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Saludos Amigos!

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Die Blockierer in Sachen Klimapolitik befinden sich nicht nur in der SPD, sondern auch im Unions-Lager, kritisiert Eva Bulling-Schröter. Die CDU/CSU bremst den Ausbau der Erneuerbaren, verteidigt die fossilen Energieriesen und begrüßt auch den neuen Energiekommissar, einen Öl-Lobbyisten. So lange die Lobbyarbeit siegt, wird das Klima verlieren.

Rede am 09.10.2014 zum Tagesordnungspunkt 5 – Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Ein Scheitern der nationalen Klimapolitik abwenden und international an Glaubwürdigkeit zurückgewinnen“

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahrzehnten warnen Bürgerinnen und Bürger, Wissenschaftler, Umweltpolitikerinnen und ‑politiker vor den Folgen des Klimawandels, seit Jahrzehnten trifft sich die Staatenwelt zu Klimakonferenzen, und seit Jahren machen sich nach Megaevents wie dem jüngsten Ban-Ki-moon-Klimagipfel in New York Enttäuschung und Frustration breit.

(Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): So ist es!)

Die Bilanz für das Klima ist heute weder nachhaltig noch wirtschaftlich vernünftig. Die Hälfte aller klimaschädlichen Emissionen seit Beginn der Industrialisierung wurde in den letzten 25 Jahren ausgestoßen. Nie war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre so hoch wie heute - Tendenz steigend.

Auch in Deutschland klafft eine Klimaschutzlücke. Heute befasst sich der Bundestag erneut mit der Forderung, das offensichtliche Scheitern der Klimapolitik noch abzuwenden. Die Linke unterstützt natürlich den Antrag der Grünen; das ist für uns keine Frage.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die vielleicht wichtigste Forderung, ein nationales Klimaschutzgesetz mit verbindlichen CO2-Reduktionszielen zu schaffen, ist absolut richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir an dieser Stelle, Ihr Kurzzeitgedächtnis aufzufrischen. Verbindliche Reduktionsziele hat die SPD in der letzten Legislatur selbst in einen Antrag geschrieben. Jetzt frage ich Sie von der SPD: Warum holen Sie den Antrag nicht einfach wieder aus der Programmkiste?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Oder sitzt da vielleicht der Herr Wirtschaftsminister Gabriel drauf?

Dieses Zitat will ich Ihnen nicht vorenthalten:

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, werden wir ein verbindliches nationales Klimaschutzgesetz mit Zwischenschritten ... erarbeiten.

Geht doch eigentlich, oder? Das haben Sie Ihren Wählerinnen und Wählern versprochen - vor einem Jahr im Regierungsprogramm, vor der Bundestagswahl. Heute sind Sie an der Regierung. Jetzt frage ich Sie: War das bloß Wahlkampfluft? Also: Tut was!

Der europäische Emissionshandel - wie im Antrag formuliert, immerhin das zentrale Instrument der EU-Klimaschutzpolitik - muss endlich auf die Beine kommen. Aber der Praxistest ist eine Katastrophe, die Lenkungswirkung absolut schwach. Von Anfang an haben wir gewarnt, es sei blauäugig oder grob fahrlässig, Stahl- und Chemiekonzernen, Bankdirektoren und Börsianern den Klimaschutz zu überlassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider haben wir recht behalten; wir haben nicht immer recht. Jetzt frage ich Sie:  Warum sollte ausgerechnet der Markt, der allein dem Gesetz von Wachstum und Profit folgt, die Erderwärmung aufhalten? Warum? Stattdessen haben zehn Firmen wie ThyssenKrupp und BASF allein mit überschüssigen Klimazertifikaten bis 2010 über 780 Millionen Euro verdient. Statt CO2 einzusparen, wird der Emissionshandel zum Goldesel für Aktieninhaber.

