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Foto: Rico Prauss

Rede von Susanna Karawanskij zu Protokoll gegeben am 01.06.2017

Rede von Susanna Karawanskij,

Zahlungsdienste: Das klingt erst einmal sehr technisch. Doch sie spielen eine wichtige Rolle im Alltag der Verbraucher. Pro Jahr gibt es im Einzelhandel fast 10 Milliarden unbare Transaktionen. Durch den Gesetzentwurf sollen rund 133 Millionen Zahlungsdienstrahmenverträge, also zum Beispiel Girokonten, reguliert werden. Da muss man schon ganz genau hinsehen, dass Verbraucher nicht übers Ohr gehauen werden; denn wir kennen alle Fälle aus den Medien – vielleicht sind wir aber sogar selbst schon Opfer davon geworden –, bei denen sich Unbefugte mit immer wieder neuen Tricks Zugang zu Konten verschafft haben. Das wird dann als Phishing, Hacking, Skimming usw. bezeichnet.

Mit der Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie sollen Internetzahlungen weiter vereinfacht, neue innovative Bezahlverfahren gefördert, die Sicherheit von Zahlungen verbessert und die Rechte der Kunden von Zahlungsdienstleistern gestärkt werden. Dies gelingt zum Teil, auch wenn es gewiss noch einige Lücken und vor allem Unklarheiten gibt.

Eine bedeutende Rolle in der Debatte spielte der Datenzugang für Drittanbieter. Geldanbieter sollen ab 2018 sogenannten Fintechs sowie anderen Zahlungsdienstleistern sämtliche Konteninformationen zugänglich machen und dann entsprechend die Zahlungsaufträge weiterleiten. Was wir hier immer wieder hören: Es bestehen bis heute genau an der Schnittstelle zu den Kundenkonten zu wenig sichere, einheitliche Standards, bzw. es sind noch keine festgesetzt worden. Dies ist ein erhebliches Risiko für die Konteninhaber, für den Verbraucher. Hier sollte die Bundesregierung noch einmal nacharbeiten.

Des Weiteren müssen wir aufpassen, dass Kontoinformationsdienstleister nur auf Informationen, die der Nutzer tatsächlich gegeben hat, und auf in diesem Zusammenhang stehende Zahlungsvorgänge zugreifen können. Dies ist im Gesetzentwurf eigentlich unmissverständlich dargestellt und darf auf keinen Fall verwässert werden: Eine ganz enge Zweckbindung und starker Datenschutz müssen bestehen bleiben, damit dem Missbrauch vorgebeugt werden kann.

Positiv ist für Verbraucher, dass Zahlungsdienstleiser und Banken in der Regel keine gesonderten Gebühren verlangen dürfen, wenn der Kunde ein Zahlungssystem nutzt. Zugleich wird die Kundenhaftung bei Schäden aus nicht autorisierten Kartenzahlungen künftig von 150 Euro auf 50 Euro reduziert – vorausgesetzt, der Kunde hat nicht grob fahrlässig gehandelt. Und genau hier gibt es eine Lücke und Schwachstelle; denn in der Praxis wird sich hierdurch vermutlich nichts ändern. Wenn eine Bank nicht erstatten will, wird sie es einfach nicht tun. Sie wird sagen, der Kontoinhaber habe seine Daten grob fahrlässig Dritten zugänglich gemacht (zum Beispiel die PIN neben der Karte aufbewahrt) und lässt es einfach auf eine Klage ankommen. Auf eigene Kosten eine gerichtliche Klärung zu suchen, werden demgegenüber die meisten Kunden scheuen. Das ist schlicht zu teuer. Hier gilt es also dringend nachzubessern! Wir Linke hätten uns gewünscht, dass der Gesetzentwurf klipp und klar regelt, dass künftig Banken ihren Kunden nicht mehr grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz unterstellen können, sondern dass die Banken ebendiese ausdrücklich beweisen müssen.

