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Sabine Zimmermann: Armut in Deutschland den Kampf ansagen

Rede von Sabine Zimmermann,

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kober, es geht hier nicht um das bedingungslose Grundeinkommen – überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es geht darum, dass Kinder, Erwerbstätige, Rentnerinnen und Rentner ein Leben in Würde und ohne Armut führen können. Das ist das, was wir wollen. Sie wollen das überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Stracke, ich muss Ihnen sagen: Für den Boom am Arbeitsmarkt, den Sie immer so schön hier anführen, zahlen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Ach was! Das stimmt doch nicht!)

Sie haben eine Spirale nach unten in Gang gesetzt, wodurch die Löhne immer niedriger geworden sind.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Es gibt Lohnsteigerungen!)

Ich war zwar gerade bei Herrn Stracke, aber gerne.

Frau Kollegin Zimmermann, habe ich in Ihrem Antrag richtig gelesen, dass Sie eine Mindestsicherung von 1 050 Euro fordern, dass Sie darunter also ein Leben in Würde und außerhalb von Armut verstehen, und wissen Sie, dass der Kollege Birkwald gerade vorgerechnet hat, dass die Armutsquote für einen Alleinstehenden, statistisch betrachtet, bei 1 064 Euro liegt, dass also die von Ihnen geforderte Mindestsicherung 14 Euro unterhalb der offiziellen Armutsquote liegt?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Kipping [DIE LINKE]: Nein, das haben Sie nicht verstanden!)

Vielen Dank, Herr Kober, für Ihre Frage. Aber ich glaube, Sie kennen den Unterschied zwischen bedingungslosem Grundeinkommen und Mindestsicherung nicht. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist – das sagt schon der Name – nicht vermögensgeprüft. Ein bedingungsloses Grundeinkommen bekommt sozusagen jeder.

Hier geht es darum, dass wir Armut bekämpfen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wenn Sie mit dieser Frage fordern, dass wir mehr als 1 050 Euro brauchen, dann gehen wir doch mit Ihnen mit, dann sagen wir: Natürlich!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kober, wenn die FDP 2 000 Euro fordert, dann bekommen Sie von uns die volle Unterstützung. Das will ich Ihnen an dieser Stelle sagen. – Vielen Dank.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Das ist Sozialpopulismus pur! – Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Ist das platt! Ist das schlicht!)

Herr Stracke, um noch einmal bei Ihnen anzusetzen: Ihren Boom am Arbeitsmarkt – das sage ich ganz deutlich – bezahlen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Niedriglöhnen. Wir haben den größten Niedriglohnsektor in ganz Europa.

(Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Kennen Sie die Tarifsteigerungen?)

Das muss Ihnen doch zu denken geben. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Der Niedriglohnbereich stürzt viele Menschen in Armut.

Jetzt sind wir beim Thema – das sollten Sie sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen –;

(Beifall bei der LINKEN)

denn die Armut in Deutschland – Kinderarmut, Altersarmut, Armut von Erwerbstätigen – nimmt zu. Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen, weil das gar nicht in Ihr Bild passt,

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Weil es nicht stimmt! Das ist das Problem!)

aber nehmen Sie doch endlich die Realität zur Kenntnis, dass es diese Armut bei uns in Deutschland gibt, und reden Sie das nicht immer weg.

Ach – nein.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD – Lachen bei der AfD)

– Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das Thema ist eigentlich nicht lächerlich. Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie sich hier so lustig machen.

(Karsten Hilse [AfD]: Ihre Leute machen sich lustig!)

Herr Stracke, ich will Ihnen einmal Ihre Bilanz aufzeigen: Bei uns in Deutschland leben 2 Millionen Kinder in Armut. Wir haben 2,9 Millionen Rentnerinnen und Rentner, die armutsbedroht sind, die armutsgefährdet sind, und das gilt auch für jeden zehnten Erwerbstätigen. Es ist doch eine Schande, dass es so etwas in einem so reichen Land wie Deutschland gibt. Da müssen Sie doch endlich aufwachen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der Armutsbekämpfung haben Sie in den letzten Jahren völlig versagt.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Das Gegenteil ist richtig!)

Daran müssen Sie sich mal machen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Armut kann nämlich jeden treffen, zumindest jeden, der von seiner Arbeitskraft leben muss. Jeder kann in einem mies bezahlten Job landen. 3,2 Millionen Menschen bei uns arbeiten in einem Zweit- bzw. Drittjob. Das machen sie doch nicht, weil sie nicht wissen, wohin mit ihrer Zeit. Sie machen es, weil sie das Geld brauchen, und das ist eine Schande.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist auch ein Skandal, dass es in einem so reichen Land wie unserem Kinderarmut gibt.

Egal ob Rot-Grün, Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb, sie alle haben den Sozialstaat systematisch kaputtgemacht. Regeln für gute Arbeit wurden abgeschafft, und seitdem hat sich nichts verbessert. Deshalb breitet sich die Armut aus; das sollten Sie endlich zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen einen Mindestlohn, von dem man ordentlich leben kann. Wir sagen: Schluss mit Ausbeutung und Schinderei, weg mit Minijobs und Leiharbeit. Sie müssen sich das mal vorstellen: Es gibt 1 Million Leiharbeiter. Sie bekommen 50 Prozent weniger als die Stammbelegschaften. Das ist doch ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Und die sachgrundlosen Befristungen brauchen wir auch nicht.

Wir fordern: Niemand soll im Alter von weniger als 1 050 Euro netto im Monat leben müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir brauchen eine solidarische Mindestrente und auch wieder eine Rentenversicherung, auf die man sich verlassen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu dem Märchen, dass das alles nicht bezahlbar ist: Meine Damen und Herren, wer Milliarden für Rüstung übrig hat und Steuergeschenke an Unternehmen und Wohlhabende verteilt, der weiß auch, wie man Armut bekämpfen kann.

Ich komme gleich zum Schluss. – Die hohen Einkommen und Vermögen wachsen, und die Unternehmensgewinne sprudeln.

Frau Merkel sagt: Deutschland geht es gut. – Sorgen Sie endlich dafür, dass es allen Leuten in Deutschland gut geht und sich die hohe Armut nicht weiter ausbreitet! Ich denke, das ist ganz wichtig. Armut ist das wichtigste Thema für die Zukunft.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)