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Rettungsprogramm für die Thüringer Solarindustrie

Rede von Jens Petermann,


246. Sitzung des Deutschen Bundestages, 13. Juni 2013
TOP 51: Antrag Zukunft der Solarindustrie sichern
und Antrag Energiewende sichern – Solarwirtschaft stärken
Drucksachen 17/ 13242, 17/9742, 17/13794


Jens Petermann für die Fraktion DIE LINKE - Rede zu Protokoll


Sehr geehrte(r) Herr/Frau Präsident(in), meine sehr geehrten Damen und
Herren,


mit großer Selbstverständlichkeit retteten Sie mit Milliarden Steuergeldern die
deutsche Autoindustrie, mit noch mehr Milliarden die Banken, die sich
verspekuliert haben, noch viel mehr Milliarden pumpen Sie in die Eurozone. Sie
werfen das Geld der Bürgerinnen und Bürger den Zockerbanken hinterher, die
mit halsbrecherischen Spekulationen das Geld ihrer Kunden leichtfertig aufs
Spiel gesetzt haben. Warum sind Sie nicht willens, ein Rettungsprogramm für
die Solarindustrie und die dort Beschäftigten auf denWeg zu bringen? Die
Solarindustrie, die unter subventionierten Billigimporten aus Fernost fast
zusammenbricht, ist Ihnen nicht einmal einen müden Euro für Hilfen oder
Bürgschaften wert. Ich nenne das Politikversagen und einen Skandal!
Vor dem Hintergrund, dass ein Zusammenbruch der Solarindustrie einen
Niedergang ganzer Regionen in Ostdeutschland mit sich bringt, ist das eine
Verantwortungslosigkeit ersten Grades!
Bei Bosch Solar Energy in Arnstadt stehen 1.850 Arbeitsplätze auf dem Spiel
und weitere 1.000 bei umliegenden, hoch spezialisierten Zulieferbetrieben. Das
sind Zahlen, bei denen eine Regierung, die ihren Job ernst nimmt, handeln
muss und nicht die Hände in den Schoß legen darf, so wie Sie es tun. Um solche
Probleme zu lösen, sind Sie gewählt und dafür sitzen Sie schließlich hier.
Stattdessen sehen Sie unbeeindruckt zu, wie eine 2. Deindustrialisierung über
den Osten Deutschlands hereinbricht. Nehmen Sie das nur billigend in Kauf,
oder haben Sie das im Interesse der Atomindustrie sogar vorsätzlich
angeleiert? Ja, das muss man sich fragen, wenn man sich die planlosen
Einschnitte im Erneuerbare-Energien-Gesetz ansieht, die mitverantwortlich für
das Desaster in der Solarbranche sind. Und wem nützt es? Den
Stromgroßkonzernen, denen Sie sich aus jahrzehntelanger Verbundenheit
besonders verpflichtet fühlen. Dafür lassen Sie die Solarindustrie am
ausgestreckten Arm verhungern?
Die CDU spricht von einer Subventionslawine und von Rekordwerten im Zubau
von Photovoltaik, wobei 80 % der Module, die in Deutschland verbaut werden,
aus Asien stammen würden. Trotz der erheblichen Subventionen hätten
deutsche Modulhersteller keine Zukunftschance. Deshalb lohne es sich gar
nicht erst, hier Rettungsversuche vorzunehmen. Mit dieser Wortwahl
begründete die CDU imWirtschaftsausschuss ihre Ablehnung. Haben Sie nun
auch den Mut, das den betroffenen Beschäftigten in Arnstadt und Erfurt ins
Gesicht zu sagen. Sagen Sie ihnen, dass die Marktwirtschaft eben so ist, dass
Solarindustrie in Deutschland nicht gebraucht wird, dass die Beschäftigten in
der Solarindustrie nicht mehr gebraucht werden. Ich lade Sie nach Arnstadt ein,
damit Sie das den Beschäftigten in der Solarindustrie so ins Gesicht sagen
können.
Die Meinung der FDP ist auch nicht viel besser. Sie gesteht unserem Antrag
wenigstens zu, für eine gesicherte Existenz der Solarbranche sorgen zu können,
sieht aber darin gleichzeitig eine Motivationsbremse für die Unternehmen, sich
auf Forschung und Entwicklung zu konzentrieren. Offensichtlich haben aber die
Zuständigen Kollegen der FDP den Antrag nicht zu Ende gelesen, denn
Forschung und Entwicklung gerade von Speicherlösungen, in denen wir
Innovationsmöglichkeiten sehen, stehen explizit schwarz auf weiß in unserem
Antrag. Sie nennen es dreist, die Aktionäre zu beglücken und sich dann Geld