In der Gesamtschau kann man den Gesetzentwurf etwas provokativ so zusammenfassen: Wir haben es hier mit einem „Fintech-Stärkungsgesetz“ zu tun. Diese neuen Anbieter auf dem Markt werden zwar nun reguliert, aber dabei auch deutlich gestärkt. Die Regelungen sind insofern erfrischend, als dass sich hier nicht in erster Linie am Bedarf der Banken orientiert wurde. Im Gegenteil: Banken haben die Schnittstellen und die Sicherheitsarchitektur zu stellen, und sie treten für die Fehler der Fintechs in Haftung, obwohl sie Regressansprüche geltend machen können, weil die neuen Anbieter haftpflichtversichert sein müssen. Der Aufschrei der Bankenlobby wäre sicher vehementer gewesen, wenn sie nicht die Hoffnung hätte, auf lange Sicht selbst von den Regelungen zu profitieren, weil sie die neuen Geschäftsmodelle auch selbst gewinnbringend nutzen bzw. Arbeitsabläufe zeitgemäß vereinfachen kann.

Alles in allem unterstützt die Linke bei der Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie notwendige und sinnvolle Innovationen, solange der Verbraucherschutz sowie die Sicherheit von Zahlungen und damit von Geld, das Verbrauchern gehört, sichergestellt ist.

Noch kurz ein Wort zur Evaluierung des Kleinanlegerschutzgesetzes. Diese wurde auch in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf mitberaten. Speziell wurden die Befreiungsvorschriften in §§ 2a bis 2c des Vermögensanlagegesetzes evaluiert, es geht also unter anderem um Ausnahmen von der Prospektpflicht für Schwarmfinanzierungen/Crowdinvesting. Der Abschlussbericht ist wirklich interessant, und in vielem kann die Linke auch mitgehen. Fest steht zu diesem Zeitpunkt aber auch: Die Befreiungsvorschriften für Schwarmfinanzierungen werden nicht auf sämtliche Vermögensanlagen ausgedehnt. Ob man dies will oder nicht – hier besteht noch Diskussionsbedarf, ebenso bei der Frage, ob man bestimmte Immobilienprojekte ganz herausnehmen sollte, weil sie für Schwarmfinanzierungen ungeeignet sind und ihre Betreiber nicht zur avisierten Zielgruppe gehören.

Wir müssen also weiter die Augen offen halten, inwieweit die Ausnahmevorschriften für eine Umgehung genutzt werden. Grundsätzlich bedauern wir, dass auf absehbare Zeit keine weiteren Verbesserungen beim Anlegerschutz vorgesehen sind. Die Bundesregierung verweist einfach nur auf die nächste Evaluierung. Doch Verbraucherschutz – zum Beispiel durch striktere Selbstauskunftsverfahren von Crowdinvestingplattformen – darf wahrlich nicht auf die lange Bank geschoben werden.

Sowohl bei den Zahlungsdienstleistern, die verstärkt auf den Markt dringen, als auch bei den Nachrangdarlehen, die manche Start-ups über die Crowdanbieter ausgeben, um Geld zu sammeln: Eine präventive Prüfung – wie bei Kinderschlitten und Atomkraftwerken – tut not, bevor Finanzmarktakteure und Finanzprodukte für den Gang auf den Markt zugelassen werden. Man spart auch einiges an Bürokratie, wenn man nicht mehr im Nachhinein mittels Hase-und-Igel-Wettlauf immer wieder prüfen, kontrollieren und eventuell Produkte oder Emittenten aus dem Verkehr ziehen muss. Genau dazu hatten wir jüngst im Finanzausschuss des Bundestages eine sehr gute Anhörung; denn wir als Linke fordern die Einführung einer europäischen verpflichtenden Zulassungsprüfung für Finanzprodukte. Wir fordern einen Finanz-TÜV. Triftige Argumente gegen einen solchen TÜV jenseits von Ängsten vor zu viel Bürokratie waren nicht zu vernehmen.

Mit einem Finanz-TÜV würde man den Verbraucherschutz, aber ebenso Finanzmarktstabilität und Sicherheit großschreiben – und etwas anderes will die Zweite Zahlungsdiensterichtlinie im Grunde auch nicht bezwecken.