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Sabine Leidig: Es passiert nichts, das uns vor der Abgasbelastung schützt!

Rede von Sabine Leidig,

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Fast alle Autohersteller – von VW über Daimler, Fiat, Peugeot und BMW – haben über Jahre bei den Abgaswerten ihrer Automobile betrogen, und sie tun es weiter. Es ist etwa eineinhalb Jahre her, dass dieser Skandal aufgeflogen ist – das wurde gerade schon angesprochen –, aber passiert ist nichts oder nur relativ wenig bzw. nichts Spürbares.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts!)

Wir haben jetzt die Situation, dass gerade heute, am selben Tag, an dem wir tagen, vor dem Landgericht Stuttgart ein Strafverfahren stattfindet, das die Deutsche Umwelthilfe gegen Daimler angestrengt hat, weil dieser Automobilkonzern für ein Fahrzeug mit den niedrigstmöglichen Emissionswerten wirbt und sich bei einer Überprüfung durch unabhängige Teststellen herausgestellt hat, dass auch dieses Fahrzeug die Grenzwerte um ein Mehrfaches überschreitet.

Der Betrug geht also weiter, und Sie brüsten sich mit irgendwelchen Spitzfindigkeiten, mit denen Sie vielleicht irgendwann irgendetwas regeln. Ich finde, dass der Skandal damit fortgesetzt wird. Und der größte Skandal ist eigentlich, dass es die Bundesregierung ermöglicht, dass sich an den tatsächlichen Emissionen nichts geändert hat.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kollege Carsten Müller hat gerade gesagt, dass das ja nicht so schlimm sei, weil die Leute sich zu 80 Prozent im Haus aufhalten

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Sie verdrehen das schon wieder! Sie arbeiten fortgesetzt mit Verdrehungen und Unterstellungen! Bleiben Sie bitte präzise! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Müller, Sie sind eine einzige Verdrehung!)

und sich von daher diese Grenzwertüberschreitung ohne Probleme verschmerzen ließe. Das kommt mir ein bisschen so vor wie in der Zeit, als die Atomkraft noch sehr umstritten war und man gesagt bekam, wenn es ernst wird, müsse man die Aktentasche über den Kopf halten und sich ansonsten mit Alufolie zudecken; das sei alles nicht so schlimm.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da muss man fast schon Mitleid haben!)

Es ist schlimm, und es ist deshalb schlimm, weil die unterschiedlichen Schadstoffe, die aus den Autoauspuffen ausgestoßen werden, eben nicht nur Klima und Umwelt schädigen, sondern auch die Gesundheit. Die Atemwege werden angegriffen. Die Schleimhäute werden gereizt. Husten, Augenreizungen, Kreislauf- und Herzerkrankungen können die Folge sein. Besonders betroffen sind Menschen, die mit Asthma geschlagen sind, und Kinder, die einen viel höheren Luftumsatz haben als Erwachsene. Es ist unverantwortlich, dass zugelassen wird, dass die Atemluft permanent vergiftet wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir es mit einer Gruppe von habgierigen Menschen zu tun hätten, die es sich in den Kopf gesetzt haben, tröpfchenweise unser Trinkwasser zu vergiften, um daraus Profit zu schlagen, dann – da bin ich mir sicher – wäre der Aufschrei auch in diesem Hause groß, und es würde alles darangesetzt werden, diese Leute dingfest zu machen, ihnen das Handwerk zu legen, das Trinkwasser sofort zu reinigen und die Verantwortlichen zu bestrafen.

Bei dem Abgasskandal geht es um die Atemluft. Sie ist genauso relevant für die Menschen wie das Trinkwasser, und ich finde, es müssen genauso harte, starke und sichtbare Konsequenzen ergriffen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider ist das nicht der Fall.

Schauen Sie sich einmal die ziemlich populäre Kabarettsendung Die Anstalt vom 7. März dieses Jahres an. Darin werden die Zusammenhänge beleuchtet, wie das Management der Automobilindustrie systematisch die winzigen Gesetzeslücken ausnutzt, wie systematisch nicht nur Herr Dobrindt, sondern auch die Bundeskanzlerin dafür sorgen, dass das möglich ist, wie sie systematisch dafür sorgen, dass es keine unabhängigen Kontrollen gibt, dass es auf europäischer Ebene keine schärferen Maßnahmen gibt, dass selbst die bestehenden Abgasgrenzwerte deutlich zu hoch sind, weil die Bundesregierung darauf Einfluss genommen hat.

Dies alles kann man dort hervorragend nachvollziehen. Einer der Sätze, die mir aus dieser Sendung haften geblieben sind und den ich hier gerne zitiere, ist: „Dobrindt organisiert das Verbrechen.“

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Geht es auch ein bisschen weniger scharf? Das ist ja unglaublich!)

– Ich kann Sie nur anregen, sich diese Sendung anzuschauen. Sie ist noch bis Mitte nächsten Jahres in der Mediathek des ZDF abzurufen.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das überschreitet das parlamentarisch zulässige Maß! – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Irgendwann ist es gut! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Sendung war gut!)

– Dann können Sie sich ja mit einer Beschwerde an die Sendungsmacher wenden.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Vertreter der SED-Nachfolgeorganisation! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Satire darf alles!)

Ich habe das hier nur zitiert.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Da klatschen ja noch nicht einmal Ihre eigenen Leute!

Okay. Ich gebe ihn dann an das ZDF weiter.

Wir haben vor anderthalb Jahren mit einem umfangreichen Antrag der Linken eine ganze Palette von Vorschlägen gemacht, wie mit diesem Abgasskandal konsequent umgegangen werden muss. Eine klitzekleine, aber wirksame Konsequenz wäre zum Beispiel, die Geschwindigkeit zu begrenzen; denn je schneller die Autos fahren, desto mehr Abgase werden ausgestoßen. Angesprochen haben wir aber natürlich auch das ganze Thema der unabhängigen Kontrolle, die Bestrafung der Verantwortlichen und die Pflicht, an die Betrogenen Entschädigungen zu zahlen.

Das alles haben Sie nicht in Angriff genommen. Deshalb ist unser Antrag nach wie vor aktuell. Wir werden weiter darum ringen, dass mit solchen ungerechten Verhältnissen gerecht umgegangen wird.

(Beifall bei der LINKEN)