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Regierung springt bei Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen zu kurz

Rede von Kathrin Vogler,

Rede von Kathrin Vogler, MdB (DIE LINKE) im Deutschen Bundestag am 13.11.2015 zum von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines "Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen" sowie zum Antrag der Fraktion DIE LINKE "Korruption im Gesundheitswesen effektiv bekämpfen"; BT-Drs. 18/6446 und BT-Drs. 18/5452

 

Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Dass Korruption im Gesundheitswesen bekämpft werden muss, darin sind sich heute alle einig hier im Haus, von der Linken bis zur CSU, und das ist schon ein erheblicher Fortschritt gegenüber der letzten Wahlperiode.

 

(Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt! Das ist bemerkenswert!)

 

Korruption verursacht finanzielle Schäden in Milliardenhöhe. Sie ist eine Gefahr für die Patientinnen und Patienten und für die Finanzierung unseres Gesundheitswesens. Unterschiedliche Schätzungen gehen davon aus, dass durch Korruption zwischen 5 Milliarden und 17 Milliarden Euro pro Jahr verloren gehen. Dieses Geld fehlt uns an anderer Stelle, zum Beispiel bei den Krankenhäusern oder bei der Versorgung im ländlichen Raum.

 

Aber es geht nicht nur ums Geld. Wenn täglich Tausende von Pharmaberatern durch die Arztpraxen ziehen, um mit allen möglichen Tricks neue, teure Medikamente in den Markt zu drücken, dann hat das auch Risiken für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten. Wenn ich als Patientin nicht weiß, ob die Frau Doktor ein Mittel verschreibt, weil es mir guttut oder weil sie dafür von einer Firma bezahlt wird, dann nimmt auch das Vertrauen in die Medizin insgesamt Schaden.

 

Genau hier, Herr Lange, hat der Gesetzentwurf der Bundesregierung leider einen blinden Fleck. Sie wollen vor allem den Wettbewerb im Gesundheitswesen und die finanzielle Stabilität der Krankenkassen schützen, und dabei ist Ihnen die Patientenperspektive leider weitgehend abhandengekommen.

 

(Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Wieso das denn?)

 

Der Bundesrat hat zum Beispiel vorgeschlagen, Bestechung und Bestechlichkeit auch dann zu bestrafen, wenn zwar kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, aber eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit eines Menschen. Diesen sehr guten Vorschlag hat die Bundesregierung abgelehnt, und das kann ich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht nachvollziehen.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Meine Fraktion schlägt Ihnen im vorliegenden Antrag vor, die Strafbarkeit auf Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme allgemein auszuweiten. Für Nichtjuristen: Das hätte den entscheidenden Vorteil, dass eben nicht nachgewiesen werden müsste, dass eine Zuwendung an eine Ärztin diese ganz konkret dazu veranlasst hat, genau das Medikament dieser Firma zu verschreiben. Damit könnte man auch das Phänomen der sogenannten Landschaftspflege in den Griff bekommen. Damit hätten wir im Gesundheitsbereich ähnlich hohe Antikorruptionsregeln wie bei den Beamtinnen und Beamten. In diese Richtung hat in der letzten Wahlperiode auch die SPD noch gedacht. Genau diese Forderung wird auch von MEZIS, der Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte erhoben; wir sollten ihnen hier folgen.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Ein großes Problem, das Sie mit Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht angehen, sind die sogenannten Anwendungsbeobachtungen. Kurz beschrieben handelt es sich dabei um Vereinbarungen zwischen der Industrie und Ärztinnen und Ärzten, wonach Ärzte Patienten auf ein neues Arzneimittel umstellen und dafür von den Herstellerfirmen vergütet werden. Diese neuen Medikamente sind häufig viel teurer und häufig leider auch weniger sicher als die bewährten alten.

 

(Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Manchmal bringen sie auch mehr!)

 

Wie das konkret funktioniert und welche Risiken das für die Patienten mit sich bringt, das schildert Roland Holtz in seinem Doku-Roman Pharmakrieg am Beispiel eines fiktiven Medikaments mit drastischen Nebenwirkungen. Er zeigt ganz detailliert, wie verheerend sich der Missbrauch der sogenannten Anwendungsbeobachtungen auf die Sicherheit von Patientinnen und Patienten auswirken kann. Die Antikorruptionsinitiative Transparency International hat genau diese Anwendungsbeobachtungen in einer Studie untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich dabei nicht um seriöse Forschung handelt, sondern schlicht um verschleierte Korruption und fordert deshalb ein gesetzliches Verbot, was wir als Linke unterstützen. Aber leider haben Sie dazu nichts vorgelegt.

 

Inzwischen hat sich die Branche weitere Umgehungsmöglichkeiten gesucht, die wir dringend unterbinden müssen. Schmiergelder können auch weiterhin als überhöhte Honorare etwa für Vorträge oder Gutachtertätigkeiten gezahlt werden; daran wird Ihr Gesetz leider auch nichts ändern. Das ist sehr bedauerlich.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Die eingeschränkte Sichtweise auf das Problem kommt in dem Gesetzentwurf leider auch zum Vorschein, wenn es um die Frage geht, wer überhaupt Anzeige erstatten darf. Die Staatsanwaltschaft darf nämlich nur dann tätig werden, wenn die Bestechung von einer Ärztekammer, einem Berufsverband, einer Krankenkasse oder einem benachteiligten Wettbewerber angezeigt wird.

 

(Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Das ist unrichtig, Frau Kollegin!)

 

Nun ist es aber doch so, dass es häufig Beschäftigte sind, die das Unrechtsverhalten ans Tageslicht bringen. Die Linke fordert deswegen, diese Whistleblower zu schützen, damit sie nicht aus Angst vor Regressforderungen oder Jobverlust von einer Anzeige abgehalten werden.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Auch Patientinnen und Patienten, die von korruptivem Verhalten erfahren, sollen selbst nicht Anzeige erstatten dürfen. Das finden wir unzureichend, und wir hoffen, dass Sie da noch nachbessern.

 

(Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Das sind Verletzte!)

 

Insgesamt denke ich, dass in Ihrem Gesetzentwurf durchaus noch eine Menge Luft nach oben ist. Das wollen wir Linke nutzen. Ich hoffe im Interesse der Patientinnen und Patienten, der ehrlichen Medizinerinnen und Mediziner sowie eines solidarischen Gesundheitswesen auf gute Besserung.

 

 

 

(Beifall bei der LINKEN)