Verbindliche Reduktionsziele braucht die Wirtschaft; schließlich sind rund 90 Global Players für zwei Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. 90 Global Players! Wir finden, diese Unternehmen müssen ihrer Verantwortung endlich gerecht werden. Das müssen wir von ihnen einfordern.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Natürlich sind auch die Forderungen nach einem Ausstieg aus der Kohleverstromung richtig. Dass diese CO2-Schleudern in Form von Kraftwerken großen Schaden anrichten, nicht nur beim Klima, auch am Menschen, ist bekannt. Leider fehlt dem Antrag der Grünen ein konkretes Ausstiegsdatum. Es wäre sinnvoll gewesen, ein solches Datum zu benennen. Wir wollen den Kohleausstieg und Strommengenbegrenzungen für Kohlekraftwerke, damit 2040 Kohleschlote Geschichte sind. Ich finde, das ist ein guter Plan.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Schweden machen es vor, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Jetzt wird gern mit dem Finger auf die Kohlefans bei der SPD gezeigt. Das ist auch richtig. Das, was mich ärgert, ist, in der öffentlichen Wahrnehmung kommt die Union viel zu gut weg.

(Zuruf des Abg. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU))

Um es hier einmal ganz deutlich zu sagen: Die Bundeskanzlerin ist keine Klimakanzlerin, die Union ist eine Partei des Klimawandels.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie will mehr Braun- und Steinkohle ‑ sei es aus Russland, der Mongolei, dem Bürgerkriegsland Kolumbien ‑

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Und Brandenburg!)

oder Teersande aus Kanada. Sie bremst den Ausbau der Erneuerbaren, sie verteidigt die fossilen Energieriesen.

(Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): So ist es! - Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Und Brandenburg!)

Die Union hat das Klimaschutzversprechen der SPD aus dem Koalitionsvertrag geboxt. Das wart ihr. In Brüssel sperrt sie sich gegen alles, was der Automobilindustrie schärfere Abgasnormen beschert.

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Jawohl, gut!)

Da seid’s ihr immer voran.

Der Kanzlerin hatten wir den alten EU-Energiekommissar Günther Oettinger, einen Klimabremser vor dem Herrn, zu verdanken. Auch mit dem neuen EU-Kommissar für Energie und Klima, Miguel Cañete, der nicht nur im spanischen Ölgeschäft mitmischt, sondern auch noch frauenfeindliche Sprüche klopft, hat das Regierungslager kein Problem. Damit habt’s ihr kein Problem. Im Gegenteil: Der Chef der CDU/CSU-Gruppe in Brüssel, Herbert Reul, lobt die Wahl des Öllobbyisten als klug. Endlich seien Energie und Klima in einer Hand.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

Also die Lobby schlägt da ganz schwer zu. Saludos Amigos!

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Und in Berlin kürzt die Union ‑ einmal mit der FDP, jetzt mit der SPD ‑ bei der nationalen und internationalen Klimaschutzfinanzierung. Im Gegenzug entgehen dem Fiskus durch Steuervergünstigungen für Agrodiesel, kostenfreie CO2-Zertifikate an Unternehmen und Industrierabatte bei der Ökostromumlage Milliarden. 2006 lagen umwelt- und klimaschädliche Subventionen noch bei 42 Milliarden Euro pro Jahr. Heute sind es 51 Milliarden Euro. Die schwarze Null im Haushalt, auf die das Finanzministerium so stolz ist, ist ökologisch blanker Unsinn. Dass die Schuldenbremse nicht zum Brandbeschleuniger des Klimawandels werden darf, das müsste doch eigentlich jedem einleuchten, meine Damen und Herren.

Jetzt noch zum Schluss, Herr Nüßlein, als Vertreter der Kolbenfresserpartei:

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Oh, oh!)

Sie wollen, dass Deutschland Vorbild ist. Es gibt hierfür Alternativen: Energieeffizienz, Kraft-Wärme-Kopplung. Dazu gab es gestern einen Kongress. Es gibt viele Dinge. Packen Sie es jetzt endlich einmal an, auch das mit der Energieeffizienz! Dann wird es auch mit den Kolben besser.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)