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Rente ab 67: Union fällt Seehofer in den Rücken

Rede von Klaus Ernst,

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben durchaus Anlass, uns noch einmal mit diesem Thema zu beschäftigen, nachdem sich nun offensichtlich auch in der CSU die Einsicht durchzusetzen scheint, dass man über dieses Thema noch einmal reden muss. Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, das der Parteivorsitzende der CSU gesagt hat ich zitiere ihn:

Ich werde meine Zustimmung zur Rente mit 67 aufkündigen, wenn die Wirtschaft Menschen, die über 50 sind, nicht beschäftigt. Das habe ich heute auch der Kanzlerin gesagt. Sonst ist das eine reine Rentenkürzung, und da mache ich nicht mit.

(Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Wo er recht hat, hat er recht!)

Der Vorsitzende der CSU hat sich also mit dieser Frage erneut beschäftigt und kommt offensichtlich zu völlig neuen Erkenntnissen, die allerdings von seinen Parteifreunden in einer Weise quittiert werden, dass man sich schon wundert, was zurzeit bei Ihnen los ist.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: So schlimm wie bei der Linken kann es gar nicht sein!)

Ich zitiere Herrn Schlarmann aus dem CDU-Vorstand:

Wenn Herr Seehofer dies

die Rente mit 67

infrage stellt, stört er nicht nur den Koalitionsfrieden, sondern bestätigt auch diejenigen, die die Regierung für handlungsunfähig halten.

Jetzt frage ich mich natürlich, meine Damen und Herren aus der CDU/CSU: Was ist Ihnen eigentlich wichtiger? Tatsächlich das Wohl der Bürger in diesem Lande, das Wohl der Menschen, die irgendwann eine Rente brauchen, oder Ihr Koalitionsfrieden? Wenn sich bei euch von der CSU schon einmal eine Einsicht durchsetzt, dann müsst ihr doch euren Vorsitzenden nicht in dieser Weise demontieren. Das ist doch nun wirklich nicht notwendig.


(Beifall bei der LINKEN)

Führen wir uns die Fakten noch einmal zu Gemüte und schauen wir, an welcher Stelle Herr Seehofer vollkommen recht hat.


Wir stellen erstens fest, dass nur 9,9 Prozent der Menschen in der Altersgruppe von 64 Jahren eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Das heißt, dass 90 Prozent der Menschen durch die Rente erst ab 67 nichts anderes als eine Rentenkürzung bekommen. Genau das hat Herr Seehofer festgestellt,

(Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Recht hat er! Zurufe von der CDU/CSU)

und ich weiß nicht, warum Sie sich dieser Einsicht in so dramatischer Weise verschließen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Wir stellen fest, dass 2004 11 Prozent der 55- bis 64-Jährigen arbeitslos waren. Das bedeutet, dass die Gruppe der 55- bis 64-Jährigen an der gesamten Arbeitslosigkeit im Jahr 2004 mit 11 Prozent beteiligt war. Im Jahr 2010 beträgt der Anteil der 55- bis 64-Jährigen an der gesamten Zahl der Arbeitslosen inzwischen 16 Prozent. Wir haben also eine steigende Arbeitslosigkeit in genau der Personengruppe, die Sie künftig länger als bis 65 arbeiten lassen wollen. Die sind jetzt schon arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe nimmt zu.

(Paul Lehrieder (CDU/CSU): Die nimmt ab!)

Deshalb hat Herr Seehofer vollkommen recht, wenn er sagt: Wir müssen diese Frage neu verhandeln und neu besprechen.

(Zurufe der Abg. Paul Lehrieder (CDU/CSU) und Max Straubinger (CDU/CSU))

- Wenn Sie ein Problem mit der Statistik haben, müssen Sie das mit Herrn Seehofer diskutieren. Offensichtlich beruft er sich ja darauf.
Es gibt einen weiteren Punkt, meine Damen und Herren. In der Antwort auf die Große Anfrage, die wir an die Bundesregierung gestellt haben, wird bestätigt, dass 36 Prozent der Betriebe keine Mitarbeiter beschäftigen, die älter als 50 Jahre sind.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Pfui! Weiterer Zuruf von der LINKEN: So sieht es aus!)

36 Prozent der Betriebe beschäftigen niemanden, der über 50 Jahre alt ist!

(Max Straubinger (CDU/CSU): Weil die Gewerkschaftssekretäre sie hinausgemobbt haben! Weiterer Zuruf des Abg. Paul Lehrieder (CDU/CSU))

- Warum regen Sie sich denn so auf? Ich verstehe das überhaupt nicht. Herr Seehofer hat doch recht. Jetzt unterstütze ich einmal euren Vorsitzenden, und ihr bekommt schon wieder einen heißen Hintern. Das muss doch wirklich nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN Heiterkeit des Abg. Anton Schaaf (SPD))

Meine Damen und Herren, wir kommen ja von einer Veranstaltung der IG Metall, an der auch andere Kollegen des Hauses teilgenommen haben. So kann ich Ihnen noch ein paar weitere Beispiele nennen: Von den 4 800 Beschäftigten der Salzgitter Flachstahl GmbH ist 1 Prozent älter als 63 Jahre.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Weil sie alle in Rente sind!)

Beim Küchenhersteller SieMatic ist genau einer von 400 Beschäftigten 61 Jahre alt, niemand ist älter. Und da wollen Sie an der Rente mit 67 festhalten!

Ich kann nur Herrn Hartmut Koschyk von der CSU zitieren, der gesagt hat:

Ich halte nichts davon, einmal getroffene politische Entscheidungen wieder infrage zu stellen nur weil sich die SPD beim Thema Rente mit 67 vom Acker macht.

Das ist doch Ihr Problem, meine Damen und Herren. Wenn Sie schon einmal ein richtiges Korn herausgepickt haben, sollten Sie auch dabei bleiben. Ich kann Herrn Seehofer nur empfehlen vielleicht können Sie ihm das ausrichten, bei seiner Position zu bleiben. Das bayerische Wappentier ist schließlich der Löwe und nicht der flüchtende Hase.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN)