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Sabine Zimmermann: Kinderarmut endlich den Kampf ansagen

Rede von Sabine Zimmermann,

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weihnachten steht vor der Tür. Wir freuen uns auf Weihnachten, auf die Tage im Kreise unserer Kinder und Enkelkinder. Wir erfreuen uns an ihren glänzenden Augen, wenn sie die Geschenke auspacken.

Für mehr als 2 Millionen Kinder gilt das nicht. Sie leben in Armut und spüren besonders an Weihnachten, was Armut bedeutet. Geschenke, so es sie überhaupt gibt, fallen bescheiden aus. Für die Einladung der Großeltern reicht das Geld nicht, und zu oft wird sogar auf den Weihnachtsbaum verzichtet. Im Regelsatz sind solche Kosten nicht vorgesehen.

Wie fühlen sich wohl Eltern, die Jahr für Jahr erklären, dass es nur ein ganz kleines Geschenk geben wird, weil sie kein Geld haben? Glück haben da die Kinder, die von den Tafeln einen Schokoladenweihnachtsmann bekommen. Aber auch da reicht es längst nicht mehr für alle Kinder; denn sie sind auch bei den Tafeln Mangelware. Kinderarmut ist und bleibt der größte Skandal in diesem eigentlich so reichen Land, und das nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern im ganzen Jahr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Tafeln leisten Großes. Sie unterstützen regelmäßig über 1,5 Millionen Menschen, darunter 500 000 Kinder und Jugendliche. An dieser Stelle möchte ich allen freiwilligen Helferinnen und Helfern Dank sagen, die die Menschen mit Trost und dem Allernötigsten versorgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eigentlich wäre es die Aufgabe der Politik, diese Zustände zu beenden, und zwar so schnell wie möglich. Wie kann es sein, dass Sie zuschauen, wie in einem der reichsten Länder Hunderttausende Menschen von Lebensmittelspenden abhängig sind? Ich bin empört darüber, dass Sie uns Jahr für Jahr an dieser Stelle das Gleiche sagen und nichts ändern. Im Gegenteil: Die Armut nimmt weiter zu in unserem Land.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist falsch!)

Ursache, meine Damen und Herren, ist Ihre Verarmungspolitik der letzten Jahre, die auch immer mehr Kinder in diesen Armutsstrudel reißt. Das ist der eigentliche Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Und kommen Sie nicht wieder damit, dass wir nur über Einzelfälle reden. Jedes siebte Kind lebt in Deutschland von Hartz IV. Spätestens seit Hartz IV weiß doch jeder in diesem Land, dass die Spaltung zwischen Arm und Reich zunimmt.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Seit 2014 nimmt die Zahl deutlich ab! – Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Lesen Sie, was die OECD dazu sagt!)

Und was mich daran besonders entsetzt, ist, dass die Sozialdemokraten alles wissen, aber nichts verändern. Machen Sie endlich Ihren Fehler von damals rückgängig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin viel unterwegs bei den Tafeln. Wenn ich sehe, wie die Mütter mit ihren Kindern in der Schlange stehen, dann kommen mir vor Wut die Tränen. Die Leute fragen mich: Wie soll die Zukunft meiner Kinder aussehen? Warum muss ich hier stehen, obwohl ich zwei Jobs habe? – Trotz der zwei Jobs reicht es oftmals nicht.

Darauf gibt es nur eine Antwort: Alle Kinder brauchen eine faire Zukunftsperspektive.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen müssen von ihrer Arbeit leben und ihre Familien ernähren können. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen.

Erstens. Die Bundesregierung muss dringend ein Konzept gegen Kinder- und Jugendarmut vorlegen.

Zweitens. Die sozialen Leistungen müssen Armut verhindern und Teilhabe ermöglichen.

Drittens. Die Regelsätze für Kinder müssen erhöht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Viertens. Eine Kindergrundsicherung muss eingeführt werden.

Die prekäre Beschäftigung wie Leiharbeit, Teilzeit und Minijobs muss zurückgedrängt werden, und der Mindestlohn muss rauf auf 12 Euro;

(Beifall bei der LINKEN)

denn die Armut der Kinder beruht immer auf der Armut der Eltern. Dem Befristungsirrsinn muss endlich Einhalt geboten werden.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Und die Unternehmer möglichst enteignen, oder?)

Gerade für junge Familien ist diese Ungewissheit zermürbend. Sachgrundlose Befristungen müssen abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mann, mann! Sozialistische Mottenkiste!)

Das sind die Lösungen, die greifen würden und die wir auch brauchen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Kinderarmut muss endlich der Vergangenheit angehören.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Leider ist das aber nicht der Fall. Wenn die Kanzlerin hier an diesem Pult sagt: „Den Menschen in Deutschland ging es noch nie so gut“,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann hat sie recht!)

dann ist das angesichts der 2 Millionen Kinder in Armut zynisch.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Die Armut ist da. Sie kann sich nicht verstecken; Sie können sie auch nicht wegdiskutieren.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hören Sie mal mit Ihrem sozialistischen Erfolgsprogramm für die Wirtschaft auf! – Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entspannen Sie sich mal! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn Sie dazwischenrufen, darf ich das auch! Entspannen Sie sich mal!)

Sie schauen aber einfach nur weg; Sie wollen sie nicht sehen. Wer so redet wie die Kanzlerin, der ist unfähig, die Lage dieser Kinder zu verbessern.

(Beifall bei der LINKEN)

Soziale Gerechtigkeit wird nur mit einer starken Linken erreicht. Wir brauchen einen starken Sozialstaat, auf den sich die Menschen in Notsituationen verlassen können, der sie nicht zu Bettlern und Bittstellern degradiert und der ihnen vor allen Dingen nicht die Würde nimmt.

Sozial geht anders! Dafür steht die Linke.

Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten.

(Beifall bei der LINKEN)