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Rede von Jörn Wunderlich zu Protokoll gegeben am 09.03.2017

Rede von Jörn Wunderlich,

Eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung von Minderjährigen muss laut § 1631b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom Familiengericht genehmigt werden. Sogenannte freiheitsbeschränkende oder unterbringungsähnliche Maßnahmen unterliegen hingegen keiner richterlichen Genehmigungspflicht. Für diese Maßnahmen ist eine Zustimmung der Sorgeberechtigten ausreichend.

Unabhängig von der Frage, ob solche Methoden der Behandlung unabdingbar sind, ist eine neben das Elternrecht tretende weitere Kontrollinstanz zunächst offensichtlich zu begrüßen, zumal die Wirkung von Fixierungen oder auch Sedierung bei Kindern gravierender sein kann als die Unterbringung an sich.

Während bei erwachsenen Betreuten bei solchen Maßnahmen eine betreuungsgerichtliche Genehmigung einzuholen ist, ist eine solche Genehmigungspflicht nach § 1906 BGB auf das Kindschaftsrecht nicht analog anwendbar.

Legt man die entsprechenden Artikel der UN-Kinderrechtskonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention zugrunde, ist die Genehmigungspflicht bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen von Minderjährigen nur der logische Schluss. Dies würde auch, wie es die Grünen in ihrem Gesetzentwurf betonen, die bisher unzureichende gesetzliche Regelung im Sinne einer Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen ergänzen. Das wäre ein wichtiges Signal; denn „Kinder haben besondere Bedürfnisse hinsichtlich ihrer Förderung, ihres Schutzes, ihrer Mitbestimmung und ihrer Entwicklung. Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen haben darüber hinaus mit weiteren Barrieren zu kämpfen und erleben häufig gesellschaftliche Diskriminierung. Sie sind eine besonders verletzliche Gruppe, die durch das Recht geschützt werden muss“.

Allerdings wird mit der vorgeschlagenen Regelung der Widerspruch zwischen Elternrecht einerseits und Recht des Kindes andererseits nicht aufgelöst, wie es auch in der Beschlussempfehlung des Bundesrates aufgezeigt wird. Allein den Blick auf das Genehmigungsverfahren zu lenken und damit zu suggerieren, die Situation sei geklärt, reicht eben nicht aus.

Viel wichtiger wäre es, die entsprechenden Fachbereiche und die Jugendhilfe personell so auszustatten, dass es möglichst nicht zu genehmigungspflichtigen Maßnahmen kommt. Insbesondere die vorgelagerten Systeme der Jugendhilfe, welche unterstützen und helfen können, sind hierbei besonders zu beachten und entsprechend auszustatten.

Es überrascht aber nicht wenig, dass es im Vorfeld zu diesem Gesetzentwurf, anders als sonst üblich, keine Fachdebatte mit der Jugendhilfe gab. Lediglich Ärzten wurde die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf gegeben, war heute in der taz zu lesen.

Ich möchte insoweit nur Wolfgang Hammer und Friedhelm Peters zitieren, welche sich wie folgt geäußert haben: „Was hier als Kinderschutz gedacht ist, wird zum Einfallstor für Freiheitsentzug als pädagogischem Mittel, wo immer Eltern und Einrichtungen sich überfordert sehen“ bzw. „Fixierungen mit Gurten auf einer Liege sind ein No-Go in der Jugendhilfe“.

Es bleibt dabei: Bei allen guten Absichten müssen der Schutz und die Rechte des Kindes stets im Vordergrund stehen. Und es ist Aufgabe der Jugendhilfe, dies zu gewährleisten. Dafür braucht sie die entsprechende personelle, fachliche und finanzielle Ausstattung. Zwangsmaßnahmen sind kein Mittel der Jugendhilfe, sondern Vertrauen und Zuwendung.

Ich denke, in diesem hochsensiblen Bereich werden die Beratungen intensiv und tiefgründig unter Beteiligung der Jugendhilfe verlaufen.