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Regierung benachteiligt weiter den Mittelstand

Rede von Richard Pitterle,

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

DIE LINKE. ist - wie Sie unserem am 16. Juni beschlossenen Bundestagswahlprogramm "100 Prozent sozial" entnommen haben - für die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen und für Bürokratieabbau. Sie setzt sich für den Schutz der Schwachen, der Unerfahrenen ein: Hierzu zählen beispielsweise auch Existenzgründer, Klein- und Kleinstunternehmerinnen und -unternehmer.

Wenn man ihnen mit der Erfüllung ihrer Buchführungspflichten (§ 238 HGB) viel Zeit lässt - und in diese Richtung geht Ihr Gesetzentwurf mit der geplanten Senkung der Ordnungsgelder -, erweist man ihnen damit einen Bärendienst. Denn spätestens in der Insolvenz drohen harte Konsequenzen: Verletzungen der Pflichten bei Buchführung oder Bilanzierung - hierzu zählen auch Fristversäumnisse - werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 283b Absatz 1 Ziffer 3b StGB).

Diese Gefahr besteht besonders bei Kapitalgesellschaften. Es ist so leicht geworden, als Existenzgründer oder Kleinunternehmerin und -unternehmer eine Kapitalgesellschaft zu gründen, mit der die persönliche Haftung für die Schulden des Unternehmens verhindert werden kann. Doch gerade wegen der Haftungsbeschränkung muss man hier besonders auf die Einhaltung aller Pflichten achten, um nicht in die Gefahr zu geraten, doch unvermittelt privat für die Schulden des Unternehmens zu haften. Denn bei einer Kapitalgesellschaft ist wegen des festen Grundkapitals tendenziell viel früher Insolvenz anzumelden als bei einer Personengesellschaft.

Mein zweiter Kritikpunkt, über den ich heute Abend sprechen will, ist Ihre Ungleichbehandlung von Klein- und mittelständischen Unternehmen auf der einen Seite und Großunternehmen auf der anderen Seite.

Wenn Großunternehmen zwar rechtzeitig ihre Bilanzen veröffentlichen, diese aber falsch sind, hat das keine Sanktionen zur Folge. Wenn ein Unternehmen jedoch verspätet Bilanzzahlen veröffentlicht, die aber korrekt sind, wird es bestraft und muss zahlen. Diese unterschiedliche Behandlung passt für mich nicht zusammen. Denn falsche Zahlen halte ich für wesentlich schlimmer als verspätet eingereichte korrekte Bilanzzahlen. Mit dieser Einschätzung stehen wir nicht alleine: Auch die Wertpapieraufsichtsbehörde in den USA, die SEC, teilt unsere Meinung und legt Unternehmen hohe Strafen auf, die ihre Bilanz nachträglich korrigieren müssen. Es geht hier übrigens nicht um Randfälle. Immerhin sind nach den langjährigen Erfahrungen der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung rund 25 Prozent der Bilanzen kapitalmarktorientierter Unternehmen in Deutschland falsch.

Die gravierende Ungleichbehandlung bei Fehlern von Klein- und mittelständischen Unternehmen im Vergleich zu Fehlern von Großunternehmen zeigt einmal mehr, wer Interessensvertreter der kleinen und mittelständischen Unternehmen ist und wer für die Interessen der Großunternehmen eintritt.

Meine Damen und Herren, wäre es nicht konsequenter, statt Ordnungsgelder für Unternehmen zu verlangen, die die Offenlegungsfrist überschritten haben, die säumigen Unternehmen in einem Register zu erfassen, das öffentlich zur Verfügung steht? Damit wird nicht nur Transparenz geschaffen, sondern auch eine wichtige Schutzfunktion für alle erfüllt: Jeder Lieferant und jeder Kunde weiß, wie das Unternehmen mit seinen gesetzlichen Verpflichtungen umgeht und der betreffende Unternehmer weiß, dass alle wissen, dass er seiner Pflicht zur Rechnungslegung immer noch nicht nachgekommen ist.

Mit dieser Öffentlichkeit kann mehr Druck aufgebaut werden, rechtzeitig Bilanzen offenzulegen als mit der nicht öffentlichen Verhängung von niedrigen Ordnungsgeldern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.