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Rede von Sabine Leidig zu Protokoll gegeben am 10.11.2016

Rede von Sabine Leidig,

Natürlich geht das Gesetz, wie man so schön sagt, „in die richtige Richtung“. Und natürlich können wir von der Bundestagsfraktion Die Linke es, wohl gemeinsam mit allen anderen Parteien in diesem Parlament, nur begrüßen, wenn die Mittel für den Schienenpersonennahverkehr, SPNV, endlich erhöht werden. Und schließlich – bzw. ein letztes Mal: „natürlich“ – ist es richtig, wenn es diese 200 Millionen Euro als Schippe obendrauf gibt und damit diejenigen Bundesländer, die es bitter nötig haben, so im Westen das Saarland, Berlin und alle östlichen Bundesländer, einen gewissen zusätzlichen Betrag für den SPNV erhalten.

Insofern sagen wir Ja zu den neu bestimmten 8,2 Milliarden Euro, die 2016 als Regionalisierungsmittel aus dem Bundeshaushalt den Bundesländern zufließen werden.

Allerdings ist damit bei weitem nicht alles gut, und es gibt aus unserer Sicht drei große Aber:

Das erste betrifft die Dynamisierung um jährlich 1,8 Prozent von 2017 bis zum Jahr 2031. Nun hatten wir in den vergangenen Monaten kaum Inflation, und momentan mögen die 1,8 Prozent sich ganz gut „anfühlen“. Allerdings hatten wir mehr als 35 Jahre lang erheblich höhere Raten der allgemeinen Preissteigerung. Und eine wesentliche Ursache für die niedrige Inflation ist der absurd niedrige Rohölpreis, der zeitweilig bei weniger als 40 US-Dollar je Fass lag. Aktuell liegt er wieder bei über 50 Dollar. Er lag vor 5 bis 6 Jahren noch deutlich über 100 US-Dollar und ist kaum kalkulierbar. Da mutet es schlicht grotesk an, wenn man für die nächsten 15 Jahre sich auf eine fixe Dynamisierungsmarge festlegt.

Richtig wäre es gewesen, die jährliche Erhöhung der Regionalisierungsmittel an die tatsächliche jährliche Preissteigerung anzubinden und dabei außerdem den Anstieg der Entgelte für die Nutzung der Trassen, der Bahnhöfe und der Energie zu berücksichtigen.

Womit ich beim zweiten Aber bin – bei der Entwicklung der Entgelte für die Nutzung von Bahnhöfen, Trassen und Energie. Im Gesetzestext dazu heißt es diesbezüglich: „Die Dynamik des Anstiegs der Infrastrukturentgelte, insbesondere der Stations- und Trassenentgelte im Schienenpersonennahverkehr […] ist nach Maßgabe des Eisenbahnregulierungsrechts zu begrenzen.“

Diese Formulierung enthält zwei gefährliche Ungenauigkeiten. Was, bitte schön, heißt das „… nach Maßgabe des Eisenbahnregulierungsrechts“? Das wird nirgendwo, auch nicht in der Begründung, ausgeführt. Es liegt nahe, dass damit die Formulierung, die „Dynamik des Anstiegs der Infrastrukturentgelte“ sei zu begrenzen, bereits relativiert wird. Sodann: Es heißt ja nur, dass dieser Anstieg „zu begrenzen“ sei. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, wie genau und wie stark begrenzt werden soll. Das ist doch die Öffnung eines Scheunentors – für massive Erhöhungen dieser Entgelte.

Ich darf Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, darauf hinweisen, dass diese Infrastrukturnutzungsgebühren in den letzten eineinhalb Jahrzehnten mehr als doppelt so schnell gestiegen sind wie die Inflationsrate. Und es ist auch dieses Anwachsen der „Schienen- und Bahnhofsmaut“, das auf der anderen Seite den Druck auf die „weichen“ Faktoren im SPNV, nicht zuletzt auf die Arbeitseinkommen der Beschäftigten und auf die Sozialstandards im SPNF-Bereich, krass erhöht. Obgleich all dies bekannt ist und obgleich wir in der Praxis erlebt haben, wie negativ sich diese massiv ansteigenden Infrastrukturnutzungsentgelte auf den SPNV auswirkten, wird auch in diesem neuen Gesetz zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes dem kein Riegel vorgeschoben. Ja, man sagt sehenden Auges, dass das bis 2031 so weiterlaufen könne.

Und wenn man als Gesetzgeber so etwas zulässt, dann kann die Deutsche Bahn AG als die Muttergesellschaft von DB Netz, von DB Station und Service und von der DB Energie GmbH, weiter an dieser Schraube drehen – für eine bessere Konzernbilanz und auf Kosten der Allgemeinheit.

Mein drittes Aber bezieht sich auf die pauschale „Seligsprechung“, die man im Begründungsteil des Gesetzentwurfs lesen kann. Dort heißt es: „Das Gesetzesvorhaben trägt zu einer nachhaltigen Entwicklung bei und ist umfassend mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung vereinbar.“ Es bewirke, „dass die Schiene insgesamt gestärkt […] wird.“

Dazu sage ich klipp und klar: Herr Dobrindt, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD: Genau dies wird nicht eintreten.

Erstens haben Sie – wie dargelegt – nicht einmal dafür gesorgt, dass auch künftig im gleichen Umfang Schienenpersonennahverkehr bezahlt werden kann.

Zweitens reicht die Summe nicht, um den notwendigen Ausbau der Bahn in der Fläche zu finanzieren. Und Sie haben in den Bundesverkehrswegeplan, den wir gerade intensiv beraten haben, keines der beantragten Bahnprojekte aufgenommen, die – lediglich – regionale Bedeutung haben. Und viele wesentliche Bahn-Ausbauprojekte sind noch nicht einmal im Vordringlichen Bedarf. Aber Sie haben jede Menge Straßenbauprojekte drin, die keinerlei übergeordnete Bedeutung haben. Nach Ihrem Willen soll es außerdem einen erheblichen Autobahnausbau geben – teilweise in Konkurrenz zur Bahn.

Und drittens befindet sich der klassische Schienenpersonenfernverkehr in einer ziemlich kritischen Lage – aufgrund der Erfolge der Fernbusverkehre. Und der beruht zu einem erheblichen Teil auf der Tatsache, dass diese keinerlei Maut für die Nutzung der Straßen zu entrichten haben. Die Deutsche Bahn AG hat gegen die heftigen Proteste von sehr vielen beschlossen, den Nachtreisezugverkehr am 11. Dezember komplett einzustellen. Dabei spielte bereits eine große Rolle, dass die viel zu hohen Entgelte für die Trassennutzung dieses Schienenverkehrssegment enorm belasteten. Und der Schienengüterverkehr ist auch alles andere als sorgenlos.

Die Schiene wird in Gänze durch dieses Gesetz nicht gestärkt. Die Bundesregierung verstreicht mit dem Gesetz etwas weiße Salbe. Insgesamt kann ich nicht erkennen, dass damit eine Politik der Nachhaltigkeit betrieben und damit endlich eine Verkehrswende eingeleitet werden würde.