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Roland Claus: Kein Gesetz wird besser durch Schönreden

Rede von Roland Claus,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Hohn und Spott begleitet die Koalition die öffentliche Kritik und auch die Kritik der Opposition an diesem Gesetzentwurf. Besonders originell ist das nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn Hohn und Spott haben uns begleitet, als wir seinerzeit gegen die Privatisierung der Bahn gestimmt haben, Hohn und Spott haben uns begleitet, als wir gegen Riester-Rente und Hartz-IV-Gesetze gestimmt haben. Jetzt frage ich Sie von der Koalition: Wer von Ihnen, der uns heute verspottet, kann sich vor seine Wählerinnen und Wähler stellen und sagen: „War doch alles paletti mit Hartz, war doch alles paletti mit Riester, ist doch alles paletti mit der Bahn“? Insofern sagen wir Ihnen: Etwas mehr Demut bitte vor der kritischen Öffentlichkeit und der parlamentarischen Opposition!

(Beifall bei der LINKEN)

Als die Überlegungen begannen, privates Kapital für Infrastrukturinvestitionen heranzuziehen, haben wir als Linke gesagt: Das geht in Ordnung. – Es gibt nur einen kleinen Unterschied: Sie wollen mit denen kungeln und Geschäfte machen, wir wollen die gerecht besteuern, um die notwendigen Finanzen heranzuziehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insofern finde ich, dass das Donnerwetter der Koalition gegen die linke Opposition ein bisschen Ihr schlechtes Gewissen zum Ausdruck bringt; denn Sie wissen sehr wohl: Die Mehrheit, die es hier im Bundestag für Ihr Privatisierungsvorhaben gibt, haben Sie in der Gesellschaft nicht. Und Sie sollten den Deutschen Bundestag nicht mit dem wirklichen Leben verwechseln.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Widerspruch bei der SPD)

Dieses Gesetzespaket entscheidet stark über unser Leben im nächsten Jahrzehnt. Ich hätte mir gewünscht, dass am Anfang die Frage gestanden hätte: Wie wollen wir im nächsten Jahrzehnt leben? Diese Frage wurde aber nicht gestellt, sondern am Anfang standen hier lediglich die Fragen: Wie können Reiche und Starke reich und stark bleiben, und wie soll die Allgemeinheit das bezahlen? Das ist auch der Grund, warum in der Öffentlichkeit völlig zu Recht die Kritik an der sogenannten Infrastrukturgesellschaft oder Autobahngesellschaft im Vordergrund steht. Die Linke unterstützt und teilt ausdrücklich diese Kritik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben seit Beginn dieser Gesetzesbehandlung eine differenzierte Bewertung vorgenommen. Wir haben gesagt: Gut, dass die Ellenbogenföderalisten gestoppt werden konnten. Es gab nämlich Vorstellungen in den Bundesländern, die Dinge viel aggressiver zu ordnen. Da ist etwas bewegt worden. Gut fanden wir auch, dass das sogenannte Kooperationsverbot in der Bildung ein Stück weit gelockert wird und Schulinvestitionen möglich geworden sind. Aber – das muss man Ihnen auch sagen – gute Bildung entsteht daraus noch nicht. Dafür ist noch viel mehr notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Schlecht finden wir, dass der Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge die Tür geöffnet wird. Da geht es, glaube ich, um mehr als nur um Autobahnen; denn die vermeintlichen Wohltäter von Allianz, BlackRock, Lone Star und Deutsche Bank kommen ja mit einem Finanzvolumen, das dem Zehnfachen eines Bundeshaushalts entspricht. Es muss berücksichtigt werden, mit wem man sich hier einlässt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fragen natürlich auch: Warum ist die Autobahngesellschaft überhaupt in dieses Gesetzespaket zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen hineinverhandelt worden?

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sehr richtige Frage!)

Das hat doch etwas mit Druckausübung und auch mit Erpressung zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Schlecht finden wir auch, dass es künftig keine Bundesförderung für den sozialen Wohnungsbau mehr geben wird und dass nichts getan wird, um dem Auseinanderdriften von Metropolen und ländlichen Räumen in dieser Republik entgegenzuwirken. Schlecht finden wir ebenso, dass die Verfassungsästhetik schweren Schaden genommen hat, obwohl wir auch in diesem Punkt vieles abwenden konnten. Bürokratische Monsterbegriffe geraten hier in die Verfassung, die mit so schönen Worten anfängt.

Zum Schluss. Aus der Nachbesserung eines schlechten Regierungsentwurfs im Parlament wird noch lange kein gutes Gesetz, auch nicht durch Schönreden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun haben wir von der Koalition zu hören bekommen, dass sie einen sehr schlechten Regierungsentwurf verhandeln musste.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Stimmt!)

Das haben wir zur Kenntnis genommen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, warum bleibt ihr dann auf dem halben Wege der Nachbesserung stehen und sagt nicht – besser wäre es doch –: „Weg damit!“?

(Beifall bei der LINKEN)

Da fällt mir nur noch die Aufforderung ein: Gebt den Regierenden ein besseres Deutsch und den Deutschen eine bessere Regierung.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das entscheiden die Deutschen glücklicherweise selbst!)