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Sabine Zimmermann: Benachteiligung von Frauen beim Entgelt endlich angehen

Rede von Sabine Zimmermann,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was haben Deutschland, Estland, die Tschechische Republik und Österreich gemeinsam? Ich sage es Ihnen: In diesen Staaten ist der Verdienstabstand von Frauen zu Männern besonders groß. In Deutschland verdienen Frauen – die Ministerin hat es gesagt – 21 Prozent weniger als Männer. 21 Prozent bedeuten bei einem Männerverdienst von 3 000 Euro, dass frau 630 Euro weniger hat.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

630 Euro – das ist eine Menge Geld, und dabei reden wir nur vom Durchschnitt. Das l ässt sich auch nicht schönreden. Das ist aus unserer Sicht einfach nur ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein sehr beliebtes Argument lautet: Frauen arbeiten vermehrt in Branchen, in denen schlecht bezahlt wird. – Das ist einfach nur falsch. Frauen gehen doch nicht bevorzugt dorthin, wo Löhne am niedrigsten sind, sondern vielmehr wird dort, wo überwiegend Frauen arbeiten, schlechter bezahlt. Das ist die Wahrheit, und das muss sich verändern.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch der internationale Vergleich zeigt deutlich, wie sehr solche Beschönigungen danebenliegen. In der gesamten EU beträgt der Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen 16 Prozent. Deutschland liegt mit 21 Prozent 5 Prozentpunkte dar über. Nur in Estland ist der Abstand noch größer. In Luxemburg, Italien, Belgien und Polen sind es dagegen nur 6 bis 8 Prozent.

Um 4 Euro liegt der Stundenlohn von Frauen im Schnitt unter dem von Männern. Jede zweite sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frau arbeitet in Teilzeit – und nicht immer freiwillig.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)

Bei den Männern ist es nur jeder zehnte. 27 Prozent aller Frauen arbeiten im Niedriglohnsektor. Bei den Männern sind es halb so viele. Das zeigt deutlich: Frauen werden in Deutschland am Arbeitsmarkt massiv benachteiligt. Damit muss Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dass eine Benachteiligung der Frauen beim Entgelt besteht, erkennt nun auch die Bundesregierung. Nur wird Ihr Gesetzentwurf, Frau Ministerin, an den Verhältnissen nichts ändern. Sie betreiben eine reine Alibipolitik. Denn die Frage ist doch, was ein Auskunftsanspruch und die Aufforderung zur Durchf ührung von Prüfverfahren überhaupt bringen werden.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts!)

– Genau. – Das nur auf Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten zu begrenzen, schließt doch aber von vornherein viele Frauen aus. Das, meine Damen und Herren, ist doch das Ungerechte daran.

Außerdem werden viele Frauen ihren Auskunftsanspruch gar nicht erst nutzen; denn sie haben Angst, ihr Arbeitsverhältnis zu gefährden. Wer es dennoch tut, müsste den nicht einsichtigen Arbeitgeber mit einer Klage belegen. Davor schrecken natürlich die meisten Frauen zurü ck, und das ist auch verständlich. Da müssen wir sie unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit Ihrem Gesetzesentwurf, Frau Ministerin, unterstützen Sie die Frauen nicht im Kampf um gleiche Löhne bei gleicher und gleichwertiger Arbeit, sondern Sie verlagern Ihre Verantwortung als Bundesregierung allein auf die einzelne Frau im Unternehmen. Das kann es doch nicht sein. Das verschärft doch die Situation der Frauen dort. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wirklich notwendig, um die Diskriminierung von Frauen zu beenden, ist: ein Verbandsklagerecht, damit Frauen nicht allein auf sich gestellt sind, ein Auskunftsrecht für alle Beschäftigten in allen Betrieben und eine Aufwertung frauentypischer Beschäftigung. Das ist notwendig, und das fordern wir.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber letztlich liegt das Problem doch viel tiefer. Immer weniger Unternehmen sind tarifgebunden. Niedriglöhne, befristete und prekäre Beschäftigung und fehlende soziale Absicherung, gerade im Falle von Erwerbslosigkeit – übrigens sind das alles natürlich Auswirkungen der Agenda 2010, meine Damen und Herren –, nehmen den Beschäftigten auch den Mut und die Chance, sich gegen ungerechte Arbeitsbedingungen zu wehren. Auch davon sind viele Frauen bzw. überdurchschnittlich Frauen betroffen.

Die Linke steht für eine Politik, die den Gewerkschaften wieder Kraft gibt, berechtigte Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchzusetzen, und nicht für eine Alibipolitik, wie sie hier betrieben wird. Eine echte Gleichstellung – das muss ich immer wieder sagen – geht nur mit einer starken Linken.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Wohl kaum! Sie machen alles nur noch schlimmer!)