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Reden statt schießen

Rede von Norman Paech,

Ich erinnere mich noch an Ihre Rede auf dem Münchener Kongress für Sicherheitspolitik im Februar dieses Jahres, Herr Außenminister. Da stellten Sie Ihre Politik unter die Devise des Einsatzes für Freiheit und Demokratie. Das klang alles etwas amerikanisch, aber das ist noch keine Kritik.

Dass Sie damit Ihre gesamte Nahost- und Mittelostpolitik in das Fahrwasser der US-Administration lenkten, das allerdings verdient entschiedenen Widerspruch.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich erinnere mich noch an Ihre Rede auf dem Münchener Kongress für Sicherheitspolitik im Februar dieses Jahres, Herr Außenminister. Da stellten Sie Ihre Politik unter die Devise des Einsatzes für Freiheit und Demokratie. Das klang alles etwas amerikanisch, aber das ist noch keine Kritik.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Dass Sie damit Ihre gesamte Nahost- und Mittelostpolitik in das Fahrwasser der US-Administration lenkten, das allerdings verdient entschiedenen Widerspruch.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn Sie besiegelten dadurch einen gravierenden Wandel in der deutschen Außenpolitik. Militäreinsätze in der ganzen Welt - zur Sicherung welcher deutschen Interessen eigentlich? -, das hat weder mit dem Grundgesetz noch mit Verteidigung zu tun. Sie holen sich damit auch alle Schwierigkeiten ins Haus, mit denen die Amerikaner derzeit zu kämpfen haben, nämlich zunehmende Gewalt, bürgerkriegsähnliche Zustände und Chaos in ihren De-facto-Protektoraten Irak und Afghanistan sowie wachsende Terrorgefahr auch im eigenen Land.
Ihre sonst so sympathische Devise „Reden statt schießen“ hat sich gefährlich gewendet. Nehmen wir nur Afghanistan, wo sich die Bundeswehr derzeit eingräbt, um offensichtlich die nächsten zehn Jahre dort für Demokratie und Freiheit zu sorgen. Nach fünf Jahren hat sich dort eine Situation entwickelt, vor der wir immer gewarnt haben. Sie war voraussehbar. Jetzt beklagt die Truppe in Afghanistan selbst die dramatisch sinkende Zustimmung der Bevölkerung zum Einsatz der Bundeswehr. Die Truppe fordert das, was wir immer schon gefordert haben, nämlich mehr zivile Entwicklungshilfe und Unterstützung für die zivilen Strukturen beim Aufbau des Landes.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie, Herr Außenminister, preisen die neuen demokratischen Institutionen der Regierung Karzai. Das mag für Kabul so zutreffen, aber überhaupt nicht für ganz Afghanistan. Dort blühen der Mohn und die Freiheit der Drogenhändler. Eine Steigerung der Ernte um fast 60 Prozent in diesem Jahr hat Afghanistan unter dem Schutz der ISAF und von „Enduring Freedom“ zum größten Opiumlieferanten der Welt gemacht. Der Preis dafür ist nicht etwa Stabilität, Sicherheit und Demokratie, sondern Angst vor irakischen Zuständen. Alle Erfahrung der vergangenen Jahre hat uns gelehrt, dass man dem eben nicht mit Militär begegnen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch in der Auseinandersetzung mit dem Iran hat die viel beschworene Geschlossenheit mit den USA Sie letztlich in eine Sackgasse geführt. Denn es ist eine Illusion, immer noch zu glauben, dass Teheran von seinem Atomprogramm zu zivilen Zwecken abrücken wird. Vielleicht werden Sie ein Moratorium erreichen, nicht aber einen definitiven Verzicht. Es ist reine Symbolpolitik, wenn Sie Sanktionen fordern, Sanktionen, die in der Geschichte nachweisbar noch nie zu einem Erfolg geführt und nie einen Politikwechsel herbeigeführt haben. Sie schaden damit der Bevölkerung, ohne aber Ihr Ziel zu erreichen.
Ein Ausweg zeigt sich derzeit unseres Erachtens nur, wenn zwei Punkte erfüllt werden: Anerkennung des Rechts auf Urananreichung zu zivilen Zwecken und unter der Kontrolle der IAEO sowie eine umfassende Sicherheitsgarantie durch die USA. Doch die USA haben sich offensichtlich noch nicht von ihren Plänen zu einem gewaltsamen Regimewechsel im Iran distanziert. Sie, Herr Steinmeier, werden wohl noch viel Arbeit zu leisten haben, um die USA von der Wirksamkeit des diplomatischen Weges zu überzeugen. Im äußersten Fall müssten Sie, wenn Sie und die Frau Bundeskanzlerin es wirklich ernst meinen, der Bush-Administration erneut die Gefolgschaft verweigern. Sie haben ja genug Erfahrung mit einer solchen Mission aus der Zeit der vorherigen Regierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Schließlich komme ich zu dem Punkt Israel, Palästina und Libanon. Man konnte schon den Eindruck gewinnen, dass Ihr voreiliges Vorpreschen mit der Entsendung von Marineeinheiten über Ihre Ratlosigkeit hinwegtäuschen sollte,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

wie Sie die tief verfeindeten Gegner zwischen Gaza und Beirut zu einem Frieden bewegen können. Sie haben wieder einmal nur unsere Verantwortung gegenüber Israel, nicht aber die gegenüber den Palästinensern, die wir ja auch haben, berücksichtigt. Wir haben wiederholt betont: Deutsche Soldaten und Polizisten haben aufgrund unserer historischen Verantwortung nichts in dieser Region zu suchen. Sie sind, wie wir erfahren haben, auch gar nicht notwendig; denn es gibt genügend Angebote von anderen Staaten.
Um auch hier nicht missverstanden zu werden: Wir wenden uns nicht gegen die Stationierung von UNO-Truppen zwischen den verfeindeten Gegnern. Wirklich neutral können UNO-Truppen aber nur sein, wenn sie auf beiden Seiten der Grenzen stationiert werden, was aber nicht der Fall ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die jetzige Parteilichkeit gegen den Libanon und für Israel verstärken Sie nur, indem Sie zwar auf der einen Seite Waffenlieferungen an die Hisbollah verhindern, was richtig ist, aber auf der anderen Seite neue Waffensysteme und U-Boote an Israel liefern, was falsch ist.

(Beifall bei der LINKEN)

So verspielen Sie unseres Erachtens die Glaubwürdigkeit als ehrliche Makler.
Dabei gibt es auch bei diesem letzten Punkt eine Alternative, auf die wir seit Beginn dieses Jahres nicht müde werden hinzuweisen. Herr Außenminister, vertrauen Sie da doch Ihrem neuen Parteichef, der unseren Vorschlag aufgenommen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Reden Sie nicht nur von einem politischen Prozess, sondern konzentrieren Sie alle Ihre Kräfte und auch die Finanzen auf eine Nahostkonferenz nach dem Vorbild der KSZE. Nur dort werden auch die Wurzeln des Streits, des Konflikts und des Krieges Israels mit seinen Nachbarn zur Sprache gebracht. Alle Teilnehmer sind dort gleichberechtigt, ohne von Gewalt, Terror und Drohungen beeinflusst zu werden. Dann wird Ihre Devise „Reden statt schießen“ wieder uneingeschränkt gelten. Auf dieser Konferenz wird dann die Existenz beider Staaten, nämlich Israels und Palästinas, gesichert werden.
Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)