vom Staat zu holen. Meine verehrten Damen und Herren, Sie arbeiten mit
doppelten Standards, bei den Banken ist es doch nicht anders gelaufen! Soviel
Schizophrenie war selten. Alles in allem sehen Sie in einer Rettung der
Solarindustrie und den dortigen Arbeitsplätzen keinen Sinn, da Solarzellen
keine High-Tech-Produkte mehr sind, sondern nur noch billige Massenware.
Das ist dreist und noch dazu falsch.
Wir werden uns mit dieser Entscheidung der Regierungskoalition nicht
abfinden. DIE LINKE kämpft um den Erhalt jedes Arbeitsplatzes und sie kämpft
für eine Rettung der einheimischen Solarindustrie als Standortfaktor, auch im
Industriegebiet Erfurter Kreuz und als wichtigen, nicht wegzudenkenden
Baustein der Energiewende und des Ausstieges aus der Atomenergie.
Statt Rettungsschirme für Banken und Kredithaie ist ein Rettungsschirm für
eine zukunftsträchtige Industrie, die tausenden Menschen und ihren Familien
eine Existenzgrundlage bietet, notwendig. DIE LINKE ging voran und hat einen
Gruppenantrag vorgelegt. Zur Unterstützung dessen habe ich die Thüringer
Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen eingeladen: Mitmachen?
Fehlanzeige!Weder ein Mitglied der SPD, noch eines der Grünen und auch
nicht die Mitglieder der CDU/CSU sowie FDP-Bundestagsfraktion wollten sich
beteiligen und für eine Unterstützung durch die Bundesregierung stark
machen. Das ist vor allem für die Menschen, deren Arbeitsplätze akut
gefährdet sind, eine herbe Enttäuschung!
Natürlich geht es darum, die Regionen in Ostdeutschland zu retten, in denen
die Ansiedelung der Produktionsstätten der Photovoltaikbranche den
Menschen wieder Hoffnung für die Zukunft gab. Genau diese Menschen
mussten vor zwanzig Jahren schon einmal dem vollständigen Zusammenbruch
ihrer örtlichen Industrie tatenlos zusehen. Sie haben schmerzlich erfahren, was
es heißt, arbeitslos und auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Sie wissen,
was es heißt, keine Zukunftsperspektive zu haben. Zehntausende haben
daraufhin diese Regionen verlassen. Die Photovoltaikindustrie stellte dort einen
industriepolitischen Neuanfang dar. Ein abermaliger Niedergang eines ganzen
Industriezweiges und eine damit einhergehende zweite
Deindustriealisierungwelle wäre für die Menschen vor Ort eine Katstrophe und
würde nicht nur die Erwerbsgrundlage tausender Familien sondern auch das
Vertrauen in die Politik nachhaltig zerstören.
Dass Sie sich, verehrte KollegInnen von Union, FDP, Grünen und SPD nicht an
einem parteiübergreifenden Gruppenantrag beteiligen wollen, mögen die
erneut vom Schicksal Gebeutelten, um ihre Hoffnungen und die
Zukunftsaussichten gebrachten Menschen, speziell in der Region Arnstadt –
Erfurter Kreuz, bewerten.
Wir haben uns von Ihrem Desinteresse nicht entmutigen lassen und
debattieren heute erneut diesen Antrag. Wir geben Ihnen hiermit erneut eine
Chance zu zeigen, dass Ihnen das Schicksal der Solarindustrie und der
Menschen, die dort Lohn und Brot finden, etwas bedeutet. Es ist nun an Ihnen,
verehrte Kolleginnen und Kollegen, zu erklären, warum Sie jeder
Bankenrettung und jeder vermeintlichen Eurorettung zustimmen, sich aber der
Rettung der Erwerbsgrundlage für tausende Familien, insbesondere im
Freistaat Thüringen, verweigern. In meinen Augen stellen Sie sich damit ein
Armutszeugnis aus!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, der SPD und der FDP, wir
haben von Ihnen bis heute vernommen, dass der Niedergang der Solarindustrie
in Ihren Augen kein Problem sei. Wachen sie endlich auf, es ist noch nicht zu
spät, sich für die Rettung der Arbeitsplätze in der Solarindustrie in
Ostdeutschland einzusetzen. Das geht ganz einfach:
Springen Sie über ihren ideologischen Schatten und stimmen Sie unserem
Antrag zu!
Die Menschen vor Ort werden Ihre Entscheidung aufmerksam verfolgen!