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Schärfe Grenzwerte bei Müllverbrennung gefordert

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Rede zur BT-Plenarsitzung am 16. Oktober 2008 - Tagesordnungspunkt 29. - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - zu der Verordnung der Bundesregierung zur Vereinfachung des Deponierechts

- zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grenzwerte bei Müllverbrennungsanlagen dem technischen Fortschritt anpassen und deutlich absenken - Drucksachen 16/10330, 16/10398 Nr. 2,16/5775, 16/10602 -

(zu Protokoll)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

das zentrale Element des Verordnungsentwurfs ist die Integration der Deponieverwertungsverordnung und der Abfallablagerungsverordnung in die Deponieverordnung. Wir begrüßen diese Zusammenführung. Das vereinfacht sicher das Verständnis der Materie und den praktischen Umgang in der Sache, gerade das Abfallrecht ist ja äußerst kompliziert.

Zu prüfen wäre nun, ob bei der Vereinfachung des Deponie-Regelwerkes Umweltstandards gesenkt bzw. Beteiligungs- und Informationsrechte unzulässig eingeschränkt werden. Dies können wir noch nicht abschließend beurteilen. Darum enthalten wir uns bei der Abstimmung.

Der Antrag der Grünen fordert niedrigere Grenzwerte für Müllverbrennungsanlagen. Diese Grenzwerte sind - obwohl sich die Technik rasant weiterentwickelt hat und moderne Anlagen nur ein Bruchteil der geltenden Grenzwerte emittieren - seit Jahren unverändert. Momentan drohen Anlagen sogar wieder auf den Emissionsstand der 80er-Jahre zurückzufallen. Denn viele haben ihre Kapazitäten schrittweise erheblich ausgeweitet, ohne entsprechende Filter nachzurüsten. Zudem werden neue Anlagen gebaut, die von vornherein einen höheren Schadstoffausstoß haben.

Obwohl hier die Problematik der so genannten Ersatzbrennstoffkraftwerke (EBS-Kraftwerke) im Antrag nicht explizit angesprochen wird, geht es wohl dabei vor allem um diese. Es sind Müllverbrennungsanlagen, die Strom, und zum Teil auch Wärme produzieren. Sie werden im Unterschied zu klassischen Müllverbrennungsanlagen mit dem Ziel gebaut, Energie zu liefern. Dabei stört aber jeder Filter. Denn dieser senkt den Wirkungsgrad.

Die Änderung der 17. BImSchV, wie sie die Grünen vorschlagen, würde also auch sie betreffen. Die Betreiber könnten nicht mehr bis „Oberkante Unterlippe“ an die heutigen Grenzwerte fahren, um Filter einzusparen und somit den Wirkungsgrad des Kraftwerksteils zu erhöhen. Das unterstützen wir. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Kritik an EBS-Kraftwerken nicht nur von der Linken kommt. Auch das Umweltbundesamt sieht dies ähnlich. So hat der UBA-Abfallexperte Markus Gleis in der Süddeutschen Zeitung erklärt, in klassischen Müllverbrennungsanlagen lägen die Dioxinemissionen am Rande der Nachweisgrenze. Sehr niedrige Werte würden auch für Quecksilber, Arsen und Kadmium gelten. Ferner seien die deutschen Grenzwerte für Schadstoffe in der Abluft die strengsten weltweit und würden dennoch meist um 80 Prozent unterschritten. Aufwendige Filtermethoden entfernten alles aus dem Rauchgas, was technisch möglich sei. Die neuen Ersatzbrennstoffkraftwerke hingegen nutzten die gesetzlichen Grenzwerte viel stärker aus als die klassischen Müllverbrennungsanlagen. Der Grund: minderwertige Filter für diese Anlagen. So würden die Grenzwerte für Schadstoffe deutlich geringer als bisher unterschritten. Aber genau dies rechnet sich.

Michael Braungart von der Uni Lüneburg hat ermittelt, dass die Verbrennung einer Tonne Müll in den besten Anlagen Kosten von bis zu 400 Euro verursacht, bei vielen Ersatzbrennstoffkraftwerken hingegen nur 50 Euro. Braungart wortwörtlich: „Viele Emissionswerte sind um ein Mehrfaches höher als bei den bestehenden Anlagen, die Profite dafür umso größer“.

Ich frage mich nun, was macht eigentlich die Bundesregierung? Sie sollte die Augen aufmachen und auch berücksichtigen, dass der Boom bei der Planung und beim Bau sogenannter Ersatzbrennstoffkraftwerke unzählige Bürgerinitiativen auf den Plan gerufen hat. Industrieunternehmen wie Holzverarbeitungs- und Papierverarbeitungsbetriebe bauen Heizkraftwerke, die angeblich mit eigenen Produktionsabfällen beschickt werden sollen. Doch die meisten dieser Anlagen sind vollkommen überdimensioniert. Sie werden nicht im Entferntesten mit eigenen Abfällen gefüttert werden können. In Brandenburg etwa sind Anlagen in Betrieb, im Bau oder in Planung mit einer Gesamtkapazität von drei Millionen Jahrestonnen. Das ist das Sechsfache dessen, was tatsächlich an Ersatzbrennstoffen im Land anfällt. Hier steht ein gigantischer Mülltourismus bevor, nicht nur in Brandenburg. Und die jüngst liberalisierte EU-Abfallrahmenrichtlinie wird diesen Mülltourismus noch erleichtern.

Vielleicht kann die Senkung der Emissionsgrenzwerte hier dämpfend wirken, deshalb stimmen wir dem Antrag der Grünen zu. Für eine grundlegende Lösung bedarf es aber unserer Meinung nach einer koordinierten Planung von EBS-Kapazitäten. Leider lehnt die Bundesregierung so etwas oder entsprechende Bedarfsnachweise grundsätzlich ab. Sie setzt hier allein auf den Markt. Auch hier werden dies die Bürgerinnen und Bürger zu bezahlen haben. Diesmal mit ihrer Gesundheit.