und hält fest, das in drei Fällen noch kein Votum abgegeben ist - ohne Angabe von Gründen. Der Bericht gibt nun die Möglichkeit, sich hier im Parlament auch zu den inhaltlichen Punkten der beiden abgesetzten Anträge zu äußern.

Gerne hätte ich hier heute eine flammende Rede gehalten, etwa des Inhalts:

„Endlich hat das Parlament es geschafft! Das Staatsziel Kultur wird im Grundgesetz verankert – und der einfache Satz: „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ gilt nun für uns alle.

Die Fraktion DIE LINKE ist, während der Arbeit der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ für dieses Staatsziel eingetreten.

2009 hat sie hier im Hohen Haus mit der FDP für diese Aufnahme ins Grundgesetz gestimmt und rot – rot regierte Bundesländer haben sich für diese Aufgabe eingesetzt.

Wir haben einen Fraktionsbeschluss aus der letzten Legislatur, dass wir uns sowohl für das Staatsziel Kultur als auch für das Staatsziel Sport in jeweils gesonderten Initiativen einsetzen, ohne eine Vermengung beider Ziele in einem Formulierungsvorschlag. Insofern war es konsequent, dass wir jetzt zwei Anträge neben den Gesetzentwurf der SPD gelegt haben.

In unserem Antrag „Kultur gut stärken – Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankern“ (Dr. 17/10785 (neu) fordern wir eine Verankerung im Grundgesetz auf der Grundlage der Empfehlung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ und stellen darüber hinaus dar, welche weiteren Voraussetzungen nötig sind, um zu gewährleisten, dass dieses Staatsziel auch umgesetzt werden kann.

Wie schön wäre es, wie gesagt, wenn das Ziel heute endlich erreicht würde. Eine Kulturnation ist stolz auf ihre kulturelle Vielfalt – und bekennt sich dazu in ihrer Verfassung. So lautet im Kern auch unser heutiger Antrag.

Wie schön, wenn er heute eine Mehrheit finden würde. Aber wieder wird es nichts werden mit dem Staatsziel Kultur – und wir führen nur eine Art Schautanz hier auf. Um einen Kompromiss wird gerungen, den unglückseligen Mix von Kultur und Sport - und dieser wiederum hat keine Aussicht auf eine Mehrheit.

Ich persönlich begrüße das, denn ich halte diesen Kompromiss, für einen faulen Kompromiss. Die Mehrheit meiner Fraktion sieht das anders und begründet das, mit Bezug auf den Sport, folgendermaßen:

Aus linker Sicht ist die Forderung, Sport und Kultur im Grundgesetz zu verankern, alles andere als „Verfassungsakrobatik“, wie im Herbst 2012 die Süddeutsche Zeitung titelte. Es geht vielmehr darum, Ziele im Grundgesetz zu bestimmen und daraus Aufgaben abzuleiten. Weil wir die Bedeutung des Sports anerkennen, müssen wir auch dementsprechend handeln. Dort, im Grundrechtsteil vor allem, steht das, was für Bürger und Staat wichtig ist. Rechte, Pflichten und Ziele, die dort formuliert sind, haben außerordentliche Bedeutung, und werden, wenn es sein muss, vor dem Verfassungsgericht durchgesetzt. Deshalb wollen wir den Sport im Grundgesetz verankern.

Allerdings muss solch eine Verankerung aus Sicht der LINKEN gut unterfüttert werden – alles andere wäre ein bloßes Lippenbekenntnis: Deshalb haben wir zwei Anträge zum Thema Sportförderung zur Debatte gestellt. Die LINKE sagt: Es fehlt ein Sportfördergesetz des Bundes, in dem der Sport als Ganzes gesehen und behandelt wird. Und die LINKE sagt auch: Die althergebrachte Sportförderung ist inzwischen überholt und muss neu strukturiert werden

In der ersten Lesung des Gesetzentwurfes der SPD gab es den Vorwurf, unser Antrag zur Staatszielbestimmung wäre zu allgemein. Mit dem Antrag, den wir anschließend ohne Debatte in die Beratung gegeben haben, sind die Anliegen zu Änderungen in der Sportförderung genauer beschrieben. Deshalb hoffen wir auf breite Zustimmung.

In der ersten Lesung äußerten zudem verschiedene Rednerinnen und Redner Unmut darüber, dass die SPD ihren Gesetzentwurf ohne vorherige Absprache aus dem Hut gezaubert habe. Wir hatten jetzt mehr als ein halbes Jahr Zeit, uns zu den Inhalten zu verständigen, an einem gemeinsamen Text zu arbeiten. Passiert ist – zumindest im Sportausschuss – seither nicht viel. Gestern nahm sich der Sportausschuss eine knappe halbe Stunde Zeit.

