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Rede (zu Protokoll) Donnerstag, 13.12.2007

Rede von Alexander Ulrich,

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 23) zur Einführung von Volksentscheiden über die vertraglichen Grundlagen der EU

(Drs. 16/7375) - Erste Beratung

Rede (zu Protokoll)

Herr/Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

manchmal sagen Bilder mehr als tausend Worte: Heute reiste die gesamte Entourage der europäischen Staats- und Regierungschefs nach Lissabon, um den Reformvertrag zu unterzeichnen. Danach hoben Sie ganz klimafreundlich, natürlich in getrennten Fluglinien, nach Brüssel zum EU-Gipfel ab.

Stil und Inhalt der Europapolitik stimmen überein: Sie haben jedes Gefühl dafür verloren, was die Menschen in Europa bewegt. Sie feiern sich selbst und vergessen darüber, was die Menschen in Europa von der EU erwarten. Dass wir um diese späte Uhrzeit über Volksabstimmungen sprechen, zeigt ihr gestörtes Verhältnis zur Bevölkerung.

Die Linke. hat an anderer Stelle bereits darauf hingewiesen, warum wir den vorliegenden Vertragsentwurf für europafeindlich halten:

Er ist militaristisch, denn der Vertrag löst die strenge Bindung an die UN-Charta auf und gebietet die ständige Verbesserung der militärischen Kapazitäten.

Der Vertrag schreibt eine gescheiterte Wirtschaftspolitik fest. Preisstabilität genießt Vorrang vor Wachstum und Beschäftigung und zementiert damit eine international unübliche Geldpolitik. Wer die Preise stabil halten möchte sollte eine effektive europäische Regulierungsbehörde schaffen und die Infrastruktur monopolistischer Industrien, etwa der Energienetze, in öffentliche Hand überführen. Der Vertrag verhindert dies mit seiner Festlegung auf einen unverfälschten Wettbewerb, der aber genau in diesen Bereichen nicht möglich ist. Die Daseinsvorsorge in den Mitgliedsstaaten ist auch im vorliegenden Entwurf nicht gesichert.

Der Vertrag bricht mit den Lehren aus der europäischen Geschichte: Eine Lehre aus der europäischen Geschichte war die Unteilbarkeit der politischen und der sozialen Rechte. Den Sozialstaat durch wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft zu ersetzen, beerdigt das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell und ist grundgesetzwidrig. Sie demonstrieren damit ein ähnliches Verhältnis zum Sozialstaat wie China zum Rechtsstaat.

Die wenigen demokratischen Fortschritte des Vertrages werden bei Weitem nicht der Bedeutung der EU gerecht. 80 Prozent aller nationalen Gesetzesvorhaben werden von der EU beeinflusst. Doch das Europäische Parlament kann immer noch keine eigenen Gesetzesinitiativen verabschieden. Der Doppelhut des europäischen Außenministers behindert eine demokratische Kontrolle der europäischen Außenpolitik.

Sie beschädigen mit ihrer Politik die europäische Glaubwürdigkeit: Sie ermahnen in Sonntagsreden gerne andere Staaten zur Einhaltung der Menschenrechte. Sie beklagen zu Recht unfaire Wahlen in Russland und kritisieren Hugo Chavez. In Venezuela hatten die Menschen aber Gelegenheit über ihre Verfassung abzustimmen und sie abzulehnen.

In Europa verweigert man den Menschen eine Verfassung, wenn sie mit dem Inhalt nicht einverstanden sind. Man wirft alles aus dem Vertrag was den Menschen etwas bedeutet, die Hymne, die Fahne, das Wort Verfassung. Dann packt man den Inhalt, den die Menschen ablehnen, wieder hinein. Zum Schluss werden die Menschen, außer in Irland, nicht mehr gefragt. Ist das der Höhepunkt der europäischen Demokratie?

Eine Verfassung muss offen sein für den zukünftigen Willen der Europäerinnen. Sie darf nicht das Programm meiner oder irgendeiner anderen Partei abbilden. Dass Sie die Menschen darüber nicht entscheiden lassen zeigt, dass Sie Angst vor den Menschen haben.

In noch einem Punkt stimmen Form und Inhalt überein: Bis heute gibt es keinen öffentlich zugänglichen, lesbaren Vertrag.

Wir sind die einzige Fraktion im Deutschen Bundestag die an einer Verfassung für Europa festhält. Wir sind die einzige Fraktion die möchte, dass die Menschen wissen was in Europa entschieden wird. Gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Linkspartei fordern wir Volksabstimmungen über diesen Vertrag in Europa.

Wir laden SPD und Grüne dazu ein, gemeinsam mit der Linken mehr Demokratie zu wagen. Wenn Sie es ernst meinen mit Europa, stimmen Sie der notwendigen Ergänzung des Grundgesetzes und unserem Antrag zu.

Die Linke. sagt der Bundesregierung mit den Worten eines großen Lyrikers: Wenn der Regierung das Volk nicht passt, soll sie sich ein neues Volk wählen!

Danke.