Zum Hauptinhalt springen

Rede zum 6. Altenbericht der Bundesregierung

Rede von Heidrun Dittrich,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Sechsten Altenbericht geht es um Altersbilder. Mit Altersbildern werden Vorstellungen vom Alter konstruiert. Warum ist das eigentlich nötig? Weil die Menschen nun länger arbeiten müssen und erst ab 67 in Rente gehen können, und das muss schöngeredet werden. Der rüstige 75-jährige, vitale, über ausreichend Geld verfügende Rentner soll zum Vorbild werden. Er ist der Prototyp des aktiven Alterns. Alle, die von diesem Bild abweichen, werden nun mit einem negativen Altersbild belegt. Wer, bitteschön, möchte nicht positiv dargestellt werden? Damit wird aber die Erfahrung der Beschäftigten ausgeklammert.


Zum 1. Januar dieses Jahres trat die Rente ab 67 in Kraft. Jetzt geht das Gespenst der Altersarmut wieder um. Es wird nicht gesagt, dass jedes Jahr der Verlängerung des Renteneintritts auch eine Rentenkürzung bedeutet. Frauen, Migranten und Menschen mit Behinderung sind in diesem Altenbericht von vornherein ausgeklammert. Das sind aber gerade diejenigen, die im Erwerbsleben benachteiligt werden und nur eine Grundsicherung aufbauen können. Für sie besteht längst der Zwang, nach Erreichen des Rentenalters ihre Rente durch Zuverdienst aufzubessern, nach dem Motto: Alte Frau pflegt noch älteren Mann.


Diesen Zwang zur Erwerbstätigkeit über das Rentenalter hinaus möchte die Bundesregierung mit diesem Altenbericht für alle als positiv verkaufen. Gesellschaftliche Teilhabe soll nur durch Arbeit möglich sein. Genau damit, mit dieser Verarmung im Alter, diskriminiert die Bundesregierung die ältere Generation. Dagegen setzt die Linke das Konzept der solidarischen Mindestrente: Kein Mensch darf im Alter weniger als 900 Euro Rente beziehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Bereits im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und FDP festgeschrieben, dass sie die Altersgrenze überprüfen wollen. Auch die SPD und die Grünen versuchen, mit dem Freiwilligendienst aller Generationen bis 70 Jahre über die bisherige Altersgrenze hinauszugehen. In tarifvertraglichen Schutzvorschriften werden den älteren Menschen Leistungsminderungen unterstellt. Das ist negativ, wie wir gerade gehört haben.
Diese Leistungsminderung ist jedoch Realität. Ist die Vorstellung von einer Erzieherin im Kindergarten realistisch, die mit 67 Jahren im Sandkasten noch viel Geduld aufbringt? Nach einer Studie von Verdi glauben 70 Prozent der Erzieherinnen nicht, dass sie gesund ins Rentenalter kommen. Arbeit macht auch krank: durch Hetze, zu wenig Personal und Lärm. Es ist eine Forderung der Beschäftigten selbst, gesund durchs Erwerbsleben zu kommen. Den Gewerkschaften und den Beschäftigten im Altenbericht ein negatives Altersbild zu unterstellen, damit sie keine Schutzvorschriften einfordern, geht an der Realität vorbei.


Viele erreichen doch ihr Rentenalter gar nicht erst. Fast ein Drittel der Männer des Geburtsjahrgangs 1945, genauer: 29 Prozent, und 19 Prozent der Frauen dieses Jahrgangs sind schon gestorben. Im Altenbericht wird der Vorschlag gemacht, das Rentenalter nicht mehr festzulegen - also auch nicht auf 69 Jahre oder 70 Jahre; lesen Sie es nach! -, sondern es an die individuelle Leistungsfähigkeit zu knüpfen. Das bedeutet, die Berechtigung zum Renteneintritt wird vom Arzt festgestellt. Sie muss aber vom Gesetzgeber geregelt werden und darf nicht in das Ermessen eines einzelnen Arztes gestellt werden. Malochen bis zum Umfallen lehnt die Linke ab.


(Beifall bei der LINKEN)


Der demografische Wandel hin zu einer älter werdenden Gesellschaft muss keinen Sozialabbau oder Rentenklau erzwingen. Das Älterwerden ist ein historischer Fortschritt. Außerdem hat in den letzten 50 Jahren durch technische Neuerungen ein Produktivitätsfortschritt stattgefunden. Es wird mehr produziert in kürzerer Zeit und mit weniger Menschen. Also wäre auch mehr zu verteilen.


Arbeitszeitverkürzung hilft bei Arbeitslosigkeit, und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Vollzeit sichert die Einnahmen der Rentenkasse. Das alles verschweigt der Sechste Altenbericht. Stattdessen haben die Sachverständigen der Bundesregierung Argumente geliefert, um mit lebenslänglichem Arbeiten ein positives Altersbild zu verknüpfen. Schließlich sollen die Ansprüche auf Rente aufgegeben werden. Für Hänschen soll es normal sein, wenn Opa Hans noch mit 80 Jahren arbeitet. Es soll ein Schatz gehoben werden, indem die Potenziale des Alters genutzt werden. Aber es geht nicht um ein individuelles und selbstbestimmtes Ruhestandsalter, sondern um das Arbeiten über 67 Jahre hinaus.


Das lehnt die Linke ab und bleibt bei der Forderung: Weg mit der Rente erst ab 67! Es ist positiv, mit 60 in Rente gehen zu können.
Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Wer bezahlt das? - Dagmar Ziegler (SPD): Das war noch nicht mal in der DDR so!)