Dabei ist diese Debatte dringend notwendig. Es darf nicht sein, dass sich der Bund weiterhin der Verantwortung für den Breiten- und den Schulsport entzieht. Die Schwachstellen sind nicht zu übersehen und lassen sich nicht mit dem Verweis auf Zuständigkeiten beheben. Wie oft verwenden wir Zeit darauf, zu sagen, wofür wir alles nicht zuständig sind? Wir sollten uns endlich in die Pflicht nehmen lassen.

Da geht es zum einen darum, dass unzählige Sportstätten in alten und neuen Bundesländern unbedingt saniert werden müssen. 66 Prozent dieser Anlagen sind in kommunaler Hand. Nur haben viele Kommunen kein Geld für solche Aufgaben, weil der Bund ihnen immer mehr Pflichten zugeschoben hat, ohne eine entsprechende Mittelvergabe zu gewährleisten. Deshalb kann oft genug auch die Barrierefreiheit nicht geboten werden, die aber zwingend hergestellt werden muss, damit auch Menschen mit Behinderung am Sport teilhaben können. Lassen Sie uns doch einfach mal über den Tellerrand schauen:

Warum kann die Politik in Österreich etwas und die Politik in Berlin sagt einfach „geht nicht“? Im österreichischen Bundes-Sportförderungsgesetz steht unter Paragraph 1, Absatz 3, Punkt 5: „Maßnahmen zur Umsetzung eines österreichweiten Sportstättenentwicklungsplanes unter den Gesichtspunkten der Schaffung von vielfältig und nachhaltig nutzbaren Spiel- und Sport- und Bewegungsräumen“ sind besonders zu fördern. Unsere Nachbarn gehen sogar noch einen Schritt weiter, wenn sie im Gesetz unter dem selben Paragraphen Absatz 4 festschreiben, dass „Die Erhaltung von Sportstätten […] neben der sportgerechten Instandhaltung der Anlage erforderlichenfalls die Beistellung von Sportlehrern und Trainern sowie von Sportärzten“ umfasse.

In der Unterstützung des Breitensports haben wir in Europa derzeit definitiv keine Spitzenposition. Also lassen sie uns eine Aufholjagd starten und guten Beispielen nacheifern.

Ein weiterer wichtiger Aspekt für unsere Anträge ist die Situation im Schulsport. Im Sportausschuss fordern wir einmütig, den Beschluss der Kultusministerkonferenz endlich umzusetzen, der eine dritte Sportstunde einführt. Aber was passiert? Nicht viel. Was spricht denn dagegen, dass der Bund ein Programm auflegt, das den Ländern ermöglicht, diese dritte Sportstunde tatsächlich durchzuführen? Immer wieder belegen Studien, dass mehr Schulsport die Lernbereitschaft und die Ausgeglichenheit der Kinder fördert. Nicht vergessen werden darf dabei der gesundheitliche Aspekt. Der Bund muss jährlich Milliarden ausgeben, um für die Folgen von Fettsucht und Bewegungsarmut aufzukommen. Lohnt sich das? Sollten wir diese Gelder nicht lieber präventiv einsetzen? Auch da können wir übrigens von Österreich lernen. Schauen Sie sich mal die Kampagne „Kinder gesund bewegen“ des Sportministeriums an. Das funktioniert auch bei uns, da können Sie sicher sein.

Dieses Programm hat noch einen entscheidenden Vorteil: Nicht der Geldbeutel der Eltern entscheidet über die Teilnahme der Kinder an Sportangeboten. In Deutschland gilt diese finanzielle Hürde leider weiterhin für Bildung wie für den Sport. Daran hat bisher auch das Bildungs- und Teilhabepaket wenig geändert.

In einem Sportfördergesetz möchte DIE LINKE noch weitere Richtschnüre festzurren, Grauzonen bei Übergängen von Zuständigkeiten beseitigen und vor allem Planungssicherheit für den Sport schaffen. Der Vorwurf, dass wir das föderale Prinzip aushebeln wollten, verfängt daher überhaupt nicht. Wir wollen, dass der Sport in der Bundesrepublik von der einfachen Basisarbeit im Verein bis hin zur Spitzensportförderung strukturiert wird. Deshalb haben wir den Antrag, den Sport als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern und ein Sportfördergesetz des Bundes aufzulegen, vorgelegt und unsere Vorschläge im Antrag „Sportförderung neu denken“ noch einmal präzisiert.

Denn so wie es jetzt ist funktioniert die Sportförderung nicht mehr, das haben die Debatten im Rahmen der Olympischen und Paralympischen Spiele in London offenbart. Die LINKE will deshalb neue Wege gehen.

Trotzdem bitte ich vor allem um Zustimmung zu unserem Antrag „Kultur gut stärken – Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankern“.

Dem SPD-Antrag stimmt die Linksfraktion ebenfalls mehrheitlich zu.