Zum Hauptinhalt springen

Sachalin II

Rede von Hüseyin Aydin,

Rede von Hüseyin Aydin zum Antrag der Grünen „Schaden von der Reputation der Osteuropabank abwenden - Das Öl- und Gasprojekt Sachalin II als Lackmustest für die Einhaltung internationaler Umwelt- und Sozialstandards“ (DS 16/1668)

Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sachalin II ist eines der größten Öl- und Gasförderprojekte der Welt. Das haben meine Vorredner bereits erwähnt. Am Anfang des Jahres verkündete das Konsortium Sakhalin Energy, dass sich die Umsetzung des Projektes in die Länge ziehen würde. Die Kosten würden von 12 Milliarden auf 20 Milliarden US-Dollar steigen. Nun soll die Osteuropabank einspringen und Kredite in Höhe von bis zu 400 Millionen Euro gewähren.
Wir fordern die Bundesregierung auf - und da sind wir uns mit den Antragstellern einig -: Lehnen Sie diesen Kreditantrag im Direktorium der Bank ab!
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Das Projekt hat bereits vor seiner Fertigstellung die Anivabucht auf der Insel Sachalin buchstäblich verseucht. Die Pipeline quer über die Insel hat ebenfalls schwere Umweltschäden verursacht. Sie wurde unter Verstoß gegen russische und auch internationale Umwelt- und Sozialnormen verlegt. Das Betreiberkonsortium hat es nicht einmal für nötig erachtet, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzulegen. Durch eine Zustimmung zur Kreditvergabe würde sich die Bundesregierung direkt mitschuldig machen,
(Beifall bei der LINKEN)
mitschuldig an der kriminellen Umweltzerstörung in einer der verbliebenen urwüchsigen Naturlandschaften der Welt.
Hauptaktionär des Projektes „Sachalin II“ ist der Energiekonzern Shell. Der Konzern gebärdet sich wie ein Wiederholungstäter. In der Anivabucht vor Sachalin wiederholt sich eine Umweltkatastrophe, wie wir sie bereits aus dem Nigerdelta kennen. Auch dort vergiftet die Ölförderung unter Verantwortung von Shell die Lebensgrundlagen von Mensch und Natur.
Nun traf sich der Shell-Vorstand am vergangenen Wochenende mit dem russischen Minister für Bodenschätze, Juri Trutnev. Nach dem Treffen erklärte nicht nur Shell vor der Presse, alle Umweltprobleme seien beseitigt; nein, auch Herr Trutnev schlug plötzlich versöhnliche Töne an. Es hieß, der von der russischen Regierung erwogene Stopp von Sachalin II sei hinfällig, wenn Shell einen neuen Plan vorlege.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Ein neues Papier wird die Vernichtung der unschätzbaren Natur auf Sachalin nicht rückgängig machen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich die russische Regierung mit dem Shell-Vorstand weniger über Grauwale und Wiederaufforstung als vielmehr über die Konditionen bei der Ausbeutung des Öl- und Gasfeldes unterhalten hat.
(Dr. Karl Addicks [FDP]: So ist es!)
Eine bloße Neuverteilung der zu erwartenden Gewinne aus der Ölförderung zwischen Staat und Konsortium kann kein Kriterium für eine positive Neubewertung des Projekts sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich bin mir sicher, dass Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, das genauso sehen. Warum wollen Sie diesem Antrag dann aber nicht zustimmen?
Die deutsche Öffentlichkeit hat noch gut in Erinnerung, wie Gerhard Schröder direkt aus dem Kanzleramt in den Aufsichtsrat des Betreiberkonsortiums für die Ostseepipeline wechselte.
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Reden Sie mal mit Ihren Genossen in Russland!)
Wie weit wollen Sie, liebe SPD-Kolleginnen und Kollegen, diesen Weg der unkritischen Begleitung der russischen Regierungspolitik noch mitgehen? Man mag ja kaum seinen Ohren trauen, wenn Altkanzler Schröder den russischen Präsidenten Putin dafür lobt, dass er Russland - ich zitiere - „auf den demokratischen Weg führt“. Das war am 6. Oktober. Einen Tag später wurde in diesem Land die kremlkritische Journalistin Anna Politkowskaja erschossen,
(Mechthild Rawert [SPD]: Das sind aber Zusammenhänge, die unlauter sind!)
jene Journalistin, die von Putin im Fernsehen unverblümt als Feindin des Volkes bezeichnet wurde. Ein Zufall?
Die Regierungsparteien ziehen sich darauf zurück, dass bereits ein Antrag zum Schutz der Grauwale vor der Insel verabschiedet worden sei. Ich frage mich: Warum spricht das gegen den vorliegenden Antrag?
(Gabriele Groneberg [SPD]: Weil das bereits erledigt ist!)
Hier geht es um die Kreditvergabepolitik der Osteuropabank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, schauen Sie bitte auf Ihre Redezeit.
Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE):
Ich komme zum Schluss. - Jetzt, wo ein Antrag eine konkrete Bedeutung zum Schutz der Natur vor der russischen Ostküste hat, ziehen Sie sich feige zurück. Ich glaube, hier sollten Sie Mut aufbringen und dem Antrag zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)