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Reform zu Abschlussprüfungen geht die großen Probleme nicht an

Rede von Klaus Ernst,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

uns liegt heute das Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) zur ersten Lesung vor, mit der europäische Verordnungen für Abschlussprüfer und Prüfer von Unternehmen von öffentlichen Interessen (PIE) umgesetzt werden sollen.

Wir halten Reformen in diesem Bereich für überfällig. Wir wissen, dass es bei vielen Wirtschaftsprüfern in Deutschland brodelt und es in ihren berufsständischen Organisationen nicht zum Besten steht. Auch halten wir die Aufsichtsstrukturen in der heutigen Form für ungeeignet und die Rechtsaufsicht durch die zuständigen Behörden für vollkommen zahnlose Tiger. Sie werden den Aufgaben in keinster Weise nicht gerecht.

Seit Jahren kommt Kritik aus dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer selbst. Strukturell ist der Prüfermarkt hochgradig konzentriert: 90 Prozent der 160 Unternehmen aus DAX, MDAX, TecDAX und SDax werden von den großen vier Gesellschaften betreut. Betreut heißt bis heute gleichzeitig beraten und geprüft! Das ist keine Frage der Kompetenz, auch die EU-Kommission drängt seit Jahren vergeblich auf eine strikte Trennung von Beratung und Prüfung sowie effektive Kontrolle und Aufsicht.

Das APAReG jedoch stellt diese Kardinalfehler nicht ab. Stattdessen werden bestehende Überregulierungen im Berufsrecht beibehalten, um selbständige Wirtschaftsprüfer und kleine, mittelständische Prüfgesellschaften behindert. Für sie werden die Qualifizierungsanforderungen und andere bürokratische Hürden sogar erhöht. Hier zeigt sich konkret, was die immer in Sonntagsreden betonte „mittelstandsfreundliche Politik“ der CDU/CSU im Alltag heißt. Ähnlich trist sieht es bei der SPD aus: Sie versucht nicht einmal, die massiven Ungleichgewichte zwischen den Big 4 und dem Rest abzubauen und die vermachteten Märkte aufzubrechen. Die Große Koalition will sich ganz offensichtlich nicht mit PwC, KPMG, Deloite und Ernst &Young anlegen. Warum auch? Deren Vertreter haben leichten Zugang in die Ministerien, schreiben indirekt an Gesetzen mit oder werden als „Berater“ bestellt.

Aber nicht nur in diesem Punkt versagt die Bundesregierung mit dem APAReG. Medienberichte über Lobbyarbeit und Kungelrunden, wie zuletzt das HANDELSBLATT im Zusammenhang von Luxleaks im Juni 2015 beschrieben hat, sind eine Sache. Eine andere Sache ist die massive Kritik aus dem Berufsstand selbst und die unzureichende Lösung des massiven Streits durch die ministerielle Rechtsaufsicht. Sie wird von vielen Wirtschaftsprüfern längst nicht mehr als unabhängig Kontrolle und möglicher Mediator wahrgenommen. Da hilft es überhaupt nicht weiter, die Problematik als die Angelegenheit einer kleinen Krawalltruppe frustrierter Wirtschaftsprüfer abzutun, die mit haltlosen Unterstellungen Stimmung machen will.

Denn wie spätestens seit 2007 klar geworden sein sollte, sind trotz bester Prüfberichte und formal korrekter Bilanzprüfung reihenweise Banken, Versicherungen und Unternehmen über Nacht insolvent geworden. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mussten für dieses Versagen von Wirtschaftsprüfer tief in die Tasche greifen.

Selbstverständlich trägt der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer nicht allein die Schuld an zurückliegenden Bilanzskandalen und der Krise 2007/08. Viele in Wirtschaft und Politik haben gleichermaßen versagt. Genau deshalb muss an vielen unterschiedlichen Stellen mit verschiedenen Instrumenten angesetzt werden. Nur so kann verhindert werden, dass dies noch einmal geschieht. Dafür aber müssen die richtigen Prioritäten gesetzt und Probleme schonungslos benannt werden.

Hier liegt das Grundproblem des vorliegenden APAReG. Es soll zwar die Qualität der Prüfungen und die Kontrolle verbessert werden. Aber wo liegen die Qualitäts- und Kontrollprobleme und wer wird angesprochen?

An allen großen Bilanzskandalen sind stets die großen Prüfungsgesellschaften mitbeteiligt gewesen. Falsche oder zu gute Testate pflastern den Weg bis in die Insolvenz! Aktuell wird die Kompetenzfrage auch im VW Skandal zu stellen sein. Denn auch hier gab es bis vor wenige Wochen nur beste Testate der bestellten Prüfgesellschaft, obwohl auch ihnen die Risiken und der mögliche Betrug lange bekannt gewesen sein dürften. Am Ende werden viele Testate keinen Pfifferling wert sein und die Zeche müssen die Beschäftigten, die Steuerzahler und Kommunen zahlen.

Eine in der Breite schlechte Qualität der Wirtschaftsprüfung der klein- und mittelständischen privaten wie öffentlichen Unternehmen gibt es dagegen nicht! Ähnlich sieht es auch die EU-Kommission, deren Vorgaben im APAReG nicht wirklich umgesetzt werden. Man konzentriert sich lieber auf die rein formelle Qualität der Prüfung und formuliert eine Reform zu Gunsten der Big 4.

Es ist für uns nicht schlüssig, warum sich künftig alle Abschlussprüfungen an den Anforderungen von Unternehmen mit öffentlichem Interesse (PIE) orientieren sollten. Der Aufwand für kleine und mittlere Praxen sowie die weitere Standardisierung der Prüfung sind unverhältnismäßig. Befördert wird damit der weitere Verdrängungswettbewerb zu Gunsten weniger Prüfungs- und Beratungsgesellschaften. Das wiederum erschwert die Qualitätssicherung und deren Kontrolle. Teure Zertifizierungen, hoher bürokratischer Aufwand und der starke Bezug auf abzuhakende Checklisten stehen einer vernünftigen unabhängigen Prüfung entgegen.

Wir begrüßen die Integration der Abschlussprüferaufsichtskommission (APAK) in das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die Beschränkung der Kontrolle des Bundes auf eine bloße Rechtsaufsicht allerdings widerspricht dem Demokratieprinzip. Zentral bleibt für uns, die bestehenden Interessenkonflikte transparent und offen darzulegen und abzustellen.

Wir können die Kritik vieler Wirtschaftsprüfer verstehen, die uns in den letzten Wochen zum APAReG erreicht hat. Manches teilen wir ausdrücklich, insbesondere bei den berufsständischen Organisation, den Kontrollgremien und vor allem der ministeriellen Rechtsaufsicht. Die Bundesregierung aber schweigt zu diesen Problemen. Wir hoffen, dass in der kommenden Anhörung im Wirtschaftsausschuss zum APAReG einige Regeln zurückgenommen werden, so dass kleine und mittelständische Prüfgesellschaften gefördert werden, und der Gesetzgeber endlich die wirklichen Probleme wahrnimmt und angeht.