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Sanktionspolitik gefährdet die Energiewende!

Rede von Klaus Ernst,

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien ist nicht nur ein Gebot der Stunde; denn das war er eigentlich auch schon vorher. Deshalb unterstützen wir natürlich voll die Richtung, in die es jetzt geht.

Mich freut es auch, dass jetzt auch die Union voll mitmacht. Herr Jung, das war ja nicht immer so. Im letzten Jahr habe ich den Eindruck gehabt: Sie standen da eher ein bisschen auf der Bremse; das hat auch Ihr damaliger Koalitionspartner oft bemängelt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Timon Gremmels [SPD]: So ist es!)

Wenn wir jetzt eine neue Dynamik haben, dann ist es gut und richtig.

Die Ziele sind sehr ambitioniert: Windenergie in 8,5 Jahren verdoppeln, dreieinhalbmal so viele Photovoltaikanlagen, mehr als viermal so viel Windenergie auf See, wenn ich es richtig verstanden habe. Ich glaube, wir müssen auch darüber reden, was alles passiert, wenn wir das vielleicht nicht erreichen, und dann über die Schranken reden, die wir versuchen müssen zu beseitigen, dass wir dieses Ziel auch erreichen; denn bis jetzt steht es ja nur auf dem Papier. Bis jetzt ist noch nichts passiert. Das heißt: Bis jetzt haben wir noch genau dieselben Abhängigkeiten wie vorher, und die wollen wir ja ändern.

Ich sage Ihnen eins, was dem entgegensteht, was Sie vorhaben. Das ist die Frage „Wie entwickeln sich eigentlich die Preise?“, weil alles, was Sie vorschlagen, ein Höchstmaß an Investitionen erfordert, auch der Privaten. Und wenn ich dann den Privaten zuhöre – wir hatten am Montag eine Anhörung bei uns im Ausschuss für Klimaschutz und Energie –, dann stelle ich fest, dass zum Beispiel die Glasindustrie sagt, dass allein durch die Preissteigerung bei Energie, die wir zurzeit haben, ein sinnvoller Betrieb von Glashütten in der Bundesrepublik kaum noch möglich ist.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ach! Da brauchen wir keine Anhörung, um das zu wissen!)

Wir hatten da einen, der hat sogar überlegt, seine künftigen Investitionen in den USA zu tätigen und nicht mehr bei uns.

Wir haben gleichzeitig hohe Preissteigerungen bei den Investitionen, die wir brauchen, um das, was wir mit erneuerbaren Energien erreichen wollen, auch umsetzen zu können. Da sage ich: Da müssen wir schon darüber nachdenken, ob das, was wir da momentan machen, auch hinsichtlich der Sanktionen, Herr Habeck, wirklich zielführend ist.

Wenn wir den Russen dauernd sagen – wir sind ja die, die das sagen; denn bis jetzt liefern die Russen an uns jedenfalls zuverlässig, bis jetzt! –: „Wir nehmen euch euren Kram nicht mehr ab“, dann ist natürlich auch irgendwann zu überlegen: Was machen dann eigentlich die anderen? Also beim Schach habe ich gelernt: Wenn ich einen Zug mache, muss ich, bevor ich den mache, überlegen: Was macht der andere? Was kommt jetzt? Wie kann der reagieren?

Selbstverständlich hätten wir, wie wir jetzt wissen, ein Riesenproblem, wenn das eintritt, was Sie am Anfang Ihrer Rede dargestellt haben, also wenn wir tatsächlich aufgrund dessen, wie die Russen jetzt reagieren, einen Energieversorgungsstopp bei Gas hätten. Also wäre es doch jetzt auch Ihre Aufgabe als Bundesregierung, zu gucken: „Wie können wir das verhindern?“, nicht nur zu fragen: „Wie können wir weiter unsererseits mit Sanktionen drohen?“, sondern auch: „Können wir das verhindern?“ Denn ich habe den Eindruck: Wenn wir so weitermachen, gefährden wir mit unserer Politik auf dieser Seite die Energiepolitik, die wir wollen, auf der anderen Seite, und dann haben wir mit Zitronen gehandelt. Dann haben wir nichts erreicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe den Eindruck: Das ist noch nicht so richtig klar.

Nehmen wir die Raffinerie in Schwedt. Ich war dort, und Sie waren auch dort. Ich war vorher dort.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

– Es war halt so; ich konnte es nicht verhindern.

(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn ich mit den Leuten spreche, sagen sie: Ja, wir haben da ein Riesenproblem, weil die Logistik für Alternativen, damit wir die Ölversorgung weiterbetreiben können, überhaupt noch nicht gegeben ist. Wenn ich dann die Vorschläge nachrechne, die es gibt, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass es keineswegs so ist, dass die Raffinerie in irgendeiner Weise gesichert ist.

Also, ich bitte Sie einfach, darüber nachzudenken, dass, wenn man die Ziele umsetzen will, die Sie hier vortragen – und die sind ja gut und richtig; die unterstützen wir auch gerne –, wir dann auch alles dafür tun müssen, dass es auch klappt. Und klappen tut es nicht, wenn man durch die Maßnahmen, die wir sonst ergreifen, zu einer Preisentwicklung beitragen, die nicht nur die Bürger in einer unerträglichen Weise belastet, sondern auch die Unternehmen, weil sie die Investitionen, die sie für neue Energien brauchen, nicht haben. Und deshalb überlegen Sie bitte, ob das alles richtig ist, was Sie tun. Ansonsten sind Ihre ambitionierten Ziele, die wir nachdrücklich unterstützen, eigentlich für die Tonne.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)