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Rede zum U1-Umlageverfahren zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Rede von Frank Spieth,

Frank Spieth, der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE. zur zweiten Lesung des Antrags der FDP, die das U1-Umlageverfahren zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall de facto abschaffen will.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

wir werden den Antrag der FDP ablehnen.

Die FDP macht mit diesem Antrag das, was sie fast immer macht: Sie lehnt ein solidarisches System ohne Not, diesmal mit dem Verweis auf angeblich unnötige Bürokratie ab. Ich habe bei der AOK einmal nachgefragt: Die bürokratischen Kosten des Verfahrens sind sehr gering und begründen diesen Antrag nicht.

Der Kampf um den Bürokratieabbau ist, wie so oft, auch hier ein Ablenkungsmanöver. Mit viel Tamtam soll in diesem Fall eine auch aus Sicht der Wirtschaft sinnvolle Regelung abgeschafft werden.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das Umlageverfahren U1, um das es heute geht, eine Versicherung ist, die kleine Arbeitgeber mit weniger als 30 Beschäftigten abschließen müssen. Diese Arbeitgeber zahlen einen Beitrag und sind im Krankheitsfall ihrer Mitarbeiter versichert - im Regelfall zahlt die Umlagekasse 80 Prozent der Lohnfortzahlung; 20 Prozent muss also der Arbeitgeber dann noch selbst leisten. Es gibt aber auch Unternehmer, die diese Versicherung nicht wollen und sich gegenüber anderen Betrieben mit höherem Krankenstand nicht solidarisch erweisen wollen. Diese hatten bis ins Jahr 2006 hinein bei einigen Krankenkassen die Möglichkeit, Billig-Tarife von nur 10 Prozent der Umlage zu wählen und 90 Prozent aus eigener Tasche im Krankheitsfall zu zahlen. Für diese Tarife waren entsprechend niedrige Beiträge zu entrichten. Dies kam de facto einer Aushebelung des U1-Verfahrens gleich; die Arbeitgeber konnten sich je nach Krankenstand aussuchen, ob sie die Versicherung wollen oder nicht.

Das Bundessozialgericht hatte entschieden, dass diese Praxis so nicht in Ordnung ist. Mindestens zu 50 Prozent muss ein Arbeitgeber sich absichern, so urteilte das Gericht.

Die Koalition ist hinter dieses Urteil zurückgegangen und hat den Mindestumlagesatz im Zuge des „Gesundheitsreform“ genannten GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes erst kürzlich von 50 Prozent auf 40 Prozent gesenkt. Aber immerhin: Die Koalition hat sich dazu entschließen können, eine Mindestgrenze gesetzlich festzuschreiben.

Die Beratung im Ausschuss hat bezüglich des FDP-Antrags keine neuen Erkenntnisse gebracht - ganz im Gegenteil.

Ich frage mich, warum die FDP diesen Antrag nicht einfach zurückzieht.

Dieser Antrag hat doch offenkundig nur eine einzige Zielstellung. Die solidarischen Sicherungssysteme auf dem Altar privatwirtschaftlicher Interessen zu opfern.

Die FDP ist der Auffassung, dass die private Absicherung der Risiken besser ist, als das bisherige System. Sie will deshalb auch die Überwindung der Gesetzlichen Krankenkassen zugunsten der Privaten.

Bei privaten Versicherungen muss der Umfang der Leistungen über Mindeststandards hinaus gekauft werden. Damit wird der Umfang der Leistungen über den Inhalt des Geldbeutels bestimmt. Menschen mit geringem Einkommen wären die Dummen. Wer Rosinenpickerei will, will keine Solidarität. Die Solidarische Absicherung ist aber gerade für Menschen mit geringem Einkommen, die ohne eigenes Verschulden in eine Notsituation geraten, unverzichtbar.

Eine Krankenversicherung, die - wie private Krankenversicherungen das tun müssen - eine ordentliche Gewinnausschüttung an ihre Eigentümer machen müssen, ist außerdem zu teuer.

Eine soziale Auslese nach Einkommen und Gesundheitszustand lehnen wir ab. Damit sind wir uns mit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung einig.

Wir lehnen deshalb die von der FDP gewünschte Auslese auch in Bezug auf die bestehende Solidarität der Arbeitgeber untereinander ab. Es geht dabei nicht um „Rumdum-Sorglos-Pakete des Staates“, die die Antragsteller in der ersten Lesung ansprachen. Es geht dabei um eine faire und sichere Kalkulationsgrundlage insbesondere für die kleinen Unternehmen.

Vielen Dank!