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Rede von Richard Pitterle zu Protokoll gegeben am 09.03.2017

Rede von Richard Pitterle,

Nehmen wir einmal an, es gäbe ein Möbelunternehmen mit schickem blau-gelben Logo und der tollen Idee, riesige Möbelhäuser an die Autobahnen in den Vorstädten zu bauen. Das Geschäft brummt, und das Unternehmen macht satte Gewinne. Darauf fallen hierzulande natürlich Steuern an. Und obwohl das Unternehmen von der gegebenen Infrastruktur hierzulande, der Autobahn etc. mächtig profitiert, will es diese Steuern nicht zahlen, sondern den Gewinn am liebsten komplett für sich behalten. Um das zu erreichen, wird folgende Konstruktion gebastelt, die auch Lizenz- oder Patentbox genannt wird: Das Unternehmen gründet ein Tochterunternehmen in einer europäischen Steueroase wie Irland, Luxemburg oder den Niederlanden, wo auf den Gewinn, den wiederum das Tochterunternehmen macht, nur minimal Steuern anfallen. Dann überträgt das große Möbelunternehmen die Rechte an seiner Möbelmarke auf das Tochterunternehmen, und damit es die Marke weiter nutzen darf, werden Lizenzgebühren an das Tochterunternehmen gezahlt. Diese vom Möbelunternehmen zu zahlenden Lizenzgebühren werden mit dem hierzulande erwirtschafteten Gewinn verrechnet , und siehe da: Das arme Möbelunternehmen macht kaum noch Plus und muss in Deutschland dementsprechend bedeutend weniger Steuern zahlen, während das Tochterunternehmen ordentlich Kasse zu Ministeuersätzen in der Steueroase macht. Diese dreiste Trickserei ist leider völlig normal bei international tätigen Unternehmen. IKEA, Google oder Amazon machen von diesen Lizenzboxen seit Jahren Gebrauch und heizen den schädlichen internationalen Wettbewerb um die niedrigsten Steuersätze somit kräftig an.

Jetzt endlich legt die Bundesregierung ein Gesetz vor, das diese Machenschaften bekämpfen soll. Wir von der Linken haben das schon lange gefordert und freuen uns, dass die Bundesregierung hier zumindest mal einen Schritt in die richtige Richtung zustande bringt. Kern des Gesetzes ist grob gesagt, dass die oben beschriebenen Lizenzaufwendungen hierzulande nicht mehr vollständig von der Steuer abgesetzt werden können, wenn der Empfänger sie mit weniger als 25 Prozent versteuern kann und wie im obigen Beispiel ein entsprechendes Näheverhältnis zum zahlenden Unternehmen besteht. Inwiefern das Gesetz im Detail noch nachgebessert werden muss, wird sich in den kommenden Beratungen im Finanzausschuss zeigen. Eines ist jedoch jetzt schon klar: Die große Koalition hat ihrem Ruf als Koalition des Stillstands im Kampf gegen Steuerumgehung wieder alle Ehre gemacht. Bereits in ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD großspurig angekündigt, man wolle „sicherstellen, dass der steuerliche Abzug von Lizenzaufwendungen mit einer angemessenen Besteuerung der Lizenzerträge im Empfängerland korrespondiert.“ Das war Ende 2013. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, was haben Sie in den letzten drei Jahren eigentlich gemacht? Jedes Jahr muss die Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auf Milliarden verzichten, weil Sie es nicht schaffen, entschlossen und zügig zu handeln. Und bevor Sie nun wieder mit der Ausrede kommen, dass Sie auf die Mitwirkung auf europäischer und internationaler Ebene angewiesen wären, werfen wir noch einmal einen kurzen Blick in Ihren Koalitionsvertrag. Da steht im selben Absatz, dass Sie „in Deutschland erforderlichenfalls gesetzgeberisch voranschreiten“ würden. Vom Voranschreiten kann keine Rede mehr sein, im Gegenteil, Sie schleichen hinterher.

Auf internationaler Ebene wurde inzwischen vereinbart, schädliche Lizenzboxregelungen bis Mitte 2021 abzuschaffen, danach ist das vorliegende Gesetz aller Voraussicht nach nahezu wirkungslos. Böse Zungen könnten also behaupten, die große Koalition hätte den Kampf gegen Lizenzboxen so lang wie möglich hinausgezögert, um die Megakonzerne so wenig wie möglich mit lästigen Steuerforderungen zu behelligen. Für die Linke ist dieses Schneckentempo bei der Bekämpfung solcher Gewinnverlagerungskonstruktionen zur Steuerumgehung jedenfalls nicht hinnehmbar. Steuern müssen grundsätzlich da gezahlt werden, wo die Wertschöpfung stattfindet, und das muss auch gegen mächtige internationale Konzerne konsequent durchgesetzt werden.