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Rede von Ulla Jelpke zu Protokoll gegeben am 01.12.2016

Rede von Ulla Jelpke,

Angesichts von knapp 220 Millionen Passagieren, die im vorigen Jahr an deutschen Flughäfen abgefertigt wurden, ist der Bereich der Luftsicherheit in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen. Jeder möchte gesund an seinem Ziel ankommen, und deswegen möchte niemand, dass bei der Sicherheit im Luftverkehr geschludert wird. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes wird diesem Ziel aber nicht gerecht.

Um mit einem Punkt zu beginnen, dem wir teilweise zustimmen: Die sogenannte Zuverlässigkeitsprüfung der Mitarbeiter im Flughafenbereich wird ausgeweitet. Das ist insofern zu begrüßen, als keiner wollen kann, dass terroristische Strukturen ihre Leute in sensible Sicherheitsbereiche einschleusen. Fragwürdig ist aber schon, dass der Verfassungsschutz an dieser Überprüfung teilhat. Der hat sich ja in der Vergangenheit häufig genug als Unterstützer terroristischer Organisationen erwiesen.

Das größte Manko bei der Ausweitung der Zuverlässigkeitsprüfungen besteht aus Sicht der Linken aber darin, dass die Rechte der Kontrollierten nicht ebenso ausgeweitet werden. Es ist ja keine Bagatellfrage, ob jemandem das Recht auf einen Arbeitsplatz verweigert wird oder nicht. Wer bei der Prüfung durchfliegt, der muss doch mindestens das Recht haben, dagegen gerichtlich vorzugehen, und dann darf es nicht sein, dass der Geheimdienst einfach mauert und Unterlagen, die angeblich eine Sicherheitsgefährdung durch den Betroffenen beweisen sollen, für sich behält. Also: Sicherheitsüberprüfungen auf der einen Seite müssen einhergehen mit vollem Rechtsschutz auf der anderen Seite. Das verweigert die Bundesregierung, so wie sie ja immer einseitig auf Kontrolle und Repression statt auf die Wahrung von Bürgerrechten hinarbeitet.

Noch weit bedenklicher ist das Vorhaben, die Privatisierung von Aufgaben der öffentlichen Sicherheit zu erweitern. Denn die Bundesregierung will künftig privaten Firmen erlauben, bewaffnete Kräfte einzusetzen, die gegenüber den Menschen am Flughafen auch Zwangsmaßnahmen durchführen sollen. Das ist wirklich ein Novum, das in der Anhörung von den Sachverständigen auch massiv kritisiert worden ist. Wir kennen das zwar schon, dass bewaffnete Privatfirmen zum Beispiel Atomkraftwerke oder Bundeswehrkasernen bewachen. Aber da kommen sie ja in der Regel nicht mit einem zivilen Publikum in Kontakt, weil das keine öffentlichen Bereiche sind. Ganz anders ist das bei Flughäfen, die selbstverständlich öffentliche Anlagen sind, in denen sich, wie erwähnt, Millionen von Menschen im Jahr aufhalten. Und da kann man nicht einfach sagen: Die lassen wir jetzt mal von bewaffneten Hilfssheriffs bewachen, die ihren Anordnungen zur Not mit Schusswaffen Nachdruck verleihen.

Denn hier handelt es sich ganz klar um eine Maßnahme, zu der nur staatliche Behörden befugt sind, sprich: die Bundespolizei. Die haben schließlich eine lange Ausbildung, um zu lernen, mit zivilem Publikum deeskalierend umzugehen. Bei Privaten ist die Ausbildung deutlich weniger intensiv, deswegen sehen wir in ihrer Bewaffnung eher eine Gefährdung als einen Vorteil für die Sicherheit.

Der Gesetzentwurf enthält noch weitere Privatisierungsvorhaben. Private Luftfrachtunternehmen sollen künftig von anderen privaten Unternehmen zertifiziert werden. Anstatt das Luftfahrtbundesamt mit dem notwendigen Personal auszustatten, werden seine Aufgaben privatisiert, und es führt am Ende nur noch Aufsicht über die Zertifizierer, aber nicht mehr über die Frachtunternehmen selbst.

Da kann man sich leicht denken, was passiert, wenn mal etwas gründlich schiefgeht und es zu ernsthaften Zwischenfällen kommt: Dann werden sich alle Beteiligten gegenseitig die Verantwortung zuweisen, und keiner will es am Ende gewesen sein. Denn je mehr Privatunternehmen im Sicherheitsbereich agieren, desto weniger ist eine öffentliche Kontrolle gewährleistet bzw. desto größer wird der Koordinationsaufwand. Das ist doch ein himmelschreiender Widerspruch, einerseits Sicherheitsüberprüfungen zu verschärfen, um mehr Kontrolle über das Personal an den Flughäfen zu erhalten, und dann andererseits immer weiter zu privatisieren und letzten Endes so genau das Gegenteil zu bewirken.

Dabei gibt es ja Alternativen. Die hat vor allem die Gewerkschaft der Polizei aufgezeigt, indem sie eine Bündelung aller Sicherheitsaufgaben in einer Hand vorgeschlagen hat. Die GdP regt an, zu diesem Zweck eine Anstalt des öffentlichen Rechts zu gründen. Ob Sicherheitskontrollen im Vorfeld, im öffentlichen Bereich, bei Passagieren, Fracht oder auf dem Rollfeld – alles wäre in einer Hand. Damit wären die Verantwortlichkeiten klar geregelt. Auch für die Beschäftigten wäre dies von Vorteil, weil sie dann Angestellte eines öffentlichen Unternehmens wären und abhängig von ihrer Ausbildung auch in anderen Bereichen der Luftsicherheit eingesetzt werden könnten. Damit ließe sich dem Problem von Privaten entgegenwirken, das von hoher Fluktuation, geringer Mitarbeiterbindung, schlechten Arbeitsbedingungen und daraus resultierend leider häufig auch geringer Qualifikation und Motivation gekennzeichnet ist.

Wer also wirklich mehr Sicherheit im öffentlichen Bereich will, darf es nicht zu einem Wildwuchs an privaten Sicherheitsfirmen kommen lassen, die sich selbst zertifizieren und kontrollieren. Die Sicherheit zu garantieren, ist die wichtigste Aufgabe des Staates. Das heißt nicht, dass jeder Flughafenangestellte, der das Handgepäck kontrolliert, ein Beamter sein muss, aber der Staat muss die Kontrolle über den Sicherheitsbereich behalten und darf sie nicht auslagern. Deshalb bedauert Die Linke, dass dem Vorschlag der GdP nicht gefolgt wurde. Den Gesetzentwurf sehen wir als Verlust an Sicherheit und lehnen ihn deswegen ab.